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#Schmuck, ausgerechnet

Schmuck, ausgerechnet

Dieser Ring wäre das Prunkstück einer jeden barocken Wunderkammer gewesen. So wie einst die Objekte in den fürstlichen Raritätenkabinetten gibt auch der goldene Ring Rätsel auf: Wie ist es möglich, zwei Gitterstrukturen so dicht und zugleich berührungslos miteinander zu verflechten? Welcher Goldschmied kann so filigran und zugleich so regelmäßig arbeiten?

Und tatsächlich: Der Cocktailring Emi von Sian Design aus München ist nicht allein von Menschenhand gemacht – seine komplexe Struktur verdankt das Schmuckstück einem Algorithmus. Simon Vorhammer, die eine Hälfte von Sian Design, hat Emi am Rechner programmiert, als parametrisches 3D-Modell. Parametrisch deshalb, weil die Struktur durch eine Reihe von Parametern definiert wird. Verändert Vorhammer einen der Parameter, verändert sich die Struktur, etwa die Stärke oder die Krümmung des Gitters. Klingt kompliziert? Ist es auch: Der Entwurf eines Rings, Armreifs oder Anhängers ist bei Sian Design ein langwieriger Prozess, mit speziellen 3-D-Programmen wie Rhino oder Grasshopper als Werkzeug.

Schmied scheiterte an der Umsetzung

„Der Algorithmus ist aber nur Mittel zum Zweck“, sagt Antonia Frey, die Lebenspartnerin von Simon Vorhammer und andere Hälfte von Sian. „Die Schönheit liegt in der Geometrie.“ Und die ist trotz des digitalen Entwurfsverfahrens oft von natürlichen Strukturen inspiriert. Verzweigungen von Flüssen, Migrationsverhalten von Staren oder Wildgänsen, die schuppige Haut von Reptilien, die Blätter von Sukkulenten: „Wir sind fasziniert von Regelwerken in der Natur, die wir sehen, aber nicht einfach beschreiben können“, sagt Vorhammer.

Ein Algorithmus macht es möglich: Anhänger Neta vom Münchner Label Sian Design


Ein Algorithmus macht es möglich: Anhänger Neta vom Münchner Label Sian Design
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Bild: Sian Design

Kennengelernt haben sich die beiden Siebenunddreißigjährigen während des Architekturstudiums an der Technischen Universität ihrer Heimatstadt München. Nach Stationen in London und Sydney leben sie heute wieder hier, mit ihrem kleinen Sohn Anton. Neben ihrem Schmucklabel arbeiten beide auch als Architekten, Frey angestellt in einem Büro, Vorhammer ist selbständig und hat sich auf parametrische Architektur und digitale Fertigung spezialisiert.

Auf den Schmuck kamen die Architekten über einen Umweg, als Vorhammer seine parametrischen Experimente in einem Online-Forum teilte. Ein Goldschmied aus den Vereinigten Staaten fragte an, ob er die 3-D-Gebilde als Vorlagen verwenden dürfe. Vorhammer schlug eine Kooperation vor, doch der Goldschmied scheiterte an der Umsetzung. „Wir haben dann selbst recherchiert, wie man die Strukturen herstellen könnte“, erzählt Antonia Frey. Erste Versuche druckten sie direkt in Polyamid aus, auch Silber und Bronze reizten sie als Materialien. Gold war aber schließlich erste Wahl, weil es so dauerhaft ist und wertig, „ein angemessenes Material“, wie Frey sagt.

Sie sind Sian: Antonia Frey und Simon Vorhammer haben zusammen Architektur in München studiert. Dort leben sie auch und entwerfen heute Schmuck.


Sie sind Sian: Antonia Frey und Simon Vorhammer haben zusammen Architektur in München studiert. Dort leben sie auch und entwerfen heute Schmuck.
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Bild: Rain and Salt

Erst die Form, dann der Prozess

In die reale Welt kommen die Entwürfe von Sian in einer Goldgießerei in Pforzheim, dem traditionellen Zentrum der deutschen Schmuckherstellung, in einem komplexen Prozess, der digitale und handwerkliche Techniken verbindet. Zunächst druckt ein 3-D-Drucker den Datensatz des Entwurfs 1:1 in einem speziellen Wachs aus. Diese Positivform bildet im nächsten Schritt die Basis für eine Negativform aus Gips. In die Gipsform wird schließlich das Gold für das Schmuckstück gegossen. Für jedes einzelne Stück muss der ganze Vorgang wiederholt werden, denn das Wachspositiv und das Gipsnegativ werden im Herstellungsprozess zerstört. „Ohne die Hilfe der Experten aus der Goldgießerei wären wir nie auf dieses Produktionsverfahren gekommen“, sagt Vorhammer. „Uns ging es darum, bestimmte Formen umzusetzen. Der Prozess folgte später.“

Die Rohlinge kommen nach dem Guss in die Werkstätten zweier Goldschmiede in Pforzheim. Die Gusskanäle müssen entfernt und die Oberflächen bearbeitet werden, je nachdem, ob Hochglanz gewünscht ist oder ein mattes Finish. Alle Sian-Stücke bestehen aus recyceltem Gold mit einem Feingehalt von 750.

Das Material und der Aufwand in der Herstellung schlagen sich im Preis nieder: Der Cocktailring Emi und die Armreife Iva und Avi als teuerste Objekte der Kollektion kosten rund 2700 Euro, einfachere Ringe und Ohrringe sind für etwa 1000 bis 1500 Euro zu haben. Dafür bekommen die Käufer Schmuck, der auf herkömmliche Weise, ohne die Hilfe digitaler Technologien, nicht herzustellen wäre. „Wir sehen uns als Ergänzung zum traditionellen Goldschmiedehandwerk“, sagt Antonia Frey. „Nicht als Konkurrenz.“

Auch die Ohrringe Ina entstehen am Computer, bevor sie in Pforzheim in Form gegossen werden.


Auch die Ohrringe Ina entstehen am Computer, bevor sie in Pforzheim in Form gegossen werden.
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Bild: Sian Design

Für Frey und Vorhammer sind die Möglichkeiten des digitalen Produzierens noch längst nicht ausgereizt. Sie experimentieren damit, Objekte gleich in Gold ausdrucken zu lassen. „Gold-Direktdruck ist sehr aufwendig, hat aber großes Potential“, sagt Vorhammer. „Damit lassen sich zum Beispiel bewegliche, ineinander verschränkte Teile produzieren.“ Diese Schmuckstücke wären dann erst recht jeder Wunderkammer würdig.

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