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Schwarz-rote Pläne: Deutschlands digitale Kettensäge

Der neue Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) hat seine erste Rede im Bundestag am Freitag gerade begonnen, als sich auf der Besuchertribüne der Generationenwechsel vollzieht. Während der ehemalige Manager über Zukunftsentscheidungen und die Start-up-Mentalität in seinem neuen Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung spricht, macht auf den Besucherplätzen eine große Rentnergruppe Platz für drei Schulklassen.

Der Begriff „Zukunft“ ist in diesen Tagen in Berlin allgegenwärtig, vor allem in den Reihen der Unionsminister. Wildberger wirbt im Bundestag um eine „positive Zukunftserzählung“. Die Schaffung seines Ministeriums sei mehr als ein „Verwaltungsakt“, es sei eine „wichtige Zukunftsentscheidung für unser Land“, findet der 55 Jahre alte promovierte Physiker, der vor wenigen Wochen noch die Elektronikmarktketten Media Markt und Saturn leitete.

Dass er sich nun im Auftrag von Kanzler Friedrich Merz (CDU) daran macht, nicht mehr nur die digitale Ausstattung seiner Kunden, sondern die eines ganzen Landes zu vervollständigen, soll für die Bürger spürbare Vorteile haben. Jeder solle eine digitale Identität erhalten, die das Leben erleichtere, skizziert Wildberger seinen Plan. Personalausweis, Führerschein, Fahrkarte, alles hat in dieser „Wallet“ künftig Platz. „Das ist Digitalisierung, die bei den Menschen ankommt.“

Am Abend zuvor hatte schon die CSU-Politikerin Dorothee Bär an gleicher Stelle ihre Visionen verbreitet. Ihr Haus sei „das Zukunftsministerium dieser Bundesregierung“. In den Namen des Ministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt, kurz BMFTR, müsse man nur zwei Buchstaben einfügen, dann sei es das „BMFuTuR“. Gerade die Raumfahrt sei der Innovationstreiber für die Wirtschaft, sagt Bär und nennt als Beispiele Akkuschrauber, Klettverschlüsse und die Strichcodes für die Supermarktkassen, die alle ihren Ursprung in der Raumfahrt hätten. Ihre Rolle sieht die Ministerin als Antreiberin: „Etwas wagen, gemeinsam tüfteln – vielleicht auch gemeinsam nach den Sternen greifen.“

Nun ist das mit der Zukunft so eine Sache. Einerseits kommt sie ganz von allein, andererseits bleibt sie häufig ungenutzt. Es braucht also mehr als bisher, um die Zukunft für sich zu entscheiden. Für die Union ist klar: Das alles gelingt nur mit einer Mischung aus Schlankheitskur und unbedingtem Innovationswillen. Ein modernes digitales Deutschland müsse schlank in seinen Prozessen und in der Verwaltung werden, sagt Wildberger. Er kündigt einen „Deutschlandstack“ an. Das erinnert zunächst an das Kauderwelsch von IT-Fachleuten. An diesem „Stack“ hat das bisher zuständige Innenministerium gleichwohl schon in den letzten Monaten der alten Regierung eifrig gearbeitet. Dahinter verbirgt sich eine einheitliche IT-Infrastruktur mit Basiskomponenten, die flächendeckend zur Verfügung gestellt werden und über klar definierte Schnittstellen und Standards verfügen.

Zieht Wildberger das durch, könnte dies das Ende des digitalen Wildwuchses in Deutschland einleiten, in dem Bund, Länder und Kommunen derzeit noch jeweils ihre eigenen IT-Lösungen nutzen, die auch oft nicht miteinander kommunizieren können. Wildberger erhält zudem einen Zustimmungsvorbehalt in Finanzfragen für alle Digitalprojekte. Diesen wolle er „konstruktiv“ nutzen, sagt er. Geld gibt es für Digitalprojekte künftig also nur, wenn sie sich in eine Gesamtstrategie einfügen.

Die neue Forschungsministerin Dorothee Bär will als Erstes die „Hightech-Agenda“ angehen. Diese soll die Strategie in den Bereichen KI, Quantentechnologie, Mikroelektronik, Biotechnologie und Kernfusion abstecken. Zudem will sie die Computerspielbranche stärken, von der sie sich Innovationen mit Strahlkraft auch in andere Wirtschaftsbereiche erhofft. „Wir werden ein eigenes Games-Referat im Ministerium einrichten“, kündigte sie an. Dieser Bereich solle wieder den Stellenwert bekommen, den er verdiene und auch schon einmal gehabt habe.

Die schon zu Merkel-Zeiten geschaffene Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) wird aus dem Wirtschafts- ins Forschungsministerium verlagert. Künftig sollen laut dem Koalitionsvertrag dort auch Innovationen im Verteidigungsbereich gefördert werden. Als weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit nannte Bär die Gesundheitsforschung. Dazu passt, dass der frühere Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Forschungsausschuss im Bundestag führen soll.

Durch den Verlust der Digital- und Innovationsabteilung hat Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) auf dem Papier zwar nicht mehr viel mit diesen Zukunftsbereichen zu tun. Sie nimmt für sich aber in Anspruch, das „Mindset“ in Deutschland mit zu verändern, wie sie am Freitag auf einer Veranstaltung der Stiftung Familienunternehmen sagte. Deutschland sei mal Technologieführer gewesen und könne es auch wieder werden. „Wir müssen wieder mehr ermöglichen als vorgeben“, sagte sie und fügte hinzu: „Hätte man das iPhone von Anfang an reguliert, wir würden heute noch mit dem Festnetz rumlaufen.“ Ihr Haus versteht sie als „Katalysator für Wachstum“, das sich auch die Arbeit in den anderen Ministerien anschauen werde. „Und wenn uns da was nicht gefällt, werden wir uns melden.“

Für ihr eigenes Ministeriums erwähnte Reiche später am Tag im Bundestag noch den Deutschlandfonds, mit dem der Bund mit 10 Milliarden Euro Unternehmen mit Kapitalhilfen unterstützen will, sowie den geplanten zweiten Zukunftsfonds mit dem Schwerpunkt Deep-Tech und Biotech. Erst mal stehen auf der Agenda der Wirtschaftsministerin aber Entlastungen für die Unternehmen. Schon nächste Woche will sie mit der EU-Kommission Gespräche über ein „größeres Paket“ zur Senkung der Energiekosten aufnehmen.

Dazu gehören ein Industriestrompreis für energieintensive Betriebe, niedrigere Netzentgelte und die Ausschreibung der geplanten Gaskraftwerke. Zudem will sich Reiche mit Vertretern der Autoindustrie über die Zölle austauschen. Mit dem Entlastungspaket, welches das Kabinett am 25. Juni auf den Weg bringen will, sollen nach Reiches Worten auch die Berichtspflichten aus dem Lieferkettengesetz gestrichen werden. Anders als andere Regierungsmitglieder vermied sie es bei ihrem Auftritt vor den Unternehmern, mehr zu fordern, als im Koalitionsvertrag steht. Das Programm sei auch so schon „anspruchsvoll“.

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