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#Schwedens Schätze und Wunder

Schwedens Schätze und Wunder

Steile Stiegen führen hinab in die Tiefe. Hölzerne Bohlen bedecken die schlammige Erde, dunkel wird es, kühl, feucht und in manchen Gängen auch ganz schön niedrig. Dann schabt der orangefarben leuchtende Schutzhelm an der felsigen Decke. Spätestens jetzt weiß man, warum man ihn trägt. So bleibt man trocken und der Kopf heil beim Abstieg hinab in die Erde. Ein flaues Gefühl kommt auf, doch dann dehnt sich eine Nische im harten Gestein aus, und ein vorsichtiges Glänzen ist zu sehen, das in die Jahreszeit passt.

Da steht er auch schon, unerwartet und auf den ersten Blick etwas fehl am Platz: ein kleiner Weihnachtsbaum, tief im ausgehöhlten Stein und dabei so frisch, als wäre er gerade erst geschlagen worden. Doch der Schein trügt, das Bäumchen steht schon lange hier in der Grube von Falun, in der schwedischen Provinz Dalarnas Län. Bekannt ist die Region für die kleinen Holzpferde, die zur schwedischen Standardweihnachtsdekoration gehören. Meist rot bemalt, sind sie aber auch typisch für die Grube, der die typische schwedische Farbe, das Falun-Rot, ihren Namen verdankt.

Der Fingerabdruck Faluns

Falun-Rot wird aus dem Abraum des Bergwerks hergestellt, und obwohl es seit 1992 keinen Bergbau mehr gibt, wird es die Farbe ewig bleiben. Denn der Abraum, aus dem sie gewonnen wird, türmt sich rund um die Grube und reicht noch für mindestens hundert Jahre. Und die Abfälle, die bei der Farbproduktion entstehen, können nach zwanzig Jahren abermals genutzt werden. Auf einer Karte ist markiert, wann welcher Steinhügel wieder verwendet werden darf. Einundzwanzig verschiedene Mineralien machen die Farbe so einzigartig, sie ist der Fingerabdruck Faluns.

Natürlich auch in Rot: Schachtturm und historisches Holzhaus auf dem Gelände der alten Grube von  Falun.


Natürlich auch in Rot: Schachtturm und historisches Holzhaus auf dem Gelände der alten Grube von Falun.
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Bild: picture-alliance

Der Tannenbaum unter Tage trägt allerdings kein Rot. Das braucht er auch nicht, er glänzt auch ohne Baumschmuck, aber in alter Frische. Eisenvitriol hält ihn am Leben. Nach 365 Tagen ist Schichtwechsel für ihn, dann wird er hochgeholt, was ihm allerdings nicht gut bekommt. Er beginnt zu altern. Doch ist es Tradition, ihn jedes Jahr abzulösen. Dann darf der nächste Baum hinab ins Bergwerk und erinnert im schmalen Schacht an alte Zeiten. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde dort zu Weihnachten eine ganz besonders reiche Erzader gefunden, man nannte sie das „Weihnachtsgeschenk“. Unter Tage hat jede Mine, jeder Stollen einen Namen. „Weihnachtsgeschenk“ passte und passt noch heute. Und dort, wo Weihnachtsgeschenke liegen und die Felswand funkelt, da gehört auch ein Baum hin.

Schwedens erster Tourist

Der schwedische König Gustav II. Adolf wusste schon Anfang des siebzehnten Jahrhunderts die Mine von Falun zu schätzen. „Kein König hat einen Palast wie ich“, rühmte er die Grube mit ihrem glitzernden Gestein und trug sich ins Gästebuch ein. Auch das ist natürlich ein ganz besonderes und wird bis heute genutzt: Auf der Felswand gleich neben dem „Weihnachtsgeschenk“ signieren die wichtigsten Gäste. „Die Bergwerke von Falun“, die nicht nur E.T.A. Hoffmanns Phantasie beflügelten, ziehen noch immer gekrönte Häupter an, fürs übliche Foto und für eine Unterschrift auf steinigem Fels, die später, passend zum funkelnden Gestein, in Gold gefasst wird und weihnachtlich glänzt.

Gästebuch im Fels: Unter den Besuchern fanden sich viele gekrönte Häupter.


Gästebuch im Fels: Unter den Besuchern fanden sich viele gekrönte Häupter.
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Bild: picture-alliance

Das Bergwerk war einst die größte Kupfermine der Welt, der Marktanteil betrug zwei Drittel der europäischen Produktion. Selbst das Dach von Versailles trug Kupfer aus Falun. Man war und ist hier stolz auf die Bergwerksgeschichte, und das zu Recht. Schließlich verdankt Schweden der Grube sein erstes Notfallkrankenhaus, es wurde 1695 gegründet und ist vermutlich sogar das erste in Europa. Auch die erste Aktie weltweit wurde in Falun ausgegeben – den Anteil erstand Bischof Petrus Eloffson im Jahr 1288. Und der schwedische Tourismus nahm ebenfalls hier seinen Anfang. Im Jahr 1824 tauchte in Falun zum ersten Mal in Schweden das Wort „Tourist“ auf. Als Beweis dient eine Zeichnung, auf der ein gut gekleideter Herr zu sehen ist, der, ausgestattet mit Helm und Cape, in die Grube geht.

Vielleicht wurde er nicht nur von dem Reichtum der Grube, sondern auch von deren Geschichte und Geschichten angezogen. Denn Falun steht für mehr als nur den Abbau von Kupfer, Erzen, Silber und Gold, mehr als Reichtum und hohe Ingenieurskunst, mehr als frühe internationale Zusammenarbeit und Fürsorge. Es ist auch ein nahezu mystischer Ort, über den anscheinend nicht nur der Geist der Bergfrau gewacht hat. 1687 kam es zu einem großen Einsturz. Die einzige noch stehende Felsenwand zwischen den großen Abbaugruben brach zusammen. Damals arbeiteten tausend Menschen in der Grube von Falun – und kein einziger kam bei diesem großen Unglück ums Leben. Der Einsturz geschah an Mittsommer, einem der drei Tage, an denen die Bergarbeiter freihatten und in der Grube nicht gearbeitet wurde. Damals ist die Große Pinge entstanden, die riesige Grube, die sich mineralisch glänzend noch heute in die Tiefe senkt.

Jeder Ort im Bergwerk hat seinen Namen. Dieser heißt „Prinz-Gustav-Galerie, gemalt um 1784 von Pehr Hilleström.


Jeder Ort im Bergwerk hat seinen Namen. Dieser heißt „Prinz-Gustav-Galerie, gemalt um 1784 von Pehr Hilleström.
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Bild: picture-alliance

Der Bergmann Mats hatte zehn Jahre zuvor nicht so viel Glück. Er wurde 1677 verschüttet, zu einem Zeitpunkt, an dem er gar nicht im Berg sein sollte. Eine Erklärung, warum er sich hatte einfahren lassen, gab es nicht. So blieb seine Braut Margareta lange im Ungewissen darüber, was mit ihrem Verlobten geschehen sei. Die Jahre verstrichen, von Mats keine Spur. Doch zweiundvierzig Jahre später, im Jahr 1719, wurde der Leichnam eines jungen Mannes im Berg entdeckt. Niemand kannte ihn, niemand wusste von ihm – bis eine alte Frau den Toten erkannte und sofort wusste, dass das nur ihr Mats sein konnte. Als einzige Zeitzeugin wusste sie das Datum seines Verschwindens. Dass er so jung und frisch geblieben war, lag ebenfalls am Eisenvitriol.

Begraben ist er seit 1930 auf dem örtlichen Friedhof. Zu Weihnachten wandert wieder ein Weihnachtsbaum in den Schacht, auch er wird ein Jahr lang in voller Pracht dort stehen. Und erinnert so auch an den jungen Mats, der im Berg sein Leben, aber nicht seine Jugend verloren hat.

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