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#Ron Mueck in der Fondation Cartier in Paris

Menschliche Schädel stapeln sich bis unter die Decke der Halle: Skulpturen riesenhaft vergrößerter Skelettköpfe, zu Haufen getürmt oder in Kleingruppen arrangiert, hundert Stück an der Zahl. Ron Mueck hat den gläsernen Kubus der Pariser Fondation Cartier in ein Beinhaus verwandelt, ein monströses Memento mori – oder ein Diptychon auf Leben und Tod. Es ist nur eine Frage der Perspektive. Wer vor die Tür in den vor Insekten summenden Sommergarten des Privatmuseums für zeitgenössische Kunst tritt, sieht neben der Schädelhalde in dem einen ebenerdigen Saal des Baus in dem anderen Muecks monumentale Plastik „A Girl“: die hyperrealistische Darstellung eines auf dem Rücken liegenden Neugeborenen.

Jede schmierige Blutspur auf dem Körper des Säuglings, jede Wimper und Falte im gnomenhaft verzerrten, das Kindchenschema konterkarierenden Gesicht hat Mueck in dieser Arbeit von 2006 mit minutiöser Präzision ausgearbeitet. Für Figuren solcher Art ist der aus Australien stammende, in Großbritannien lebende Künstler berühmt, seit er 1997 zu der viel beachteten Wanderausstellung „Sensation“ mit Werken von „Young British Artists“ aus der Sammlung Charles Saatchis die Plastik „Dead Dad“ beisteuerte. Das auf halbe Lebensgröße verkleinerte Abbild des verstorbenen Vaters des Künstlers zeigt ihn nackt in Rückenlage auf einem Podest.

Bis unter die Decke: Hundert monumentale Schädelskulpturen bilden Ron Muecks Installation „Mass“ in der Fondation Cartier.


Bis unter die Decke: Hundert monumentale Schädelskulpturen bilden Ron Muecks Installation „Mass“ in der Fondation Cartier.
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Bild: Marc Domage

Dass Anfang und Ende der menschlichen Existenz, das leibliche Geworfensein in die Welt immer noch ein Grundthema von Muecks Schaffen sind, beweist die aktuelle Pariser Schau. Seine Werke fordern die physische Konfrontation, den Abgleich mit der eigenen Präsenz, gründet ihre unheimliche oder schockierende Wirkung doch wesentlich auf den überraschenden Größenverhältnissen. Die Inspirationsquellen der handwerklich elaborierten, extrem wirklichkeitsnahen Plastiken des einstigen Figurenmachers für Film und Werbung liegen so weit auseinander wie Hans Holbeins toter Christus und Duane Hansons Wiedergänger der amerikanischen Mittelklasse; auch Echos aus Gemälden von Muecks Schwiegermutter Paula Rego meint man wahrzunehmen.

Nur vier Dutzend künstlerische Arbeiten hat der Fünfundsechzigjährige, der inzwischen zurückgezogen auf der Isle of Wight lebt, geschaffen. Mag sein, dass dem Alter geschuldete Ungeduld ihn nun zu einer anderen Herangehensweise und Ästhetik drängt – oder der Überdruss an der Wiederholung. Muecks Schädelberg von 2017 markiert eine Neuorientierung. Bei den bis auf ihre Höhe von rund anderthalb Metern täuschend echt wirkenden Knochennachahmungen konzentriert ­Mueck sich auf deren skulpturale Qualitäten. Leicht variierende Weißtöne lassen an antike Statuen denken; die Schädel sind detailverliebt ausgefeilt, bis in Vertiefungen der verschieden besetzten Zahnbögen, bis unter die Jochbeine und in Augenhöhlen hinein, sauber und ästhetisch. Unangenehme Assoziation können trotzdem aufkommen, an Genozide etwa. Am Schießen von Selfies hindert das Besucher nicht: Totenköpfe, als Accessoires für büßende Magdalenen, Piraten oder Hamlet gleichermaßen unabdingbar und omnipräsent in der Popkultur, gehen wohl irgendwie immer.

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