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#Wie weit wird Putin gehen?

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„Wie weit wird Putin gehen?“

Grigorij Borissowitsch, hat die von Präsident Putin am vergangenen Mittwoch angeordnete Mobilmachung die Russen überrascht?

Die Mehrheit zweifellos. Bislang dominiert Bestürzung. Einige fangen an, Maßnahmen zu ergreifen, versuchen, sich zu verstecken. Andere bereiten sich darauf vor, zu kämpfen.

Wieso sind die Leute überrascht?

Russland ist ein sehr entpolitisiertes Land. Für die meisten Menschen gibt es keine Politik: Sie versuchen, sich so weit wie möglich davon fernzuhalten, denken nicht über politische Ereignisse nach, sind sich absolut sicher, dass das, was in der Welt politisch passiert, nichts mit ihnen zu tun hat, sie niemals betreffen wird. So war es jedenfalls lange Zeit. Die Mobilmachung bedeutet, dass die Politik beginnt, einen viel größeren Kreis von Menschen zu betreffen; nicht alle auf einmal, aber natürlich weiß jeder im Land von der Mobilmachung. Die Menschen fangen an, über die Situation nachzudenken.

Der 1983 in Moskau geborene Grigorij Borissowitsch Judin ist Professor der Moskauer Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften („Shaninka“) und lehrt außerdem an der Higher School of Economics in der russischen Hauptstadt.


Der 1983 in Moskau geborene Grigorij Borissowitsch Judin ist Professor der Moskauer Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften („Shaninka“) und lehrt außerdem an der Higher School of Economics in der russischen Hauptstadt.
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Bild: Jegor Makarow

Riskiert Putin nun, seinen Status als „guter Zar“ zu verlieren?

Das Modell der Beziehung zum Imperator ändert sich. Dieser wurde bisher als derjenige angesehen, der sich um Staat und Politik kümmert und dabei seinen Untertanen erlaubt, ihren eigenen Angelegenheiten nachzugehen und von ihnen keinerlei Mitwirkung verlangt. Dadurch entstand Raum für persönliche Entfaltung. Nun ist dieses Modell wenn nicht völlig zerstört, so doch untergraben.

Was geschieht, wenn dieses Herrscherprinzip zerstört wird?

Gute Frage. Praktisch geht es darum, was passiert, wenn die wichtigste Methode oder Taktik des Regierens in Russland nicht mehr die Demobilisierung ist, sondern, im Gegenteil, die Mobilisierung. In dieser Größenordnung hat Putin das noch nie getan – und er ist seit mehr als 20 Jahren an der Macht. Es ist eine völlig neue Situation, ein absolut neues Experiment. Dabei gibt es ein sehr schlechtes Symptom: Russlands Gesellschaft ist sehr atomisiert, die horizontalen Bindungen zwischen den Menschen sind schwach. Jeder verlässt sich auf sich selbst und darauf, dass der „Zar“ nichts Schlimmes tun wird. Diese Art von atomisierter Masse ist ein perfektes Baumaterial für eine faschistische Gesellschaft; genauso sah Deutschland in den frühen Dreißigerjahren aus. Andererseits hat Putin noch nie so agiert wie jetzt: Er mag weniger die Mobilisierung, sondern polizeiliche Führungsmethoden, bei denen er alles kontrolliert und niemand etwas ohne seine Zustimmung tut. Putin ist sehr weit weg vom Volk, hat Angst vor ihm, vor jeder kollektiven Aktion und Initiative von unten. Wenn er jetzt versucht, ein mobilisierender Führer zu werden, kann das leicht misslingen, weil er keinen wirklichen Kontakt zu einem großen Teil der Bevölkerung hat, sich eigentlich über die Kontaktlosigkeit hält. So wird es sehr schwierig für Putin sein, Menschen in etwas hineinzuziehen. Es sieht so aus, dass ein beträchtlicher Teil der russischen Gesellschaft nicht wirklich bereit ist, Putin zu folgen, insbesondere die jüngeren, fortschrittlicheren, begüterten Gruppen, die nicht verstehen, was das Ganze soll. Es ist eine unberechenbare Situation.

Was passiert, wenn die Mobilmachung misslingt oder keine militärischen Erfolge bringt, wenn Putin als schwacher Führer dasteht?

Eine militärische Niederlage Putins würde sein Ende bedeuten. Daran kann es keinen Zweifel geben.

Und wenn sich der Krieg hinzieht?

In gewisser Hinsicht ist das jetzt für Putin notwendig: Sein Kalkül besteht darin, dass Länder wie Deutschland erfrieren und nachgeben werden. Aber bisher hat die Verzögerung Putin nicht genutzt – er zögerte und zögerte und bekam die Niederlage in Charkiw. Dann sagten ihm die Generäle, dass die nächste Niederlage vielleicht schon vor der Tür steht. Daher ordnete er die Mobilmachung an.

Reservisten werden in Sevastopol eingezogen, Angehörige bangen.


Reservisten werden in Sevastopol eingezogen, Angehörige bangen.
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Bild: AFP

Jetzt schickt sich Putin an, weitere Gebiete der Ukraine zu annektieren. Gibt es in der russischen Gesellschaft Unterstützung dafür?

Das Wort suggeriert, dass es eine Art demokratischer Willensäußerung gebe, einen gemeinsamen Aufbruch von Bürgern. Aber bei uns funktioniert es ungefähr so: Wenn du dich zu sehr empörst, kriegst du eins auf die Nase. Wenn du dich nur um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst, nicht. Daher rührt die allgemeine Gleichgültigkeit. Es ist eine traurige Situation.

Moskau droht, auch Nuklearwaffen einzusetzen, um die Eroberungen in der Ukraine nach den Annexionen zu verteidigen. Würde Putin soweit gehen?

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