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#Selbstdarstellung im geschlossenen Raum

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Selbstdarstellung im geschlossenen Raum

Das, was Sophie Passmann macht, macht sie erfolgreich. Sie schreibt eine Kolumne, die beliebt ist, in den sozialen Medien kann sie sich einer beachtlichen Anhängerschaft rühmen, und wenn sie moderiert, erreicht sie ein großes Publikum. Ihr erstes Buch war ein Bestseller. Damals unterhielt sich die Mittzwanzigerin mit alten deutschen Männern. Passmann ist auch deutsch, aber zumindest nicht alt und nicht männlich und auch deshalb eine präsente Stimme in der deutschsprachigen Medienwelt.

Dennoch ist sie eifersüchtig, und zwar auf einen Mann. Nicht irgendeinen, auf den Mann, also Thomas. Der hat auch mit Mitte zwanzig sein erstes Buch publiziert, darauf ist sie also nicht eifersüchtig. Auch nicht darauf, dass er damit den Nobelpreis für Literatur gewann. Sondern dass er lange Bücher schreiben durfte, als es noch keinen Grund gegeben hätte, kurze zu schreiben: „Dieses Selbstbewusstsein, das man haben muss, um so was wie den ‚Zauberberg‘ zu schreiben, dieser unbändige Glaube daran, dass man selbst so geil drauf ist, dass man tausend Seiten über einen schlechteren Kurort schreiben kann und die Leute das lesen wollen.“ Das mache sie „rasend vor Eifersucht“.

So steht es in ihrem nun zweiten Buch. „Komplett Gänsehaut“ heißt es, ist 172 Seiten kurz, und das ist es, worüber die Erzählerin nachdenkt, während sie auf ihr Bücherregal in ihrer neu bezogenen „ekelhaft hellen Altbauwohnung“ blickt, die sie sich dank ihres Erfolgs nun also leisten kann. Und weil nicht „Roman“ auf dem Buchcover steht, neigt die Gewohnheit dazu, ihre Stimme erst einmal als die „der Passmann“ zu lesen (wobei das, wie bei „der Bachmann“, lieber mit Bedacht zu tun ist).

Hier richtet sich also eine junge, erfolgreiche Frau im unabhängigen, bürgerlichen Leben ein. Und mit dem Einzug ins gefühlte Erwachsensein wird erst einmal Inventur gemacht. Was steht da eigentlich im Bücherregal und warum? Was kocht man in der eigenen Küche, und was sagt das über einen aus? Wie begegnet man sich selbst in Räumen, die man sich mit niemandem teilen muss? Wie privilegiert, wie intellektuell, wie deutsch ist man denn, wenn man genau das jetzt alles kann – mit 27 Jahren?

Denn in diesem Alter könnten die Stufen zur Beletage – die man ohne die vielen Hürden, die anderen, weniger deutschen, weniger weißen Menschen gestellt werden, hochgestiegen ist – endlich gründlich ignoriert werden, um sich nun einmal anständig zu kuratieren. Mit, okay, dem „Zauberberg“, vor allem aber feministischen Büchern und Platten von The Cure im Regal und Fotos von sich und Billie Eilish an der Küchenwand.

Aber nein, Ignorieren ist schwierig, denn es lastet schwer – das Wissen um das eigene prädestinierte, privilegierte Dasein, das Gefühl, einer Generation anzugehören, die das Gefühl hat, dass viel gefühlt und weniger argumentiert wird, denn gerechtfertigt ist schon mal gar nichts. Und wenn „man“ dann in zynischer Pose auf dem Stiftparkett sitzt, dann kann „man“ sich durchaus fragen, ob „man“ das doch alles so toll findet und überhaupt genießen sollte.

Ein „ich“ spricht hier selten

Also „man“ im Sinne von „Passmann“. Denn ein „ich“ spricht hier selten: „Man weiß das“, dass das Leben von Menschen nie so interessant oder schlau oder geputzt aussehen würde, wie es sich im Internet zeigt. Das weiß Passmann, das weiß „ihre“ Generation und eventuell auch alle anderen. Warum den teuren Risotto-Reis kaufen, um „Bildungsbür­gertum-Cosplay“ zu spielen? Diese Frage wird schlicht beantwortet mit: „Ich kaufe zum Beispiel kein Risotto mehr.“

Das ist also der Status quo, den Passmann hier begreifen will. Mit einer Metapher, die doch genauso für eine verwöhnte Generation X funktionieren könnte. Risotto-Reis. Klar, die aus der Generation X haben das aber noch ernsthaft gegessen. Jetzt isst man es ironisch, im Wissen, dass es ironisch ist.

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