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#„Sevilla hat mein Leben verändert“

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„Sevilla hat mein Leben verändert“

Dieses Werk ist eine Frühgeburt. Es kommt neun Monate zu früh, denn die Nacht von Sevilla trug sich einst am 8. Juli zu. Und doch hat Autor Stephan Klemm, Jahrgang 1967, eine gute Entscheidung getroffen, jetzt schon mit dem „deutsch-französischen Fußballdrama“ zu reüssieren. Die „Nacht von Sevilla 82“ ist eine Fleißarbeit – so wie es auch eine Geburtsstunde der deutschen Tugenden gewesen ist, die zum damaligen Sieg über Frankreich geführt haben.

8. Juli 1982, Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien, Frankreich gegen Deutschland. Für die Auswahl von Jupp Derwall, angeführt von Aushilfskapitän Manfred Kaltz, der den verletzten Spielführer Karl-Heinz Rummenigge vertritt, ist es die Chance, die „Schande von Gijon“ ein Stück weit vergessen zu machen. Jenes Ballgeschiebe im Nichtangriffspakt gegen Österreich, das mit dem 1:0 genau das Ergebnis bringt, mit dem beide Mannschaften die holprige Gruppenphase überstehen.

Klemm, Sportredakteur beim Kölner Stadtanzeiger und erprobt, präzise und auf den Punkt zu liefern, beschreibt in seinem 192 Seiten starken Buch kenntnisreich und detailgetreu, was damals passiert ist. Langjährige Beobachter, aber auch Neugierige, fühlen sich sofort (zurück-)versetzt in die heißen Tage von Andalusien, zu denen Derwalls Elf vom missglückten Trainingscamp am Schluchsee im Schwarzwald aus Kurs genommen hat.

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Ein Spieler steht besonders im Fokus, ihn besucht der Autor mehrmals: Harald „Toni“ Schumacher. Der Torhüter ist der Mann, der diesen 8. Juli 1982 nie vergessen wird. Es ist der Tag, an dem er aus seinem Tor heraus stürmt, in die Luft springt und den französischen Verteidiger Patrick Battiston niederstreckt. Eine genaue Erinnerung an jenen Donnerstagabend um 22.15 Uhr im Stadion Sánchez-Pizjuán hat Battiston, der bei der Attacke vier Zähne verliert und bewusstlos mit einer Trage vom Platz gebracht wird, nicht mehr. Später spricht er über dieses vielleicht schlimmste Foul der WM-Geschichte – so wie auch alle 13 eingesetzten deutschen Nationalspieler ausführlich zu Wort kommen.

Klemm reist quer durch Deutschland und Europa, besucht deutsche wie französische Protagonisten aus der Nacht von Sevilla, führt diverse Gespräche, blickt mit Schumacher, Rummenigge, Horst Hrubesch, Klaus Fischer, Pierre Littbarski, den Odenwälder Förster-Brüdern Karlheinz und Bernd, Paul Breitner und all den anderen zurück. Vor allem räumt er den Franzosen großen Raum ein, für die Sevilla Wendepunkt und Aufbruch in eine neue Zeit des Fußballs der „Les Bleus“ markiert.

Franzosen fühlen sich betrogen

„Sevilla hat mein Leben verändert“, sagt Battiston über die Szene in der 57. Spielminute. Zu diesem Zeitpunkt steht es 1:1. Littbarski hat Deutschland in Führung geschossen, Michel Platini, der großartige Kapitän, für Frankreich per Elfmeter ausgeglichen. Schumachers Foul wird vom niederländischen Schiedsrichter Charles Corver nicht gepfiffen. Keine Karte, keine Verwarnung, nichts. Die Franzosen fühlen sich betrogen und sind entsetzt – noch Jahre später, wie zu lesen ist.

Es geht in die Verlängerung. Marius Tresor und Alain Giresse erhöhen auf 3:1. Der Weg ins Finale, wo Italien wartet, scheint nur eine Frage von letzten Spielminuten zu sein. Dann kommt Rummenigge. Nicht aus der Tiefe des Raumes, sondern von der Ersatzbank. Der verletzte Bayern-Profi, damals Europas bester Stürmer, vor dem die Franzosen besonders großen Respekt hatten, hatte sich nach dem Anpfiff einen Handschuh von Ersatztorwart Bernd Franke genommen, ihn mit Eis befüllt und so seinen lädierten Oberschenkel massiert. Rummenigge spürt jetzt keine Schmerzen mehr.

In der Verlängerung gibt er Derwall ein Zeichen – und lässt sich einwechseln. In der 102. Minute erzielt er den wichtigen Anschlusstreffer. Fischer, der deutsche Erfinder des Fallrückziehers, gleicht sechs Minuten später aus. Elfmeterschießen. HSV-„Ungeheuer“ Hrubesch ist derjenige, der den entscheidenden Strafstoß verwandelt. Die deutsche Mannschaft steht im Finale – und kann es kaum glauben.

Kaum zu glauben ist auch das Verhalten von Schumacher. In jener Nacht von Sevilla lässt der Kölner alle Möglichkeiten verstreichen, sich nach Battiston zu erkundigen und so etwas wie Empathie zu zeigen. Klemm sitzt lange in Schumachers Haus in Sürth, um dieses Fehlverhalten, dieses Trauma aufzuarbeiten. Erst knapp zwei Jahre nach der einschneidenden Nacht von Sevilla stehen sich Schumacher und Battiston in Straßburg wieder spielend gegenüber. Zuvor schon gab es den Handschlag zwischen den beiden – in den Räumen einer Zeitungsredaktion in Metz.

Spannender, kurzweiliger, hintergründiger Stoff wird rund um die Nacht von Sevilla geboten. Auch lässt es der studierte Historiker Klemm nicht an einer geschichtlichen Einordnung, angereichert durch Gespräche mit Schriftstellern, Journalisten und Professoren, missen. „Frankreichs aktueller fußballerischer Aufschwung begann mit einer fürchterlichen Niederlage und mit Tränen der Verzweiflung“, heißt es in Klemms Fazit. „Sevilla war ein Akt der mentalen fußballerischen Ausbildung, die der französischen Mannschaft half, sich sportlich zu emanzipieren.“ Das französische Magazin France Football hat im Januar 2021 die bald vierzig Jahre zurückliegende Nacht von Sevilla auf Platz eins der 50 besten Spiele aller Zeiten gewählt.

Stephan Klemm: Die Nacht von Sevilla. Ein deutsch-französisches Fußballdrama. Verlag Eriks Buchregal. 192 Seiten. 24,90 Euro.

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