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#„Sie fürchten uns“

„Sie fürchten uns“

Ahmad, wo sind Sie gerade?

Ich bin die ganze Zeit zu Hause. In der Nähe unserer Wohnung gibt es einen Checkpoint der Taliban. Ich habe gesehen, wie sie dort Menschen geschlagen haben. Jetzt sitze ich hier mit meiner Frau und meiner eineinhalb Jahre alten Tochter. Wenn wir etwas brauchen, frage ich meinen Bruder. Er versorgt uns.

Einer Ihrer Kollegen schrieb mir, die Taliban hätten ihm Drohbriefe geschickt. Jetzt müsse er sich verstecken. Wie gefährdet fühlen Sie sich?

Ich habe von Kollegen gehört, die nachts aus ihren Häusern geholt wurden und nicht mehr auftauchten. Heute gab es eine Pressekonferenz hier in Kabul, bei der ein Sprecher der Taliban Leuten wie uns Ratschläge zum Überleben gab: Wir sollten möglichst schnell den Job wechseln. Als ob das so einfach wäre. Ich bin seit achtzehn Jahren am Theater. Am Samstag habe ich versucht, in mein Büro im Universitätsgebäude zu kommen. Man ließ mich gar nicht erst aufs Gelände. Es hieß: Wenn wir dich brauchen, rufen wir dich.

Wie sah Ihre Arbeit in den letzten Jahren aus?

Sinnvoll! Wir kooperierten mit vielen Institutionen in Deutschland, Frankreich, Amerika, Norwegen, England, der Schweiz. Wir haben acht nationale Theaterfestivals veranstaltet, fünf Studententheaterfestivals. Als Regisseur habe ich auch im Ausland Stücke inszeniert, die von der Völkerverständigung handelten.

Der Theaterdozent Ahmad Samim Farahmand


Der Theaterdozent Ahmad Samim Farahmand
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Bild: privat

Sie waren also frei in Ihrer Arbeit?

Denken Sie zurück an die letzte Herrschaft der Taliban. Damals waren die Künste verboten. In den Jahren danach schienen die Taliban das Theater zu dulden. Es gab Professoren und Direktoren, denen es gelang, die Stammeskrieger zu besänftigen. Sie sagten: „Kommt und diskutiert mit uns.“ Ich erinnere mich an eine Aufführung, in der es um einen dummen Prediger ging. Die Taliban saßen im Publikum und schlugen sich lachend auf die Schenkel. Jahre später haben wir ein Stück inszeniert, das von einem Selbstmordattentäter handelte. Wir wurden bedroht. Das Problem ist, dass die meisten von ihnen gar nicht wissen, was Kunst und Theater sind. Unter tausend Männern gibt es vielleicht zwei, die ein Verständnis dafür haben. Die anderen fürchten uns.

Sie sprechen von Furcht?

Ja. Mal abgesehen von ihren religiösen Dogmen: Die Taliban halten die kreativen Menschen aus der freien Kunst für besonders gefährlich. Sie wollen keine selbstbestimmten Frauen auf der Bühne. Es ist wie im Mittelalter. Frauen dürfen ab jetzt gar nicht mehr arbeiten. Familien wird sogar eine finanzielle Kompensation versprochen.

Fühlen Sie sich allein gelassen von all den Institutionen, mit denen Sie zusammengearbeitet haben?

Nun ja. Wir haben viele ehemalige, auch jahrelange Kooperationspartner angeschrieben und einige automatisierte Antworten erhalten. Aus Deutschland kam Unterstützung.

Was würde Ihnen jetzt helfen?

Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich Deutschland nach einem Semester Studium verließ. Ein Kon­trolleur am Flughafen nahm meinen Ausweis. Er sagte: „Du bist verrückt. Dahin willst du zurück?“ Aber ich habe diesem Land viel zu verdanken. Ich liebe es. Das, was ich in Deutschland gelernt hatte, habe ich meinen Studenten in Kabul weitergegeben. Was das Heute angeht: Ich mache mir wenig Hoffnung, das verbieten die Umstände. Ich wünschte nur, ich könnte meiner Familie etwas Sicherheit bieten.

Ahmad Samim Farahmand leitet den Fachbereich Theater an der Universität Kabul. 2016 studierte er in Köln.

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