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#Sie will keine Sklavin sein

„Sie will keine Sklavin sein“

Es sei nur ein „schlechter Witz“ gewesen, entschuldigte sich Gülsen bei allen, die sich beleidigt gefühlt haben. Der Witz hat ihr ein Verfahren eingebrockt und mehrere Tage Gefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy. Am Montagnachmittag durfte die Königin des türkischen Pop das Gefängnis zwar verlassen, steht nun aber unter Hausarrest. Also keine Konzerte mehr und keine öffentlichen Auftritte. Ihr Anwalt Emek Emre will auch diese Entscheidung der türkischen Justiz anfechten, denn sie entbehre jeglicher rechtlichen Grundlage.

Monate hat es gedauert, bis es der „schlechte Witz“ in die Öffentlichkeit geschafft und für Aufruhr gesorgt hat. Gülsen, mit vollem Namen Gülsen Colakoglu, vermutet wohl nicht zu Unrecht, dass ihr Fall von interessierten politischen Kreisen instrumentalisiert werde. Offenbar wollten bestimmte Kräfte die Gesellschaft noch mehr in Säkulare und Religiöse spalten, sagte sie. Schließlich befindet sich die Türkei in einem Vorwahlkampffieber, und bei schlechten Umfragewerten nimmt der Druck auf die Regierungspartei AKP zu.

Den „schlechten Witz“ machte Gülsen bereits im April während eines Konzerts. Dort sagte sie eher beiläufig zu einem ihrer Musiker, dem Pianisten, sein „perverses“ Verhalten rühre vielleicht daher, dass er eine religiöse Imam-Hatip-Schule besucht habe. Den Musiker nennen sie in der Band „Imam“, also Vorbeter. Jeder in der Gruppe habe einen Spitznamen, und man mache sich ständig über sie lustig, sagte die 46 Jahre alte Gülsen am vergangenen Donnerstag, nachdem sie in ihrer Wohnung festgenommen worden war. Das wiederholte sie am Freitag vor dem Haftrichter. Doch der ordnete Untersuchungshaft an.

Ein breite Welle der Solidarität

Damals im April johlte das Konzertpu­blikum. Ein Videomitschnitt davon zirkulierte aber erst viel später im Internet, und er ging dann viral. Anhänger der Regierungspartei AKP liefen Sturm gegen Gülsen, und so folgte nun eine Anklage wegen „Anstachelung zu Hass und Feindseligkeit“. Zwar betrifft die Anklage Gülsens Aussage zu den von der AKP geförderten Imam-Hatip-Schulen. Sie zielt aber auch auf die Künstlerin Gülsen.

Selbst wenn sich Gülsen nicht unmittelbar politisch äußert, sind ihre Konzerte sehr politisch. Sie tritt mit der Regenbogenfahne auf und solidarisiert sich mit der in der Türkei als „unislamisch“ verfolgten LGBTQ+-Community. Ihre Kleidung ist eher freizügig, was viele Konservative als Provokation empfinden. Als Gülsen Anfang des Jahres wegen ihrer freizügigen Kleidung bei den Konzerten angegriffen wurde, antwortete sie: „Ich bin niemandes Sklave. Ich gehöre niemand anderem. Ich gehöre nur mir selbst.“

Ihre Festnahme und Untersuchungshaft haben ein breite Welle der Solidarität mit der Künstlerin ausgelöst. Der Komponist Fazil Say äußerte sich empört, Gülsen habe nichts getan, was eine Verhaftung rechtfertige. Der türkische Popmusiker Tarkan schrieb auf Twitter, wer Kinder sexuell missbrauche, wer Frauen vergewaltige und töte, werde nicht verhaftet, sondern befinde sich häufig auf freiem Fuß. Rasch aber habe die Justiz, die bei Korruption, Mord und Diebstahl untätig bleibe, bei Gülsen gehandelt. Die Schriftstellerin Elif Shafak twitterte: „Dies ist eine Lynchkampagne.“

Die Reaktionen reichen bis nach Washington

Die Musikerin Aynur Aydin schrieb: „Gülsen wurde verhaftet, weil sie sich nicht so kleidete und verhielt, wie sie es wollten. Wenn wir schweigen, werden wir die Nächsten sein.“ Am Wochenende sangen die Fans des Fußballklubs Fenerbahce aus Solidarität mit ihr Gülsens Song „Lolipopp“. In dem schrieb sie, die auch für Stars wie Ajda Pekkan und Mustafa Sandal Texte schreibt: „Du kannst mir die Hände fesseln, du kannst mich aber nicht einsperren.“

Der Verband der türkischen Anwälte stellte nach dem Vorgehen gegen Gülsen die Unabhängigkeit der türkischen Justiz in Frage und beklagte eine Verletzung des Rechts auf persönliche Sicherheit und persönliche Freiheit. Die Reaktionen reichen bis nach Washington. Dort äußerte der Sprecher des State Department sich besorgt über die Beschränkungen der Meinungsfreiheit.

Das Vorgehen gegen die Musikerin Gülsen fügt sich in ein größeres Bild. In den vergangenen Wochen haben in der Türkei die Behörden 16 Konzerte verboten, weil es dort angeblich unzüchtig zugehe. Sie schränken damit nicht nur die künstlerische Freiheit ein, sondern verstoßen auch gegen das Recht, sich zu versammeln.

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