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Sie wollten es nicht wissen

Im Saal 142 der Kölner Landgerichts, einem der größten des Hauses, wird schon so manch spektakulärer Prozess geführt worden sein. Und nicht nur manch ein Angeklagter, sondern auch manch ein Zeuge wird sich im Lauf der Jahre dort ein­gefunden haben, der sich sein Leben lang nicht hatte träumen lassen, dass er jemals über sein Tun und Lassen öffentlich Rechenschaft ablegen müsste.

Daniel Deckers

in der politischen Redaktion verantwortlich für „Die Gegenwart“.

An diesem Donnerstag kommt alles zusammen und lässt es den meisten Anwesenden immer wieder „eiskalt den Buckel herunterlaufen“, ganz so, wie es dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Christoph Kaufmann nach eigenem Bekunden schon während des Studiums der Fallakten ergangen ist: Hier Hans-Bernhard Ue., ein katholischer Priester, der sich nach den bisherigen Erkenntnissen über Jahrzehnte fast unbehelligt an vorpubertären Mädchen verging, dort ein „Aporie“ und „Dilemma“ beschwörender Zeuge namens Günter Assenmacher. Er war nicht irgendein kleines Rad in der großen Bistums­maschinerie, sondern bekleidete über mehr als 25 Jahre das Amt des obersten Richters im Erzbistum Köln. Als solcher war er nicht nur mit hunderten Ehenichtigkeitsverfahren im Jahr befasst, sondern auch mit der kirchenrechtlichen Sanktionierung von Geistlichen, die sich an Kindern oder Jugendlichen vergangen hatten.

Nichten unter familiärem Druck

Davon aber gab es im Erzbistum Köln in den vergangenen Jahren nicht viele, wenn man die Angaben Assenmachers für bare Münze nimmt. Mit gut 20 Strafverfahren sei er seit 1995 als sogenannter Offizial befasst gewesen, so doziert der heute 69 Jahre alte Geistliche mit einem Unterton, der dem Auditorium wohl glauben machen soll, er sei im Grunde ein ganz kleines Licht und müsse heute nur des­wegen vor Gericht erscheinen, weil er viel zu hilfsbereit gewesen sei. Dies aber nicht gegenüber dem Angeklagten, der nach anonym erhobenen Missbrauchsvorwürfen und der Einsichtnahme des Erzbistums in die Akten der Staatsanwaltschaft im Herbst 2010 regelkonform von seinen priesterlichen Aufgaben suspendiert wurde. Mit dem Beschuldigten will Assenmacher, der mit ihm zwei Jahre zusammen Theologie studiert hatte, in der fraglichen Zeit nie persönlich gesprochen haben – was Ue. ausweislich des Protokolls einer Befragung im Kölner Generalvikariat im April 2019 behauptet hatte. Nein, der Mann mit dem sorgsam frisierten weißen Haar erweckt auf dem Zeugenstuhl den Eindruck, im Nachhinein hätte er in diesem Fall besser gar nichts getan als aus Freundlichkeit einen Rat zu geben, von dessen Richtigkeit er damals überzeugt gewesen sei.

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Denn anstatt einen Verdachtsfall an die Vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre zu melden, wie es seit 2001 vorgeschrieben war, ist die Meldung im Fall Ue. auf sein Betreiben hin unterblieben. Und das, obwohl die Justiziarin Daniela Sch., die zusammen mit dem damaligen Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal, dem heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße, für den Kontakt mit der staatlichen Justiz wie mit den Rechtsbeiständen der Betroffenen zuständig war, auch dann noch nach Wegen gesucht hatte, ein kirchenrechtliches Verfahren gegen Ue. einzuleiten, als die Möglichkeiten der staat­lichen Strafverfolgung längst erschöpft waren. Diese hatte das Ermittlungsverfahren ohne Ergebnis einstellen müssen, nachdem die drei Nichten, die ihren Onkel des schweren sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatten, unter massivem familiären Druck von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten. Die Justiziarin bemühte sich um Kontakt mit einer der Anwältinnen der Betroffenen, erhielt aber im Frühjahr 2011 die Mitteilung, dass diese sich derzeit auch nicht zu einer Aussage in einem kirchlichen Verfahren in der Lage sähe.

Für Assenmacher und Heße kam diese Information wie gerufen. Allem Drängen der Justiziarin zum Trotz tat Assenmacher nichts, um ein kirchliches Voruntersuchungsverfahren in die Wege zu leiten. Heße wiederum hatte schon Ende 2010 die hoffnungsfrohe Erwartung schriftlich festgehalten, sollte die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, könne Ue. umgehend rehabilitiert werden. Ein Jahr später war es soweit. Ue. kehrte in seine Stelle als Krankenhausseelsorger nach Wuppertal zurück. Vier Jahre später ernannte ihn Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zum stellvertretenden Stadtdekan.

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