#Wer nichts bestellt, der zahlt
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„Wer nichts bestellt, der zahlt“
In diesem Leben gilt ein grundlegendes Prinzip: Wer bestellt, der zahlt. Dieses Prinzip funktioniert hervorragend, denn es diszipliniert den Besteller. Er muss abwägen, ob ihm ein Wunsch den Kaufpreis wirklich wert ist. Wer beispielsweise im Restaurant gerne zwei Vorspeisen essen und teuren Wein trinken möchte, darf das gerne tun – er sollte dann später aber nicht über die hohe Rechnung meckern. Und wer auf der Autobahn gerne schnell fährt, muss später mit höheren Tankrechnungen klarkommen.
Im Mietrecht wird dieses eherne Prinzip nun aufgeweicht. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge haben sich die beteiligten Ministerien von Union und SPD endgültig darauf geeinigt, dass sich Vermieter ab dem nächsten Jahr und bis Ende 2024 hälftig an den Mehrkosten durch die neue CO2-Abgabe beteiligen müssen. Das Justizministerium rechnet in seinem Gesetzentwurf für eine durchschnittliche 140 Quadratmeter-Wohnung mit 165 Euro Mehrkosten im Jahr. Vermieter sollen in diesem Fall künftig also 82,50 Euro aus der eigenen Kasse beisteuern.
Der Betrag ist überschaubar. Das eigentliche Problem ist, dass dadurch das Prinzip ausgehebelt wird, dass der Mieter seinen Verbrauch selbst zahlt – bisher gilt das von der größeren Mülltonne bis zur Stromrechnung. Künftig aber muss der Vermieter mitzahlen, wenn sein Mieter die Heizung aufdreht. Logisch ist das nicht.
Die Befürworter der Neuregelung argumentieren, dass ein Mieter nicht darüber entscheiden könne, ob sein Vermieter die Fassade dämmt oder eine effizientere Heizung einbaut. Und weil die Heizrechnung in einer zugigen Wohnung nunmal höher ausfällt als in einer gut gedämmten, sei es fair, den Vermieter an den Kosten zu beteiligen. Das Argument ist gut. Allerdings gibt es ein noch besseres Gegenargument: Es steht jedem Mieter frei, aus einer schlecht gedämmten Wohnung mit alter Heizung auszuziehen. Natürlich liegen die Kaltmieten bei Neuverträgen höher, natürlich sind freie Wohnungen in den begehrten Metropolen selten und manch einer müsste sein gewohntes Umfeld verlassen – aber das sind alles keine Probleme, für die der Vermieter haftbar gemacht werden sollte.
Die Union knickt schon wieder ein
Hinzu kommt: Die Gegner der Neuregelung haben weitere Argumente auf ihrer Seite. So ist klar, dass die meisten Vermieter nur eine oder sehr wenige Wohnungen besitzen. Sie kennen ihre Mieter daher genau – und reden mit ihnen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Man darf sicher sein, dass hohe Heizrechnungen künftig zum Gesprächsthema werden. „Heizen Sie etwa bei offenem Fenster? Können Sie nicht auch bei 19 Grad Raumtemperatur leben? Ziehen Sie sich doch mal einen dicken Pulli an!“. Solche und ähnliche Fragen und Forderungen werden künftig zu Streit führen.
Vor allem aber werden Vermieter alles tun, um in der Praxis nicht auf den 82,50 Euro sitzen zu bleiben. Für einen so niedrigen Betrag werden sie keine Heizung für viele tausend Euro einbauen und auch nicht die Fassade für Zehntausende Euro dämmen. Die Effekte aufs Klima werden sich deshalb in engsten Grenzen halten. Sofern es juristisch irgendwie geht, werden die Vermieter schlicht die Kaltmiete erhöhen.
Diese äußerst wahrscheinliche Ausweichreaktion wird übrigens in jenen Berechnungen weggelassen, die nachweisen wollen, dass die neue CO2-Abgabe das Wohnen für Mieter nicht verteuern werde, weil gleichzeitig die EEG-Umlage und damit der Strompreis sinken soll. Diese Rechnungen gehen in fast allen Konstellationen nur dann auf, wenn der Vermieter die Kaltmiete konstant lässt und seine Zusatzkosten tatsächlich aus der eigenen Tasche zahlt. Damit aber ist nur in jenen seltenen Fällen zu rechnen, wo ein Eigentümer froh ist, überhaupt noch einen Mieter zu haben. In den meisten Fällen wird das Wohnen, die neue soziale Frage unserer Zeit, noch teurer werden.
Bemerkenswert bleibt auch, dass die Union wieder einmal eingeknickt ist. Der Ablauf hat sich längst verselbständigt, das interessierte Publikum kennt ihn auswendig: Die SPD macht einen ursozialdemokratischen Vorschlag, die CDU-Fraktion und Minister Peter Altmaier grummeln vernehmbar, motzen ein bisschen – und stimmen nach schwachem Kampf mit minimalen Korrekturen zu. Das traurige Schauspiel war allein in dieser Legislaturperiode schon bei der nicht-vollständigen Abschaffung des Soli, bei den verpflichtenden Frauenquoten und der Homeoffice-Pflicht zu sehen. Nun also auch bei den CO2-Mehrkosten. Die Wohnungseigentümer, eigentlich eine Kernklientel der früher einmal bürgerlich-konservativen CDU, werden sich bei der Bundestagswahl in drei Monaten erinnern.
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