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#Singvögel mögen es süß

Singvögel mögen es süß

Viele Vögel lassen sich gerne Nektar und süße Früchte schmecken. Wie sie diesen Geschmack jedoch wahrnehmen, war Forschern lange ein Rätsel. Anders als Säugetiere haben Vögel nämlich keinen eindeutigen Rezeptor für Süßes. Eine neue Studie hat nun aufgeklärt, wie Singvögel dennoch Süß schmecken können: Demnach hat sich ihr Umami-Rezeptor, der eigentlich für herzhafte Geschmacksrichtungen zuständig ist, im Laufe der Evolution so verändert, dass er auf Zucker reagiert. Die Präferenz für Süßes könnte es den Singvögeln ermöglicht haben, neue ökologische Nischen zu besetzen und sich weltweit zu verbreiten, sagen die Forscher.

Wir Menschen können fünf Geschmacksrichtungen wahrnehmen: Bitter, salzig, süß, sauer und umami. Der Geschmackssinn hat einen großen Einfluss auf unsere Ernährung, prägt er doch unsere Nahrungspräferenzen und hilft uns dabei, Nahrhaftes von Giftigem zu unterscheiden. Was aber schmecken Tiere? Hinweise darauf geben genetische Analysen ihrer Geschmacksrezeptoren. Doch ausgerechnet bei Vögeln hatten Genomanalysen nahegelegt, dass ihnen der Sinn für Süßes fehlt. Warum also bevorzugen dennoch viele von ihnen zuckerhaltige Nahrungsmittel?

Auch Körnerfresser bevorzugen Zuckerwasser

Ein Team um Yasuka Toda von der Universität Tokio in Japan hat nun eine Lösung für dieses Rätsel gefunden: Demnach können Singvögel doch süßen Geschmack wahrnehmen – und zwar mit dem Rezeptor, der eigentlich auf Herzhaftes reagiert. Bekannt war diese Umfunktionierung bereits von Kolibris. „Ob aber andere Vögel, die Früchte und Nektar fressen, Süßes schmecken können, war bislang unklar“, schreiben Toda und ihre Kollegen.

Um diese Frage zu klären, untersuchten die Forscher zunächst systematisch die Ernährungsgewohnheiten verschiedener Vogelarten. Dabei stellten sie fest, dass nicht nur typische Nektarfresser süße Nahrung bevorzugen. Auch Körnerfresser, die nur gelegentlich Früchte oder Nektar verzehren, bevorzugten in Verhaltensexperimenten Zuckerwasser gegenüber normalem Wasser. „Dies war der erste Hinweis darauf, dass wir uns bei der Suche nach den Ursprüngen des süßen Geschmackssinns auf eine Reihe von Singvögeln konzentrieren sollten und nicht nur auf Nektarspezialisten“, erklärt Co-Autorin Maude Baldwin vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen.

Modifizierte Rezeptoren

Offenbar können also nicht nur Kolibris, sondern auch zahlreiche andere Vögel süßen Geschmack wahrnehmen. Die molekularen Grundlagen dieser Fähigkeit untersuchten die Forscher, indem sie die Geschmacksrezeptoren verschiedener Vögel im Labor rekonstruierten und testeten, wie die Rezeptoren auf Substanzen wie Eiweiße und Kohlenhydrate reagieren. Das Ergebnis: Zwar fehlt allen Vögeln die Rezeptor-Untereinheit T1R2, die normalerweise für Zucker zuständig ist, doch bei Singvögeln und Kolibris übernehmen andere Rezeptor-Untereinheiten diese Aufgabe. In beiden Fällen sind die Untereinheiten T1R1 und T1R3 so verändert, dass sie nicht nur herzhafte Eiweiße, sondern auch süße Kohlenhydrate binden können.

Weitere molekulare Analysen enthüllten jedoch, dass die Rezeptoren bei Kolibris und Singvögeln auf unterschiedliche Weise zum gleichen Ergebnis kommen. „Das bedeutet, dass Kolibris und Singvögel unabhängig voneinander die Bindungsstellen an ihren Umami-Rezeptoren verändert haben“, erklären die Autoren. Seit wann Singvögel einen süßen Geschmackssinn haben, erforschten Toda und ihre Kollegen, indem sie die umami-Rezeptoren von verschiedenen Vertretern im Stammbaum der Singvögel rekonstruierten und testeten, inwieweit sie auf Zucker reagieren. Dabei zeigte sich: Die frühen Vorfahren der Singvögel besaßen den süßen Geschmackssinn bereits, bevor sie aus ihrem Ursprungsgebiet Australien auswanderten und sich über die ganze Welt verbreiteten. „Der süße Geschmackssinn entstand demzufolge sehr früh innerhalb der Singvögel und blieb auch in Arten erhalten, die nicht primär auf zuckerhaltige Nahrung angewiesen sind“, sagt Baldwin.

Evolutionserfolg dank neuem Geschmackssinn

„Die frühe Evolution der Süßwahrnehmung spielte wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Diversifizierung der Singvögel, die heute die größte Gruppe aller lebenden Vögel ausmacht“, schreibt der Evolutionsbiologe F. Keith Barker von der University of Minnesota in einem Kommentar zur Studie, der ebenfalls im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde. Womöglich half der Fokus auf eine zuckerhaltige Ernährung den frühen Singvögeln, neue ökologische Nischen zu besetzen, neue Arten zu bilden und sich erfolgreich weltweit zu verbreiten.

Zukünftige Untersuchungen sollen nun entschlüsseln, wie sich das Zucker-Schmecken zusammen mit anderen physiologischen Merkmalen, wie der Verdauung oder dem Stoffwechsel, im Laufe der Evolution entwickelt hat.

Quelle: Yasuka Toda (Universität Tokio, Japan) et al., Science, doi: 10.1126/science.abf6505

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