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#So golden waren die Zwanziger nun auch nicht

„So golden waren die Zwanziger nun auch nicht“

Den Titel eines Buches so kurz wie passend zu wählen ist eine eigene Kunst. Harald Jähner gelingt dies nach seinem Buch „Wolfszeit“, das den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse erhielt, nun abermals. „Höhenrausch“ heißt seine Geschichte Weimars. Sie ist von viel Aufbruchstimmung und Euphorie geprägt, der aber häufig etwas Übersteigertes und Instabiles innewohnte. Ausgelassenheit und Energie des Höhenrausches drohten als Teil der Höhenkrankheit in Niedergeschlagenheit, Wahn und Bewusstlosigkeit umzuschlagen.

Die Analogie zwischen medizinischer und historischer Diagnostik ist aber nicht allzu sehr zu strapazieren. Es liegt Jähner fern, die Zwanzigerjahre als von vornherein verlorene Pathologiegeschichte zu erzählen. Ebenso wenig huldigt er blind dem damaligen Demokratieexperiment. Es gehört zu den Stärken des Buchs, Weimar nicht vorrangig anhand der Fluchtpunkte deutscher Diktatur- oder Demokratiegeschichte auszurichten, sondern vielmehr die Schwebezustände, Zwischenlagen und Widersprüche der Jahre zwischen 1918 und 1933 vor allem entlang der zeitgenössischen Wahrnehmung und Erfahrung zur Geltung zu bringen.

Die Perspektiven der früheren Akteure einzunehmen – ob der frohgemuten oder der geplagten – erfreut sich derzeit einiger Beliebtheit. An die Stelle großer Thesen und langer Linien treten notwendigerweise kurze Sichtweisen, wechselnde Stimmungslagen und subjektive Beobachtungen, die durch einen eher grob gezimmerten politik-, kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen Rahmen einzufassen sind. In diese Art von Geschichtsschreibung fügt sich auch Jähners Werk ein. Sein gekonnt komponiertes, gut recherchiertes Weimar-Wimmelbuch funktioniert in seiner episodischen Erzählweise bestens. Zudem wird es durch eine Fotoauswahl, die ein gesondertes Lob verdient, exzellent illustriert. Am Ende aber fehlen neue analytische Ansatzpunkte und frische, zu produktivem Streit anregende Interpretationen.

Ballhäuser und Vergnügungspaläste

Ein begnadeter Geschichten- und Geschichtserzähler ist Jähner aber, und es bereitet Vergnügen, sich mit ihm auf eine temporeiche Tour zu begeben. Zwischen Start und Ziel folgt er dabei grundsätzlich der Chronologie, die nur hin und wieder dezent durchbrochen wird. Szenerien aus Revolutions- und Nachkriegszeit machen den Anfang und stehen – wie das gesamte Buch – im Zeichen paradoxer und widerspruchsvoller Konstellationen, die vom Nebeneinander außergewöhnlicher Gewalt und normalen Alltagslebens handeln, von Hass und Hoffnungen, von Zerrissenheit und Einheitssehnsucht. Diese explosive Unausgeglichenheit steigerte sich noch in den Inflationsjahren. „Die Erfahrung vom schleichenden Tod des Geldes“, schreibt Jähner, „veränderte die Menschen bis in die Nervenbahnen hinein.“ Sie litten unter dem „Gefühl einer komplexen Entwirklichung“, das über die Jahre der krassen Geldentwertung hinaus anhalten sollte.

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