#Spielen bis zum Umfallen

„Wir können nur danke sagen“ waren die vermeintlich letzten Worte von Kapitän Lukas Kampa über die großartige Karriere von Georg Grozer in der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft. Kampa sprach sie aus im Januar 2020, in gedämpftem Tonfall, denn soeben hatte das deutsche Team bei der Olympia-Qualifikation in Berlin den Kampf um den einzigen europäischen Startplatz 0:3 gegen Frankreich verloren. Es sollte auch das letzte Spiel von Starangreifer Grozer im deutschen Trikot sein, sollte es nicht mit dem Ticket für Tokio klappen – so hatte er es vorher schon angekündigt.

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Knapp zwanzig Monate später zeigt sich mal wieder, dass man im Leben niemals „nie“ sagen sollte. Und als Sportler schon zweimal nicht. Bei der nun anstehenden Europameisterschaft in Estland, Polen, Tschechien und Finnland tritt das deutsche Team an diesem Freitag in Tallinn gegen Kroatien (16 Uhr) erstmals in Erscheinung. Und zwar mit Grozer auf seiner angestammten Position als Diagonalangreifer. „Ich spiele, solange sie mich nicht rausschmeißen und ich mich nicht blamiere“, hat der mittlerweile 36-Jährige seine Einstellung zum Thema Karriereende in der Zwischenzeit grundlegend geändert.

Beides ist eher nicht zu erwarten angesichts seiner überragenden Fähigkeiten als Angreifer und Mitreißer sowie des Mangels an weiteren Weltklassespielern im deutschen Volleyball. Mit seiner Rückkehr ins Team soll auch so etwas wie Siegermentalität zurückkehren. Grozer glaubt fest daran, dass eine Medaille oder gar der Einzug ins EM-Finale möglich ist: „Ich habe die Hoffnung, dass wir weit kommen“, sagte er vor dem Turnier, bei dem die Deutschen in der Vorrunde noch auf Estland, Frankreich, Lettland und die Slowakei treffen.

Rang 13 unter 16 Teams bei der im Juni noch ohne Grozers Mithilfe ausgetragenen Nations League sprach freilich nicht dafür. Doch wie knapp sich die Leistungsdichte im internationalen Vergleich darstellt, zeigte nicht zuletzt die Performance der Franzosen in Tokio: Die Mannschaft, die Deutschland erst in der finalen Qualifikation mit 25:23 im entscheidenden Satz aus dem Wettbewerb schlug, wurde im Sommer 2021 Olympiasieger.

Der Abschied von seinem Olympia-Traum wie vom Nationalteam sei „schmerzhaft“ gewesen, bekannte Grozer. Doch zum Glück gaben ihm seine Töchter den Kick, sich nicht im Selbstmitleid zu ergehen. Leana und Doreen, elf und 14 Jahre alt, drängten den Papa, wieder anzufangen. Oder, wie es Grozer deftig ausdrückte: „Die Kinder treten mir immer in den Arsch, dass ich so lange Nationalmannschaft spielen soll, wie ich dort nicht umkippe“.

Trainer Andrea Giani nahm den verloren geglaubten Star jedenfalls mit offenen Armen wieder auf: Der Diagonalangreifer sei ein „Weltklassespieler“, bringe „Durchschlagskraft“ mit, und mache uns „stärker“, so schwärmte der Italiener, der zu seiner aktiven Zeit selbst ein Spieler war, der den Unterschied ausmachte. Doch dass von nichts nichts kommt, weiß auch der so hoch Gelobte.

Weltenbummler Grozer, der im Laufe seiner Vereinskarriere schon in Russland, China und Polen gutes Geld aus seiner Profession schlug, macht sich in dieser Saison bei Vero Volley Monza fit für seine späte Karriere. Rund zehn Kilo hat der einstige Hundert-Kilo-Brocken abtrainiert. „Besser fürs Knie“, meinte Grozer und blickte schon über die EM hinaus auf die nächste Saison. Denn die WM 2022 in Russland würde er noch gerne bestreiten.

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Dann könnte auch Kapitän Kampa wieder an Bord sein. Auch dank der Achse Kampa/Grozer gewann Deutschland 2014 WM-Bronze und 2017 EM-Silber. Doch der Zuspieler ließ sich im Sommer am Knie operieren und wird diesmal von Jan Zimmermann oder Johannes Tille ersetzt. Aber wie sagte Kampa schon beim vermeintlichen Abschied von Grozer: „Unsere Wege werden sich wieder kreuzen, oder wir gehen zusammen weiter.“