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#Viele Flüchtlinge leiden an psychischen Krankheiten

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Viele Flüchtlinge leiden an psychischen Krankheiten

Adnan Ghafur ist 26 Jahre alt, doch er kann nicht alleine schlafen. Irgendjemand muss immer da sein. Er lässt die Lampe auf dem Nachttisch an und die Tür offen. Doch auch das hilft nicht gegen die Bilder in seinem Kopf: abgehackte Köpfe, auf Pfähle gespießt. Enthauptete Leichname, die Köpfe auf dem Rücken. Sein Onkel, von sieben Kugeln durchlöchert.

Justus Bender

Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Livia Gerster

Redakteurin in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Ghafur lacht verschämt. Er selbst hätte das nicht zum Thema gemacht, sein Kumpel Bilal hat es erzählt. Die beiden sitzen am Tisch in einem holzvertäfelten Hotel-Restaurant in Frankfurt. Zwischen ihnen ein großer Berg Salat mit Hühnchen. Mittagspause. Danach müssen sie wieder an die Rezeption.

Bilal ist einer der Freunde, die nachts da sind, wenn Ghafur aufwacht. Schon mit 14 kämpfte Ghafur im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet gegen die Taliban. Sein Onkel rekrutierte ihn für die Bürgerwehr. Nachts hielt er Wache in seinem Dorf. Aber jetzt ist Tag, und Ghafur ist in Deutschland. Er wirkt wie ein gut gelaunter junger Mann, lacht viel und spricht viel, in ziemlich perfektem Deutsch. Er ist ja auch schon sechs Jahre hier, mittlerweile macht er eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Es läuft gut für ihn, könnte man sagen. Wären da nicht die Albträume und die ständige Angst vor der Abschiebung.

Ghafur weiß nicht, was er dagegen tun soll. Ein Arzt wollte ihn mal zum Psychotherapeuten schicken. Doch er ging nicht hin. „Ich wollte nicht mit Tabletten vollgepumpt werden“, sagt er. Dass man mit einem Therapeuten einfach nur redet, hat er noch nie gehört.

50 bis 85 Prozent sind psychisch krank

In Baden-Württemberg haben Psychologen die Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften untersucht und bei 45 Prozent von ihnen Depressionen und Angstzustände festgestellt. Anderswo kamen Fachleute auf noch höhere Zahlen. „Man spricht von 50 bis 85 Prozent“, sagt Patrick Meurs, Direktor des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt, einem Forschungsinstitut für Psychoanalyse mit einem Schwerpunkt auf Migration. „Man kann davon ausgehen, dass die meisten Flüchtlinge traumatisiert sind.“ Körperlich sind sie oft gesünder als der Durchschnittsdeutsche, an der Psyche aber tragen sie tiefe Wunden.

Ein Frau trägt im November 2019 ihr Kind über eine Holzbrücke im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos.


Ein Frau trägt im November 2019 ihr Kind über eine Holzbrücke im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos.
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Bild: AFP

Flüchtlingshelfer warnen, dass die Lage langsam brenzlig wird. Auf das Ohnmachtsgefühl von Folter, Tod und Vertreibung folgte bei vielen Flüchtlingen 2015 ein Hochgefühl: Sie hatten sich selbst aus ihrer Lage befreit. Sie hatten die Flucht nach Deutschland geschafft. Sie waren nicht mehr dunklen Mächten ausgeliefert, sondern Herren über ihr Schicksal. Dann kam die harte Realität: abgelehnte Asylbescheide, aussichtslose Bewerbungsschreiben und Familienmitglieder in der Ferne, die vielleicht bald nachkommen dürfen, vielleicht aber auch nicht.  Beim Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil stellen die Therapeuten eine düstere Diagnose. „Jetzt sind wir in einer Phase, in der die Menschen das Gefühl haben, überhaupt nicht mehr zu wissen, wie es weitergeht. Es ist ein Gefühl der ständigen Ohnmacht. Das macht zusätzlich psychisch krank. Dadurch werden die Traumata wiederbelebt.“

Die Lage wäre weniger ernst, wenn genug dagegen getan werden könnte, aber die Therapeuten kommen nicht an gegen die Krankheiten. Es gibt einfach zu viele Patienten und zu wenige Ärzte. Das müssen die Sozialarbeiter und Helfer in den Flüchtlingsunterkünften ausbaden. Die wurden kaum auf ihre Aufgabe vorbereitet und müssen für wenig Geld und unter schweren Bedingungen arbeiten. Oft sind sie überfordert. „Zu oft bekommen Sozialarbeiter Burnout“, sagt Meurs vom Sigmund-Freud-Institut.

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