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Späte Anerkennung

Wer Adolph Menzels Bild des jüdischen Gottesackers zu Prag liebt, wird auch jene Friedhöfe in Mainz und Worms pittoresk finden. Auf dem Wormser Friedhof finden sich noch mehr als 2500 jüdische Grabmale vom elften bis zum zwanzigsten Jahrhundert, eine weltweit einzigartig dichte Chronik jüdischer Diaspora. Mit dem vielen Grün zwischen den Stelen wirkt er wie ein Feld voller Menhire in der Bretagne. Viele weitere jüdische Zeugnisse prägen bis heute und trotz der Nationalsozialisten das Bild: In ländlichen Gemeinden hängen an Gaststätten bis heute kunstvoll geschmiedete Auslegerschilder mit goldenen Davidsternen, Zeichen für das Privileg der Braukunst.

Bisweilen kommt es also zu bewussten oder unbewussten Verklärungen, wenn es um Jüdisches in Deutschland geht. Heutzutage wird das verwinkelt Enge und Windschiefe der Josefov-Judenstadt von Prag oder des Goldenen Gässchens, in dem Kafka zwischen 1916 und 1917 lebte, biedermeierlich idyllisiert. Zur Erbauungszeit waren die häufig durch eigene Mauern segregierten und räumlich über die Jahrhunderte nur selten ausgeweiteten Judenviertel, von denen in fast jeder deutschen Stadt noch der Straßenname „Judengasse“ zeugt, aus reiner Platznot dicht an dicht bebaut. Auch die vielfach halb im Boden versunkenen oder wie sich Umarmende aufeinander zugefallenen Grabsteine der jüdischen Friedhöfe in Deutschland wirken oft nur aufgrund jahrelanger Vernachlässigung so verwunschen und malerisch.

Am dichtesten erhalten sind mittelalterlich jüdische Zeugnisse in Speyer, Mainz und Worms. Die drei Rheinstädte bilden die sogenannten SchUM-Stätten, was sich aus den Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen hebräischen Städtenamen Schpira, Warmaisa (wie ein U gesprochen) und Magenza zusammensetzt. Staatliche Stellen und die Jüdische Gemeinde von Mainz haben seit 2004 an dem Antrag für die Aufnahme als Weltkulturerbe gearbeitet, ihn 2020 eingereicht und hoffen auf den Eintrag ins Goldene Buch des Weltkulturerbes. Seit der Spätantike gibt es hier jüdisches Leben – für Mainz sind urkundliche Nennungen aus dem zehnten Jahrhundert erste Zeugnisse, und hier wurde wohl schon um 900  eine Synagoge gebaut. Im Mittelalter wären die Städte ohne jüdisches Leben nur halb so lebendig, gelehrt, international vernetzt –  und wohlhabend –  gewesen.

Thron der Weisheit: Der Raschi-Stuhl in der Jeschiwa im Synagogenhof Worms


Thron der Weisheit: Der Raschi-Stuhl in der Jeschiwa im Synagogenhof Worms
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Bild: Stefanie Hahn

Die drei jüdischen Gemeinden an der Handelsader Rhein waren Zentren religiösen und kulturellen jüdischen Lebens nördlich der Alpen („Aschkenas“). Um 1220 gründeten sie durch die gemeinsame Verabschiedung von Gemeindesatzungen, die Historikern bis heute als „Satzungen der Gemeinden von SchUM“ (Takkanot Kehillot SchUM) bekannt sind und die jüdische Kultur, Religion und Rechtsprechung in der Diaspora prägten, einen Verbund. Aus all diesen drei Bereichen haben sich in den drei SchUM-Stätten herausragende bauliche Zeugnisse vor allem des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts erhalten: die jeweiligen Synagogen und Friedhöfe für die Religion, die „Frauenschuln“ als Beträume für Frauen, die im dreizehnten Jahrhundert erstmals in den SchUM-Gemeinden fassbar sind, und die „Mikwaot“ für die Ritualbadkultur sowie die „Jeschiwot“ als Lehr- und Lernhäuser. Die SchUM-Stätten waren aber auch integraler Bestandteil aller drei mehrheitlich christlichen Stadtgesellschaften, trotz vieler Rückschläge, die es etwa durch verheerende Pogrome und damit einhergehende Vertreibungen wiederholt gab.

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