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#„Spuk unterm Riesenrad“: Katastrophale Neuauflage der DDR-Kultserie

Die drei Geister in
Foto: MIDEU Films/ Felix Abraham


Thomas Stuber („In den Gängen“) hat die Neuverfilmung der DDR-Kultserie „Spuk unterm Riesenrad“ inszeniert. Vom Charme und Witz des Originals ist nichts geblieben.

„Spuk unterm Riesenrad“ ist nach all den Jahren ein etwas zu Unrecht verklärtes, aber dennoch interessantes Zeitdokument. Zwar hat die DDR-Serie aus dem Jahr 1979 über drei aus der Geisterbahn entflohene Märchengestalten erhebliche Schwächen in ihrem letzten Akt, der zuvorderst davon handelt die Unruhestifter und Ausreißer zu zähmen, zu domestizieren und in die gewohnte Ordnung einzuhegen. Doch gerade die ersten Erkundungstouren der drei Geister durch Ost-Berlin bergen erstaunlich subversive Züge. Mit den märchenhaften Gestalten aus einer anderen Welt auf das Gewohnte und Gewöhnliche schauen – „Spuk unterm Riesenrad“ von Claus Ulrich Wiesner und Günter Meyer hatte sich damit einer charmanten komödiantischen Praxis bedient. Die zusammengeraffte zweiteilige Filmfassung dessen kann man derzeit in der ARD Mediathek sehen.

Die Vorlage von „Spuk unterm Riesenrad“ läuft aktuell in der ARD Mediathek. Foto: MDR/DRA/Hans-Ulrich Raschke

Die gewitzte Kritik des Originals

Wenn Riese, Hexe und Rumpelstilzchen mit Bus und U-Bahn fahren, Litfaßsäulen erkunden oder das Centrum Warenhaus am Alex unsicher machen, zeigen diese Szenen einen humorvollen und zugleich erschreckenden Blick auf die Spießigkeit einer Ost-Berliner Gesellschaft, die nur winzige Anstöße und eigentlich banalste Konfrontationen mit dem Schrägen, Absonderlichen braucht, um unter ihrer Oberfläche pure Gehässigkeit, Schadenfreude, genervte Bösartigkeit, Brutalität und Mobbing zum Vorschein zu bringen.

Es braucht nicht viel, um die Lust, nach unten zu treten, herauszukitzeln. Was man gern als „Berliner Charme und Schnauze“ im sozialen Umgang abtut, wurde in der DDR-Serie als im Kern erstaunlich tristes Gebaren einer Dominanzkultur entlarvt, die lieber das Andere auslacht oder mit verbalen Peitschenhieben straft, um nicht auf die eigene Engstirnigkeit, den eigenen Tunnelblick auf die Welt aufmerksam werden zu müssen.

Spuk unterm Riesenrad
Die drei neuen Geister von „Spuk unterm Riesenrad“ Foto: MIDEU FILMS/ Jens Hauspurg

„Spuk unterm Riesenrad“ birgt viel Potential für eine Neuauflage

Zugegeben, der letzte Biss fehlte schon dem Original. Doch man muss nicht weit denken, um zu erkennen, dass dieser Stoff eigentlich bestes Potential für eine Aktualisierung und Neuauflage birgt. Diese neue Adaption von „Spuk unterm Riesenrad“, welche nun in den Kinos startet, hätte jede Chance gehabt, seine Geistergestalten einmal auf Streifzug gehen zu lassen und sich an einer Bestandsaufnahme Deutschlands im Jahre 2024 zu versuchen. Bloßzustellen und zu parodieren gäbe es schließlich einiges! Tatsächlich ist die Neuverfilmung von Regisseur Thomas Stuber und den Drehbuchautoren Die Köbris aber ein furchtbar planlos wirkendes, schwerfälliges, ein enorm freudloses Werk geworden, das überhaupt nichts Liebreizendes oder Gewitztes besitzt.

Tammi, Umbo und Keks sind nun drei junge Mädchen, die von ihren Müttern auf den alten Rummelplatz des verstorbenen Opas (der großartige Peter Kurth in einer viel zu kurzen Gastrolle) geschleift werden. Das Familienerbe will geregelt werden. Der Rummel als verfallendes Besitztum wird dabei zur Last, über dessen Zukunft beraten werden muss. In der Zwischenzeit spuken die per Blitzschlag zum Leben erweckten Geister aus der Geisterbahn umher und stiften zusätzliches Chaos.

Tammi in
Kritik am Social-Media-Wahn Foto: MIDEU Films/ Jens Hauspurg

Greises Jugendkino

Kritisch will sich „Spuk unterm Riesenrad“ vor allem gegenüber dem exzessiven Social-Media-Konsum junger Menschen nebst aller Marketing-Fallen positionieren. Tammi ist nämlich auf der Suche nach den perfekten Fotos, das möglichst viele Likes bringt, um einen Influencer-Wettbewerb zu gewinnen. Typisch für ein gänzlich spießiges deutsches Kino, das für ein junges Publikum produziert werden soll, aber dessen Lebenswirklichkeit eigentlich verachtet! Nicht, dass es etwa auf Kritik verzichten sollte! Nur müsste dafür irgendein Verständnis für jene Lebenswirklichkeit erkennbar werden. Es ist überhaupt nicht fähig, einmal die eigene Perspektive wahrhaft zu wechseln.

Wie Social-Media-Konsum funktioniert, womit junge Menschen im Digitalen tatsächlich konfrontiert werden, welche Ästhetiken damit einhergehen – davon hat „Spuk unterm Riesenrad“ nur marginal eine Ahnung. Ein paar flotte Beats und alberne Animationen, die sich immer wieder über die Bilder schieben, taugen jedenfalls kaum zum Aufschluss! Dies ist Coming-of-Age-Kino das nur noch der eigenen Frühvergreisung entgegenblickt!

Thomas Stubers bislang schwächster Film

Man kann kaum fassen, dass es sich hier um einen Thomas-Stuber-Film handelt. Stuber gehört zu den talentiertesten deutschen Filmemachern der Gegenwart, der mit Werken wie „In den Gängen“ oder „Die stillen Trabanten“ ein immenses Gespür für Zwischenmenschliches und vor allem für ostdeutsche Milieus, deren Ambivalenzen und ihr komplexes Erbe bewiesen hat. Na klar, auch „Spuk unterm Riesenrad“ ist erkennbar ein Stuber-Film. Auch hier geht es um einen sterbenden Ort in Ostdeutschland, um die Gespenster des Vergangenen, denen sich die Gegenwart zu stellen hat, aber für die sie noch keine Sprache, keinen Umgang findet.

Stubers erstem Familienfilm gelingt jedoch mit seiner Konstellation weder, der Serien-Vorlage aus DDR-Zeiten „neues Leben einzuhauchen“, wie es der Verleih verspricht, noch eine sinnige oder anregende Gegenwartsanalyse. Die von ihm inszenierte Version von „Spuk unterm Riesenrad“ ist zwar glücklicherweise kein reines Nostalgiefest voller Referenzen an das Original geworden, doch ermüdet ihre eigene Interpretation in jeder Minute. Auch der Horror, an dem sich Stuber schon in der Sky-Serie „Hausen“ versuchte, erscheint hier nurmehr als familientaugliche Nummernrevue.

Peter Kurth als Rummelbetreiber in
Peter Kurth spielt den verstorbenen Rummelbesitzer. Foto: MIDEU Films/ Felix Abraham

„Spuk unterm Riesenrad“ verbreitet Endzeitstimmung

Ausgerechnet die Geistergestalten und damit die Hauptattraktion dieses Stoffes werden zu identitätslosen, keifenden und polternden Grimassen auf zwei Beinen degradiert, die nichts als Unruhe und Gewalt in die Welt tragen. Die jungen Heldenvon „Spuk unterm Riesenrad“ sind derweil neunmalkluge und dennoch völlig hilflose Nachfahren inmitten einer bleiernen, gänzlich perspektivlosen Zeit, die keinerlei Strukturen oder Gegebenheiten ihrer Umwelt mehr zu analysieren vermag. Man verwaltet nur noch das eigene Vergehen, stolpert unbeholfen durch eine regelrecht apokalyptische Endzeitstimmung. Nichts scheint mehr einen Sinn zu versprechen. Das Tradierte und Alte, dessen Erhalt und Rettung man feiern will, ist jeder Substanz oder Erkenntnis beraubt.

Es ist nur noch pflegender Balsam und entleertes Sinnbild für eine träge Gesellschaft, deren einzige Freude in der Untergangsstimmung darin besteht, dass sich die zerstrittene Familie im Kleinen doch noch einmal vertragen und versammeln kann. Wenn dieser neue „Spuk unterm Riesenrad“ in seinem Konvolut krepierender Pointen und melancholischer Klagen irgendetwas enthüllt, dann ist es erkennbares Unvermögen, dieser traurigen, frustrierten und erstarrten Gesellschaft künstlerisch noch etwas entgegenzusetzen.

„Spuk unterm Riesenrad“ läuft ab dem 22. Februar 2024 im Farbfilm Verleih in den deutschen Kinos.

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Von

Janick Nolting

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