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#Stellungskrieg im Leipziger Süden

Polizeibeamte laufen auf beiden Seiten der Schienen die Karl-Liebknecht-Straße rauf und runter. Am Straßenrand parken Polizeiautos in langer Reihe. Es ist 16 Uhr am Samstag, als sich der Alexis-Schumann-Platz in Leipzig langsam mit Menschen füllt. Sie sitzen in kleinen Gruppen auf der Wiese in der heißen Sonne unter dem wolkenlosen Himmel; manche essen ein Eis. Es ist ein kontrastreiches Bild, das von einer gewissen Spannung beherrscht wird, die sich bereits seit Tagen in der Stadt aufgeladen hat. Um 16:30 Uhr soll eine Demonstration unter dem Titel „Die Versammlungsfreiheit gilt auch für Leipzig“ stattfinden. Doch zu der Demonstration kommt es nicht.

Nach den Gerichtsurteilen gegen die Linksextremistin Lina E. und drei Mitangeklagte hatte die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig eine für Samstag geplante Demonstration der linken Szene verboten. Die Angeklagten wurden wegen gewalttätiger Überfälle auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die linke Szene hatte bereits seit etwa Mitte des Jahres 2022 bundesweit für eine Demonstration am ersten Samstag nach Verkündung des Urteils gegen Lina E. mobilisiert.

Öffentliche Sicherheit „unmittelbar gefährdet“

Die für diesen Tag angesetzte „Tag-X-Demo“ wurde mit der Begründung verboten, dass die öffentliche Sicherheit durch die geplante Versammlung „unmittelbar gefährdet“ sei. Ein Eilantrag gegen das Demonstrationsverbot ist am Samstagnachmittag in Karlsruhe abgelehnt worden. Die von der Stadt Leipzig genehmigte Demonstration ist eine Antwort auf das Demonstrationsverbot zur Solidarisierung mit Lina E.

Gegen 17 Uhr geht es los. Inzwischen sind die Plätze mit Menschen gefüllt. Es haben sich verschiedenste Personengruppen versammelt; von Schaulustigen bis hin zu Menschen mit Plakaten und Spruchbändern. Einige Menschen verhüllen ihre Gesichter. „Wir haben in Deutschland ein Problem und dieses Problem ist nicht der Linksextremismus, dieses Problem ist nicht der Antifaschismus, dieses Problem sind die Nazis in den Behörden“, sagt Stadtrat Jürgen Kasek (Grüne), der die Demonstration angemeldet hat.

Deswegen sei es wichtig, sich nicht auf „Provokationen“ einzulassen, damit die Demonstration auch zu ihrem Ende käme. Doch lange tut sich nichts. Zu viele Demonstranten seien vermummt. Schließlich kündigt die Polizei an, dass es sich bei der Demonstration aufgrund anwesender „Störer“ nun um eine stationäre Kundgebung handelt.

Paragraf 129, der „Nazi-Paragraf“

Seit der Urteilsverkündung am 31. Mai ist es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten in Leipzig gekommen. Am späten Freitagabend herrscht bereits großes Polizeiaufgebot im Leipziger Stadtteil Connewitz. Es kommt zu Ausschreitungen, doch „von den Ankündigungen sind wir zum Glück weit entfernt“, sagt Matthias Hoppe, Sprecher der Stadt Leipzig. Anhänger der linksextremen Szene hatten angekündigt, pro Haftstrafe für Lina E. und die Mitangeklagten Schäden in einer Höhe von einer Million Euro zu verursachen.

„Ich finde die Verbotspraxis an diesem Wochenende dramatisch“, sagt Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke). Für die Versammlungsfreiheit würde man ja wohl noch demonstrieren dürfen, hört man in der Menge. Besonderen Anstoß nehmen die Demonstranten an Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs, der die Bildung krimineller Vereinigungen unter Strafe stellt. Der „Nazi-Paragraf“ verstoße gegen alle demokratischen Werte und verweigere die freie Meinungsäußerung, so eine Demonstrantin.

Doch viele Themen finden an diesem Tag Anklang. Es wird Solidarität mit Lina E. bekundet, ein Zeichen gegen staatliche Repression soll gesetzt werden. Viel lieber solle vermehrt gegen Neonazis vorgegangen werden, anstatt die demokratischen Rechte der Linken zu beschneiden.

Wem gehört die Straße?

„Also rechtfertigen Sie Gewalt?“, fragt ein Mann mit aufgerissenen Augen. Er scheint sich verlaufen zu haben, will wissen, was hier los ist. Plötzlich bewegt sich die Menge Richtung Osten. Es knallt, roter Rauch steigt die Scharnhorststraße empor. Die Demonstranten ziehen sich schnell wieder zurück. Die Polizei verhindert, dass sie weiter als ein paar Meter kommen. Die Demonstranten antworten mit Beschimpfungen. Es geht längst nicht mehr nur um Solidaritätsbekundungen. Vielmehr zeichnet sich ein Kräftemessen ab. „Darum geht es doch hier: Machtdemonstration. Wem gehört die Straße?“, sagt ein Demonstrant.

Laut Polizeiangaben nehmen rund 1500 Menschen an der Versammlung teil. Dem gegenüber stehen mehrere Hundertschaften der Polizei. Hier und da kommt es immer mal wieder zu Bewegung, doch es bleibt bei einem Versuch. Die Polizeibeamten dämmen sie nach wenigen Augenblicken ein. Inzwischen sind sie rund um den Platz aufgestellt. Schließlich verkündet die Polizei das Ende der Versammlung. Es habe Straftaten gegeben, Polizisten seien angegriffen worden, es gebe Verstöße gegen das Versammlungsrecht. Eine Verfügung sei erlassen worden, die jegliche Versammlungen am 3. und 4. Juni verbietet. Die Menschen sollen die Szenerie verlassen.

„Ganz Leipzig hasst die Polizei“, skandieren die Anwesenden. Weitere Ansagen der Polizei gehen unter den Rufen der Menge unter, die den Platz nicht räumen will. Eine halbe Stunde später kesselt die Polizei sie ein. Wasserwerfer kommen von Süden an. Ab jetzt wird all denjenigen, die sich innerhalb der umschließenden Absperrung befinden, schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen, die Polizei beginne nun mit der Feststellung der Personalien.

Wem gehört die Straße? Der Alexis-Schumann-Platz ist umstellt, niemand kommt mehr heraus. Die Demonstration kam entgegen den Hoffnungen der Veranstalter nicht zu ihrem Ende, ja hat nicht einmal begonnen.

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