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#Sternengeschichten Folge 461: Antisterne – Astrodicticum Simplex

Sternengeschichten Folge 461: Antisterne – Astrodicticum Simplex

SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

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Sternengeschichten Folge 461: Antisterne

Heute gibt es eine Anti-Sternengeschichte. In der es dann logischerweise um Antisterne geht. Das sind keine Sterne, die irgendwie gegen alles sind; auch keine Sterne, die dunkles “Antilicht” ausschicken. Es sind Sterne, die nicht aus Materie bestehen, sondern aus Antimaterie. Beziehungsweise sind sie genau das, sofern es sie gibt. Das wissen wir nämlich noch nicht. Aber es wäre nicht unmöglich. Und wenn es sie tatsächlich geben sollte, könnten sie die Antwort auf eines der größten ungelösten Rätsel der Wissenschaft geben.

Die Frage lautet: Warum gibt es etwas? Und bevor jemand das falsch versteht: Damit ist nicht gemeint “Warum gibt es das Universum?”. Obwohl das natürlich auch eine große, unbeantwortete Frage ist. Aber die Frage um die es geht, setzt kurz nach der Entstehung des Universums an. Beim Urknall entstand aus sehr, sehr viel Energie sehr, sehr viel Materie. WARUM der Urknall passiert ist, wie gesagt, eine andere Frage. Aber wenn wir sein Stattfinden mal voraussetzen, dann wissen wir aus den uns bekannten Naturgesetzen, dass Materie und Energie erstens ja quasi das gleiche sind; nichts anderes besagt ja die berühmte Formel von Albert Einstein: E=mc². Energie ist Masse und der Umrechnungskurs zwischen beiden ist das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Daraus folgt also, dass es kein Problem ist, aus Energie Materie zu kriegen. Zweitens wissen wir aber auch, dass die Materie auf diese Weise immer paarweise entsteht. Wir kriegen ein Teilchen und ein dazu passendes Anti-Teilchen.

Was Antimaterie ist, habe ich in Folge 311 ja schon einmal erzählt. Es klingt immer ein bisschen geheimnisvoll, mysteriös und nach Science-Fiction. Ist aber völlig real und gar nicht so dramatisch anders. Antimaterie ist einfach nur Materie mit einer anderen elektrischen Ladung. Das Elektron zum Beispiel ist ein Elementarteilchen, das elektrisch negativ geladen ist. Und ein Anti-Elektron ist dann – vereinfacht gesagt – genau das gleiche Teilchen, nur elektrisch positiv geladen. In der Realität ist es ein wenig komplizierter, da muss man auch noch ein paar schwer zu veranschaulichende Quanteneigenschaften der Teilchen berücksichtigen. Aber im Prinzip ist ein Anti-Elektron nicht viel anders als ein Elektron; nur eben elektrisch entgegengesetzt geladen.

Das gilt auch für andere Teilchen: Ein Proton, also eines der beiden Teilchen aus denen ein Atomkern aufgebaut ist, ist elektrisch positiv geladen. Ein Anti-Proton ist negativ geladen. Obwohl man hier eigentlich ein wenig genauer sein muss. Das Proton ist ja kein Elementarteilchen, es ist aus drei Quarks zusammengesetzt. Aus einem “Down-Quark” und zwei “Up-Quarks”. Auch die Quarks haben eine elektrische Ladung; das up-Quark eine positive Ladung, das Down-Quark eine negative. Die sind aber nicht gleich groß, deswegen kriegt man aus den drei Quarks am Ende eine positive Ladung raus, die das Proton hat. Und natürlich gibt es auch Anti-Quarks mit entsprechend entgegengesetzten Ladungen. Nehmen wir jetzt also nicht ein Down- und zwei Up-Quarks, sondern ein Anti-Down- und zwei Anti-Up-Quarks, kriegen wir ein Anti-Proton.

Das ist deswegen wichtig, weil es im Atomkern ja auch noch die Neutronen gibt. Die heißen so, weil sie elektrisch neutral, also weder positiv, noch negativ geladen sind. Jetzt könnte man meinen, dass es deswegen keine Anti-Neutronen geben könnte. Denn wie soll die entgegengesetzte Ladung eines neutralen Teilchens aussehen? Aber auch das Neutron ist aus Quarks zusammengesetzt. Hier sind es ein Up- und zwei Down-Quarks, deren jeweilige elektrische Ladungen sich gegenseitig gerade aufheben, so dass das Neutron am Ende elektrisch neutral ist. Wenn man nun aber ein Anti-Up- und zwei Anti-Down-Quarks nimmt, heben sich deren Ladungen ebenfalls auf und man kriegt wieder ein elektrisch neutrales Teilchen raus. Das ist dann ein Anti-Neutron, mit der gleichen neutralen Ladung wie das Neutron. Aber zusammengesetzt aus Anti-Quarks und nicht aus Quarks.

Originalbild der Entdeckung des ersten Antimaterieteilchens im Jahr 1932. Die gebogene schwarze Linie ist die Spur, die ein Positron im Messgerät hinterlassen hat. Ihre Krümmung zeigt die elektrische Ladung an. (Bild: Public Domain)

Das ist ein wenig verwirrend, aber relevant, wenn zufällig mal ein Neutron auf ein Anti-Neutron treffen sollte. Dann passiert das, was Materie und Antimaterie immer gerne machen, wenn sie sich begegnen. Genau so wie aus Energie ein Teilchenpaar von Materie und Antimaterie entstehen kann, können Materie und Antimaterie gemeinsam den umgekehrten Prozess ablaufen lassen. Das heißt dann “Annihilation” und bedeutet nichts anderes, als dass die beiden Teilchen zusammen ihre Masse wieder in Energie umwandeln können. Oder anders gesagt: Trifft Materie auf Antimaterie, dann werden beide Teilchen zerstört und nur Energie bleibt übrig.

Womit wir wieder bei der Materie kurz nach dem Urknall sind. Die ist jetzt entstanden und aus Symmetriegründen sollte da eigentlich gleich viel Materie wie Antimaterie im Universum vorhanden sein. Sie entstehen ja immer paarweise… und vernichten sich auch paarweise. Was eigentlich unmittelbar danach stattgefunden haben muss. Die gesammte frisch entstandene Materie und Antimaterie muss sich gleich nach ihrer Entstehung wieder gegenseitig ausgelöscht haben. Im Universum dürfte also gar keine Materie existieren; nur Energie. Jetzt wissen wir aber, dass da sehr viel Materie ist. All die Sterne, die Planeten, wir Menschen: Wir sind Materie. Irgendwas muss also damals passiert sein und dazu geführt haben, dass ein wenig Materie übrig geblieben ist. Dafür gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder es ist eben NICHT gleich viel Materie und Antimaterie entstanden. Wenn die Mengen unterschiedlich waren, konnten sie sich auch nicht komplett auslöschen. Oder aber es gab gleich viel von beidem, Materie und Antimaterie hatten aber zumindest teilweise keine Gelegenheit sich zu treffen. Wenn sich ein Teil der Antimaterie irgendwie isoliert von der Materie befunden hat und auch isoliert geblieben ist, dann konnte auch keine Annihilation stattfinden.

Das hätte aber Konsequenzen. Denn diese Antimaterie kann ja nicht einfach so von selbst verschwinden. Sie muss heute immer noch da sein. Sie kann natürlich nicht einfach so irgendwo in der Gegend rumliegen. Man muss keine Angst haben, im Supermarkt nach einer Konservendose zu greifen, nur um festzustellen, dass es eine Anti-Konserve war, bevor man in einem Lichtblitz verschwindet. Es muss genügend leerer Raum zwischen Materie und Antimaterie sein. Deswegen können wir uns auch ziemlich sicher sein, dass zum Beispiel keine Antimaterie in unserem Sonnensystem vorhanden ist. Würde zum Beispiel der Pluto aus Antimaterie bestehen, hätten wir das schon längst gemerkt. Denn zwischen den Himmelskörpern befindet sich ja jede Menge Staub. Ok, verglichen mit dem Staub auf der Erde ist im All dann doch weniger zu finden. Aber immer noch genug. Immer wieder würde ein Staubteilchen mit dem Anti-Pluto kollidieren und einen Lichtblitz erzeugen. Die Energie würde vor allem in Form von Gammastrahlung frei werden und wir würden sehen, wie der Pluto im Gammalicht leuchtet. Tut er aber nicht; wir haben auch sonst nirgendwo im Sonnensystem seltsame Quellen von Gammastrahlung gefunden.

Aber noch weiter draußen, zwischen den Sternen, ist es vielleicht anders. Sterne sind isoliert voneinander, sie sind durch enorme Distanzen von mehreren Lichtjahren getrennt. Zwischen ihnen ist so viel Platz, dass Kollision extrem unwahrscheinlich sind. So unwahrscheinlich, dass man länger warten müsste als das Universum alt ist, um rein statistisch irgendwann mal zwei davon zusammenstoßen zu sehen. Ein Stern und ein Antistern würden sich also nie begegnen. Und ein Antistern würde aus der Entfernung nicht viel anders aussehen als ein normaler Stern. Er würde aus Antiwasserstoff und Antihelium bestehen. Denn auch das ist natürlich möglich: Wasserstoff besteht aus einem Proton, das von einem Elektron umkreist wird. Lässt man dagegen ein Anti-Proton von einem Anti-Elektron (oder Positron, wie es offiziell heißt) umkreisen, dann funktioniert das genau so. Wir haben solche Anti-Atome sogar schon in Teilchenbeschleunigern künstlich hergestellt. Nur in extrem winzigen Mengen, ein paar tausend Atome, aber immerhin. Anti-Wasserstoff kann existieren und Anti-Helium ebenso. Das hat einen Kern aus Anti-Protonen und Anti-Neutronen und wird von Positronen in der Atomhülle umkreist. Und nach allem was wir wissen, läuft der Rest ebenso ab. Genau so wie in einem Stern wie der Sonne Wasserstoff zu Helium fusionieren kann und dabei Energie frei wird, würde ein Antistern Antiwasserstoff zu Antihelium fusionieren und – keine Antienergie freisetzen, sondern natürlich ganz normale Energie (Antienergie gibt es nicht).

Ist da vielleicht ein Antistern dabei? (Bild: A. Duro/ESO)

Ein Antistern leuchtet also theoretisch genau so wie ein normaler Stern. Aber es gibt auch zwischen den Sternen ein wenig Zeug; ein bisschen Staub, ein bisschen Gas. Ab und zu käme also auch ein Antistern in Kontakt mit normaler Materie. Das würde nicht dazu führen, dass er verschwindet. Dafür reicht ein bisschen Staub nicht aus. Aber der Zusammenstoß würde ein wenig Gammastrahlung freisetzen. Und das könnte man im Prinzip beobachten.

Natürlich beobachten wir schon lange Gammastrahlung; die wird ja auch bei jeder Menge anderer kosmischer Prozesse frei. Bei Supernova-Explosionen zum Beispiel oder in der Umgebung schwarzer Löcher. Wir haben Weltraumteleskope im All, die nur nach Gammastrahlungsquellen suchen, zum Beispiel das Fermi-Teleskop. Aber vielleicht ist diesen Teleskopen ja auch unbemerkt der eine oder andere Antistern ins Netz gegangen? Genau das haben französische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Jahr 2021 überprüft. Sie haben alle Quellen durchgeschaut, die Fermi gefunden hat, immerhin 5787. Sie haben alle aussortiert, bei denen man durch andere Beobachtungen schon wusste, worum es sich handelt. Sie haben auch alle Quellen aussortiert, deren Ursprung eine ausgedehnte Region sein muss, also Galaxien, Gaswolken, und so weiter. Übrig blieben also kleine, kompakte Quellen von Gammastrahlung bei denen man nicht weiß, worum es sich handelt. Das muss nicht heißen, dass es Anti-Sterne sind. Aber es _könnten_ Antisterne sein. 14 Stück dieser Antistern-Kandidaten hat man entdeckt. Die Forscherinnen und Forscher sagen selbst, dass es sehr viel wahrscheinlicher ist, dass es sich um irgendwas anderes handelt; bislang noch unentdeckte Neutronensterne zum Beispiel oder die aktiven Zentren ferner Galaxien. Aber vielleicht sind es ja doch Antisterne. Und wenn das so wäre, kann man aus den Beobachtungen hochrechnen, wie viele insgesamt in der Milchstraße sein müssen: Jeder 400.000te Stern wäre demnach ein Anti-Stern! Das ist eine überraschend große Zahl, wenn man berücksichtigt, dass die Milchstraße aus insgesamt knapp 200 Milliarden Sternen besteht.

Die Suche nach unbekannten Gammastrahlungsquellen reicht natürlich noch lange nicht aus, um die Existenz von Antisternen eindeutig nachzuweisen. Da brauchen wir mehr Daten und vielleicht werden wir einen Anti-Stern nie zweifelsfrei identifizieren können. Vielleicht gibt es sie gar nicht; vielleicht ist der Grund dafür, dass es Materie gibt ja auch wirklich eine noch unbekannte Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie. Die dann dazugeführt hat, dass nach dem Urknall tatsächlich ein wenig mehr Materie da war als Antimaterie. Auch dafür gibt es Hinweise aus Experimenten in der Teilchenphysik. Irgendwas läuft da seltsam mit der Antimaterie; das ist klar. Und irgendwann werden wir rausfinden, was das ist. Dann wissen wir auch, warum es etwas gibt im Universum und nicht einfach nur nichts.

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