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#Stichtag für die Säbelfechter

Stichtag für die Säbelfechter

Wie ein fernes Echo verwehen Musicalklänge durch das Foyer des Opernhauses am Rhein. Das Bonner Ensemble probt im großen Saal sein diesjähriges Sommer-Stück: „Chicago“. Es handelt von Jazzmusik und Show, Liebe und Mord und spielt in den „Roarin’ Twenties“. Eine Bühne weiter, die Handlung setzt exakt einhundert Jahre später ein, geht es weniger dramatisch zu, doch die Lage ist durchaus ernst: Vor dem roten Teppich stehen drei Säbelfechter auf dem Weg zu ihrem letzten Gefecht. Max Hartung, Benedikt Wagner und Richard Hübers wollen gemeinsam mit Matyas Szabo noch einmal bei Olympia kämpfen, ehe sie ihre Karrieren als Säbelfechter ausklingen lassen.

Der Deutsche Fechter-Bund hat in die Bonner Oper geladen, um seine Olympiastarter in Richtung Tokio zu verabschieden. Es geht nur um Sport, nicht mehr um Leben und Tod, nachdem die Corona-Pandemie einigermaßen im Griff zu sein scheint. Dennoch ist die Veranstaltung von einer leicht theatralischen Note geprägt. Es werden Masken getragen. So sind sie, die Zwanzigerjahre der Neuzeit.

Anderthalb Jahre im Stand-by-Modus

Anderthalb Jahre mussten die eingeschworenen Säbelfechter aus Dormagen im Stand-by-Modus verharren. Jetzt ist die Bühne endlich für sie bereitet. Doch sie treten ohne Generalprobe ins Rampenlicht. Die Weltcup-Saison ist ausgefallen. Gefechte waren fast nur untereinander möglich, ohne Austausch mit der internationalen Elite. Keiner weiß kurz vor Olympia, wie es um seine Form bestellt ist. „Ein bisschen komisch“, empfindet es Max Hartung, „dass es gleich mit dem Saisonhöhepunkt losgeht.“

Der 31 Jahre alte Hartung ist so etwas wie der Hauptdarsteller im deutschen Säbelteam. Er war zweimal Europameister im Einzel, Welt- und Europameister mit dem Team. Darüber hinaus hat er als Athletensprecher über die Planche hinaus Aufsehen erregt. Als das Internationale Olympische Komitee (IOC) im vergangenen Sommer angesichts der Corona-Krise die Entscheidung über die Spiele noch hinauszögerte, erklärte Hartung als erster Sportler, er werde auf seine Teilnahme in Tokio verzichten. Das IOC brauchte ein paar Tage länger, um zur gleichen Entscheidung zu kommen. Olympia wurde verschoben.

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Nun, ein Jahr später, bricht Hartung an diesem Samstag gemeinsam mit seinen Teamgefährten nach Fernost auf: Auf zum letzten Gefecht. Es werden seine finalen Spiele, nachdem er das geplante Karriereende um ein Jahr verschoben hatte. Auch Wagner und Hübers hören danach auf. Nur Szabo will weitermachen. Dessen Vater ist der Bundestrainer: Vilmos Szabo. Dem 56-Jährigen wird ganz schwer ums Herz, wenn er an das Ende einer Ära denkt: „Es wird sehr weh tun. Wir haben alles zusammen gemacht: Training, Wettkampf, Party.“ Die Gruppe der Säbelfechter aus Dormagen, die für ihn allesamt wie Söhne waren, erreichte viele Erfolge in den vergangenen Jahren. Nur bei Olympia fehlte bislang das Quäntchen Glück.

Darauf setzen sie nun. „Wenn das Licht angeht auf der Planche“, sagt Hartung, hoffe er noch mal auf einen „guten letzten Wettkampf“. Er wolle „so viele Gefechte machen wie möglich“. Was gleichbedeutend mit einem guten Resultat wäre, denn es wird im K.-o.-System gefochten. Gleich am ersten Wettkampftag geht es für Wagner, Szabo und ihn los. Samstagfrüh beginnen die Gefechte, abends werden die Sieger gekürt.

Ein Sieg, und die Medaille ist greifbar

In London und Rio war Hartung schon dabei, belegte die Plätze sieben und zehn. Nicht schlecht, aber auch nicht das, was er sich insgeheim erhofft hatte. „In Tokio werden viele Sachen, auf die man sich bei Olympischen Spielen gefreut hat, nicht stattfinden“, sagt er nun. Wegen der Kontaktbeschränkungen sind persönliche Treffen ausgeschlossen. Es hat auch seine Vorteile. Der Athlet kann sich voll und ganz auf seinen Sport konzentrieren.

Die zweite und größte Chance wartet am Mittwoch, 28. Juli: die Entscheidung im Teamwettbewerb. „Wir haben eine Medaille als Ziel“, sagt Benedikt Wagner ohne Umschweife, und Max Hartung widerspricht nicht. Nur neun Teams dürfen mitkämpfen. Die Deutschen sind auf Platz vier gesetzt und beginnen direkt mit dem Viertelfinale gegen Russland, die Nummer fünf. Ein Sieg, und die Medaille ist greifbar. Eine Niederlage, und alle Träume sind geplatzt. „Es kann sehr schnell vorbei sein“, weiß Hartung. Doch es muss nicht. Im Trainingslager in der Sportschule Hennef hat Vilmos Szabo seinen Jungs den letzten Schliff gegeben. „Grundsätzlich wissen wir, was die Russen machen“, sagt der Bundestrainer. Aber zu sehr wollte er sich auch nicht darauf konzentrieren: „Wir müssen unsere Sachen machen“, um Erfolg zu haben.

Bis dahin versuchen die Säbler, alle um die 30, cool zu bleiben. Lagerkoller werden sie nicht bekommen, dazu kennen sie sich zu gut und zu lange. „Wir sind alle befreundet“, sagt Wagner und kündigt an: „Wir werden fleißig Karten spielen“, um die Zeit zu überbrücken. Oder die „Siedler von Catan“. Für Chicago, das Musical, läuft die Premiere am 29. August. Da ist der Stichtag für die Säbelfechter schon längst Geschichte. Trainer Szabo ist zuversichtlich, dass es wohl ein Krimi werden könnte, aber kein Drama. Warum für seine Jungs die Story auf ein Happy End rauslaufen wird? „Sie haben ihre Lektionen gelernt.“

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