#Älteste DNA beleuchtet Mammut-Stammbaum
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„Älteste DNA beleuchtet Mammut-Stammbaum
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Der gefrorene Boden der Permafrost-Gebiete hat sich wieder einmal als erstaunlich gute Zeitkapsel erwiesen: Forschern ist es gelungen, Erbgut aus mehr als eine Million Jahre alten Mammut-Relikten zu gewinnen und zu sequenzieren. Die DNA der Tiere ist damit die älteste je erfolgreich untersuchte. Darüber hinaus verrät sie auch Neues über die Stammesgeschichte der eiszeitlichen Rüsseltiere. Denn das älteste Mammut war kein Wollhaarmammut, sondern gehörte zu einer zuvor unbekannten eurasischen Art. Aus dieser könnten durch Kreuzung mit den sibirischen Wollhaarmammuts die nordamerikanischen Präriemammuts entstanden sein.
Die Mammuts sind die größten und wahrscheinlich bekanntesten Vertreter der Eiszeitfauna. Die Vorgänger der behaarten und an Kälte angepassten Rüsseltiere entstanden vermutlich schon vor rund fünf Millionen Jahren in Afrika, bevor sie sich dann nach Norden ausbreiteten und schließlich die gesamte Nordhalbkugel der Erde besiedelten. Dabei entwickelten sich vor rund 2,5 Millionen Jahren zuerst das noch sehr elefantenähnliche Südmammut (Mammuthus meridionalis) und dann das Steppenmammut (Mammuthus trogontherii). Gängiger Theorie nach entstand aus über die Beringstraße nach Nordamerika eingewanderten Steppenmammuts dann vor rund 1,5 Millionen Jahren das Präriemammut (Mammuthus columbi), während sich in Sibirien und Nordeuropa das Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius) ausbreitete. Diese beiden Arten überdauerten das Eiszeitalter am längsten und waren durch ihren dichten Pelz und ihre Kältetoleranz besonders gut an das raue Klima der eiszeitlichen Steppen und Tundren angepasst.
Erste Rekonstruktion von gut eine Million Jahre alter DNA
Wie und wann jedoch das Präriemammut entstand und wie es mit dem Wollhaarmammut zusammenhängt, war bislang unklar. Um mehr Klarheit zu erhalten, haben Tom van der Valk vom Zentrum für Paläogenetik in Stockholm und seine Kollegen nun versucht, urzeitliche DNA aus fossilen Zähnen von drei Mammuts zu gewinnen. Diese waren im Nordosten Sibiriens im Permafrost gefunden worden. Weil dieser dauerhaft gefrorene Boden Zellbestandteile und Moleküle vor der Zersetzung bewahrt, bestand die Hoffnung, aus dem Zahnmaterial noch Erbgutfragmente isolieren und sequenzieren zu können. Das älteste der drei Mammut-Relikte, nach dem Fundort „Krestovka“ getauft, ist zwischen 1,2 und 1,6 Millionen Jahre alt und zeigt Merkmale eines Steppenmammuts. Das zweite, Adycha, ähnelte ebenfalls dem Steppenmammut und ist rund 1,3 Millionen Jahre alt. Der dritte Stoßzahn, Chukochya, stammt dagegen von einem Mammut des Wollhaartyps und ist rund 680.000 Jahre alt.
Den Forschern gelang es, aus allen drei Relikten genügend Erbgut-Fragmente zu isolieren, um die fast vollständige mitochondriale DNA dieser drei Mammuts zu sequenzieren. Dieser DNA-Typ gehört nicht zum Erbgut im Zellkern, sondern liegt in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Weil diese nur über die mütterliche Linie weitergegeben werden, eignet sich diese DNA besonders dazu, Verwandtschaftsbeziehungen zu rekonstruieren. Die Gewinnung dieser DNA aus mehr als eine Million Jahre alten Fossilien ist jedoch eine Premiere: Die bislang älteste sequenzierte DNA wurde 2013 aus einem 700.000 Jahre alten Urpferdknochen isoliert. Die aktuelle Studie belegt nun, dass der Permafrost auch noch älteres Erbgut ausreichend gut konservieren kann. „Eine der großen Fragen ist es, wie weit wir zurückgehen können“, sagt van der Walks Kollege Anders Götherström. „Ich vermute, dass wir selbst zwei Millionen Jahre alte DNA wiederherstellen können, wahrscheinlich sogar 2,6 Millionen Jahre zurück.“ Weil es davor keinen Permafrost gab, sei dies die äußerste Grenze.
Präriemammut war ein Hybrid
Interessant ist jedoch auch, was der Vergleich der drei Mammut-Genome über die Evolution der eiszeitlichen Rüsseltiere verraten hat. Denn er enthüllte, dass Krestovka, das älteste Mammut, einer zuvor unbekannten Stammeslinie der Mammuts angehörte. Diese muss sich schon vor mindestens zwei Millionen Jahren von der Linie aller anderen sibirischen Mammuts abgetrennt haben. „Das war eine komplette Überraschung für uns“, sagt van der Walk. „Alle früheren Studien sprachen dafür, dass es zu dieser Zeit nur das Steppenmammut in Sibirien gab. Aber unsere DNA-Analysen belegen, dass zwei verschiedene genetische Stammeslinien existierten – möglicherweise waren es sogar zwei verschiedene Mammutarten.“ Den Erbgutvergleichen zufolge war es das Krestovka-Mammut und nicht das Steppenmammut, das vor rund 1,5 Millionen Jahren von Sibirien nach Nordamerika einwanderte. Die ersten Mammuts auf diesem Kontinent gehörten demnach dieser gerade erst entdeckten Linie an – und sie war es auch, aus der sich dann später das Präriemammut entwickelte.
Allerdings war bei der Entstehung des Präriemammuts noch ein weiterer Akteur im Spiel, wie die Forscher berichten. Demnach stammen rund 40 Prozent seines Erbguts vom Krestovka-Mammut, rund 60 Prozent dagegen vom Wollhaarmammut. „Das ist eine wichtige Entdeckung“, sagt Co-Autorin Patricia Pecnerova vom schwedischen Naturkundemuseum in Stockholm. „Es scheint, dass sich das Präriemammut, eine der Ikonen der nordamerikanischen Eiszeitfauna, durch eine Hybridisierung entwickelte, die vor rund 420.000 Jahren stattfand.“ Offenbar waren damals Wollhaarmammuts aus Sibirien über die Beringstraße neu nach Nordamerika eingewandert, wo sie sich dann mit den dort schon lebenden Krestovka-Mammuts paarten.
Der Genomvergleich der drei fossilen Mammuts enthüllte aber auch, dass schon die ältesten Mammutformen entgegen bisheriger Annahme die Anpassung für kaltes Klima besaßen. Denn die Genvarianten, die den Rüsseltieren ihr dichtes Haarkleid, ihre isolierenden Fettschichten, die Kältetoleranz und weitere Anpassungen an die arktische Umgebung verliehen, existierten auch schon bei Adycha, dem Mammutfossil, das noch dem Typ des Steppenmammuts entsprach. „Unsere Analysen zeigen, dass die meisten Kälteadaptationen schon bei den Vorfahren des Wollhaarmammuts präsent waren“, sagt van der Walks Kollege David Diez-del-Molino.
Quelle: Tom van der Valk (Centre for Palaeogenetics, Stockholm) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-021-03224-9
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