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#Serie „Occupied“ bei Arte: Als die Russen Norwegen besetzten

Jo Nesbøs Serie „Occupied“ spielte von 2015 an das Szenario einer russischen Besetzung Norwegens durch. Die dritte Staffel kam nie nach Deutschland. Jetzt ist sie da. Und erscheint auf beklemmende Weise aktuell.

Ein Konflikt mitten in Europa, ausgelöst von russischen Truppen. Und so gut wie vergessen. An das besetzte Norwegen, das in Jo Nesbøs Serie „Occupied“ 2015 den Einzug russischer Truppen erlebte, konnten sich jedenfalls nur noch wenige Zuschauer erinnern, als 2018 die zweite Staffel erschien. Und seitdem ging abermals viel Zeit ins Land. Die dritte Staffel, die in Norwegen 2019 über den Bildschirm lief, kommt erst jetzt mit unglaublichen vier Jahren Verspätung als „Web Only“-Format mit deutschem Untertitel zu Arte. Ist Norwegen eigentlich noch besetzt oder nicht? Manch einer wird das nie wissen.

Erfahrung mit einer echten Okkupation

„Occupied“ ist ein formidabler Politthriller. Er stammt aus einem Land, das traumatische echte Erfahrungen mit einer Okkupation sammeln musste, und hebelt diese historische Erfahrung in die Staatenwelt der Gegenwart. „Eine bewusste Parallele zu dem, was unsere Eltern und Großväter während der deutschen Besatzung 1940-45 erlebten“: So hat es Jo Nesbø, der für das Konzept steht, die Drehbücher stammen von Erik Skjoldbjærg und Karianne Lund, nach Russlands Angriff auf die Ukraine noch einmal betont. Er habe ebenso wenig etwas über Russland aussagen wollen wie Steven Spielberg mit „Jaws“ über Haie.

Manchmal sind die Antennen, die erfahrene Schriftsteller wie Nesbø für Tendenzen der Wirklichkeit haben, eben viel feiner, als ihnen selbst bewusst ist, kann man da nur sagen.

Der grüne Ministerpräsident im Wandel

Die zentrale Figur von „Occupied“ ist der grüne Ministerpräsident Jesper Berg (Henrik Mestad). Kaum hatte Berg den Ausstieg Norwegens aus der Öl- und Gasindustrie beschlossen und einen Thorium-Reaktor als Alternative präsentiert, wurde er von russischen Spezialeinheiten in einen Helikopter gezerrt. Die EU schritt nicht ein. Ganz im Gegenteil: Auch sie hatte ein energiepolitisches Interesse an Russlands Aktion. Sie machte Berg hinterrücks klar, dass sich eine russische Invasion nur mit der Rückkehr Norwegens zur Ölförderung verhindern ließe.

Berg gab klein bei und mühte sich, die Ankunft der Russen als Energiepartnerschaft erscheinen zu lassen. Doch die russische Präsenz in Norwegen nahm stetig zu. Irgendwann war sie so stark, dass Berg nur noch abtauchen und seine Landsleute zum Widerstand aufrufen konnte. Er floh nach Schweden und später nach Frankreich, während seine Geliebte Anita Rygh (Janne Heltberg) die neue Ministerpräsidentin Norwegens wurde.

Am Ende von Staffel zwei kehrte er mit einem Schiff in die Heimat zurück. Ein von Berg eingefädelter Zwischenfall hatte die EU endlich zu Druck auf Russland bewegt. Und die Russen reagierten: Sie versprachen zu gehen, sofern das Öl weiter fließe und Rygh im Amt bliebe. Im Jubel über das Ende der Besatzung wurde die Ministerpräsidentin erschossen.

Das ist die Ausgangslage der dritten und wohl finalen Staffel. In ihr tauchen Bekannte auf wie die kaltschöne russische Botschafterin Irina Sidorowa (Ingeborga Dapkūnaitė), Bergs einstiger Bodyguard Hans Martin Djupvik (Eldar Skar) oder die mittlerweile in Moskau lebende Kollaborateurin Bente Norum (Ane Dahl Torp).

Schon in den ersten Sätzen wird klar: Die russischen Soldaten sind tatsächlich weg, der von Anita Rygh vor ihrer Ermordung ausgehandelte Friedensvertrag funktioniert auch mit ihrem Interims-Nachfolger Berg. Und sowohl Erdöl wie Gas fließen weiter, wie es der Vertrag vorsieht und auch die EU als Vertragshüter schätzt. Ob der Friede hält, steht trotzdem auf einem anderen Blatt. Als Berg die Erdgas-Verflüssigungsanlage in Hammerfest besucht, fliegt das Ding in die Luft. Der Ministerpräsident überlebt, macht die Russen für den Anschlag verantwortlich und lässt Listen mit den Abertausend noch in Norwegen weilenden zivilen Russen anlegen – womöglich zwecks Deportation.

Seine Charakterreise geht damit weiter. Aus dem ängstlichen Idealisten, den das Schicksal zum entschlossenen Widerstandsführer erstarken ließ, wurde ein Hardliner. Dessen Handlungen aber bei aller Ungeheuerlichkeit (Berg lässt sogar das Parlament auflösen, weil es in der Besatzungszeit mit den Russen kollaborierte), emotional immer nachvollziehbar sind. Bedrängt wird er von Umweltaktivisten um Marie Elvestad (Kathrine Thorborg Johansen), die weder die Fortführung der Öl- und Gasproduktion noch Bergs alte Thorium-Pläne akzeptieren. Gerade über sie schnürt „Occupied“ den Sack plausibel zu, während der gesellschaftliche Blick der Serie auf dem Umgang mit den Kollaborateuren der Besatzungszeit liegt. Wir werden – als Photoshop-Inszenierung im Netz – unter anderem das Bild einer Frau mit geschorenen Haaren sehen, eine Anspielung auf die Erniedrigung der „Deutschenflittchen“ 1945. Und Leute, die ihre Gewinne wieder abtreten sollen.

In der zweiten Staffel hing die Inszenierung von „Occupied“ durch. Die dritte erzählt zügig mit imposanten Drehorten von Oslo bis Moskau. Allerdings schlägt sie wenig Funken aus Szenen wie einem Schusswechsel, der sich trotz der Anwesenheit von Blauhelmen der EUFORM an der norwegisch-russischen Grenze in Pasvik entwickelt. Weshalb das immer wieder so ist – auch in der deutsch-finnischen Produktion „Arctic Circle“ oder der deutsch-norwegischen Serie „Die Saat“ wurden dramatische Szenen technokratisch abgehakt –, bleibt ein Rätsel. Großartig ist „Occupied“ trotzdem, als naheliegende Fiktion, während in Europa der echter Angriffskrieg der Russen in der Ukraine tobt.

Die dritte Staffel von Occupied – Die Besatzung läuft in der Arte-Mediathek.

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