Wissenschaft

#Seetang-Wälder sind älter als gedacht

Seit wann wiegen sich die berühmten Seetang-Wälder im Wasser der Nodrrdpazifikküsten? Sie sind offenbar nicht erst vor 14 Millionen Jahren gemeinsam mit ihren heute typischen Bewohnern entstanden, wie bisher vermutet. Neue Fossilienfunde zeigen stattdessen, dass es die großen Braunalgen schon vor über 32 Millionen Jahren gab. Von den frühen Kelp-Wäldern ernährten sich damals wahrscheinlich zunächst die Flusspferd-ähnlichen Desmostylia. Erst deutlich später hielten dann die modernen Bewohner wie Seeigel, Seeotter und Co. Einzug in die üppige Unterwasserwelt, sagen die Wissenschaftler.

Sie gelten als die aquatischen Pendants zu den Urwäldern an Land: Kolonien von großen Braunalgen (Laminariales) bilden vor allem an den Pazifikküsten der gemäßigten Klimazonen die Grundlage artenreicher Ökosysteme. Es handelt sich bei diesen Organismen um sogenannte Makroalgen, die ähnlich wie die höheren Landpflanzen komplexe Strukturen ausbilden. Sie verankern sich am Grund mit wurzelartigen Strukturen und wachsen dann üppig verzweigt und durch Auftriebsorgane getragen, viele Meter hoch bis zur Wasseroberfläche. Besonders berühmt und bedeutend sind die Kelp-Wälder vor der Westküste Nordamerikas, die vielen Arten von wirbellosen Tieren, Fischen, Meeressäugern und Seevögeln eine Lebensgrundlage bieten.

Doch seit wann gibt es diese „Meeres-Urwälder“? Trotz ihrer Bedeutung ist ihr evolutionärer Ursprung aus Mangel an fossilen Überresten unklar geblieben. Als ältester bekannter Nachweis galt bisher ein Kelp-Fossil, das auf ein Alter von 14 Millionen Jahren datiert wurde. Dazu schienen auch Fossilien von Tieren aus dieser Zeit zu passen, die mit den Kelp-Wäldern assoziiert werden, wie etwa Tang-fressenden Seekühe. „Weil die mit dem modernen Kelp-Wald verbundenen Organismen noch nicht da waren, dominierte die Ansicht, dass es auch die großen Braunalgen vor der Zeit vor 14 Millionen Jahren noch nicht gegeben hat“, sagt Seniorautorin Cindy Looy von der University of California in Berkeley. Doch nun ändern neue Fossilienfunde das Bild von der Entwicklungsgeschichte der Tang-Wälder.

Entdeckung eines Amateur-Fossiliensammlers

Zu verdanken sind sie dem US-amerikanischen Amateur-Fossiliensammler James Goedert. Bei einem Spaziergang an einem Strand der Olympic-Halbinsel des im US-Bundesstaates Washington entdeckte er steinerne Knollen, die sein Interesse weckten. Als er sie anschließend aufbrach, entdeckte er Strukturen, die ihn an die Tang-Arten der benachbarten Küstengewässer erinnerten. Anschließend wandte er sich an Experten und so begann die wissenschaftliche Untersuchungsgeschichte der Kelp-Fossilien.

Zunächst bestätigten die UntersuchungenAnalysen der Strukturen und die Analysen unter anderem mittels 3D-Röntgenscans, dass es sich tatsächlich um die fossilen Überreste der wurzelartigen Gebilde handelt, mit denen sich auch heute noch die großen Tang-Arten an harten Unterlagen befestigen. Konkret zeigte sich, dass sich diese Gewächse einst an Muschelstrukturen verankert hatten, die im felsigen Untergrund saßen. Wann das war, verdeutlichten anschließend die Ergebnisse einer Datierung anhand von Strontium-Isotopen-Verhältnissen. Demnach stammen die Kelp-Fossilien aus der Zeit vor 32,1 Millionen Jahren – der Mitte des Känozoikums, das von vor 66 Millionen Jahren bis in die Gegenwart reicht.

Wie das Team weiter berichtet, umfassten die Fossilien auch eine Art Probe dereinige Lebewesen der einstigen Umwelt des Seetangs: Die 3D-Röntgenscans deckten Strukturen von Muscheln, Schnecken, Seepocken und von winzigen Gehäusen sogenannter Foraminiferen auf, die von den einstigen Wurzel-Organen der Makroalgen umklammert wurden. Aus den Zuordnungen dieser Organismen ging hervor, dass die ArtenVvielfalt in dem Ökosystem vor 32 Millionen Jahren noch nicht so komplex war wie bei heutigen Seetang-Wäldern. „Die Struktur ist definitiv nicht so reichhaltig, wie sie es wäre, wenn man heute eine Probe aus einem Kelp-Ökosystem untersuchen würde. Die starke Diversifizierung hatte in dem damaligen Ökosystem offenbar noch nicht begonnen“, sagt Looy. „Somit liegt nahe, dass die Seetange zwar schon da waren, die Organismen, die man heute mit ihnen in Verbindung bringt, aber noch nicht“. Viele der speziellen Muschelarten, Vögel und Meeressäugetiere hielten wohle erst später Einzug in das Ökosystem, wie aus den Fossilienbeständen hervorgeht.

Schrittweise Entwicklungsgeschichte

Allerdings könnte sich ein bisher als mysteriös geltendes Wesen bereits an die frühen Kelp-Wälder angepasst haben, sagen die Wissenschaftler. „Der Seetang könnte die Nahrungsquelle für die Flusspferd-großen Desmostylia gewesen sein“, sagt Erst-Autor Steffen Kiel vom Schwedischen Naturhistorischen Museum in Stockholm. „Seetang wurde bereits als eine mögliche Nahrungsquelle für diese ausgestorbenen Meeressäugetiere vorgeschlagen, es fehlten jedoch konkrete Belege. Unsere Befunde liefern sie nun“, sagt der Wissenschaftler.

Letztlich geht aus der Studie somit nun hervor, dass die Entwicklungsgeschichte der Kelpwald-Ökosysteme komplexer war als bisher gedacht. „Der Fossilienbestand legt nahe, dass in den letzten 32 Millionen Jahren bestimmte Tiere in den Kelp-Wäldern auftauchten und dann wieder verschwanden. Die Lebenswelt wie wir sie heute kennen, hat sich wohl erst in den letzten paar Millionen Jahren entwickelt“, resümiert Kiel.

Quelle: University of California – Berkeley, Fachartikel: Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2317054121

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