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#Was die Australierinnen den Männern voraus haben

Er macht Yoga, er schämt sich seiner Freudentränen nicht, und er vermittelt jedem Gesprächspartner, ihn ernst zu nehmen. So fiel es Tony Gustavsson, dem schwedischen Trainer in australischen Diensten, nach dem ersten Spiel seiner Mannschaft vor gut einer Woche in Melbourne auch sichtbar schwer, eine Lüge einzuräumen: Er und die Mannschaft hätten schon länger gewusst, dass Sam Kerr verletzt sei und nicht werde spielen können. Aus taktischen Gründen aber habe er das erst so spät wie möglich vor dem Eröffnungsspiel zugegeben.

Christoph Hein

Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.

Eine taktische Lüge einzuräumen und sich ausführlich und mehrfach dafür zu entschuldigen, passt ins Bild: Die austra­lischen Fußballerinnen erscheinen menschlich, sympathisch. Sie kommen nicht arrogant daher, wie mancher Cricket-Spieler, nicht raubeinig wie die Rugby-Helden Australiens. Die Matildas, wie das Publikum seine Fußballerinnen seit vielen Jahren in Anlehnung an einen aus­tralischen Folksong nennt, ist ein Team, das leicht zu mögen ist.

Karriere beinahe beendet

Genau das wollen sie sein. Und aus dieser Position angreifen, verblüffen, siegen. Sie haben mit Kerr eine Art Wunderwaffe, die aber bislang noch nicht aufgelaufen ist. Die Spielerin vom FC Chelsea steht mit ihrer ausdrucksstarken Art und ihren pinken Fußballschuhen im Mittelpunkt; die Mannschaft wird aber auch von leisen Heldinnen geprägt, die so ganz dem australischen Gefallen am Durchhalten entsprechen: Hayley Raso, die zwei Tore zum 4:0 gegen Kanada am Montagabend in Melbourne beitrug, hätte beinahe nie wieder gegen einen Ball getreten.

2018 hatte sie sich beim Spiel ihrer Vereinsmannschaft im amerikanischen Portland drei Rückenwirbel gebrochen. Es folgte ein eisenhartes Reha-Programm. Dass die Zweifach-Torschützin nicht vollkörpertätowiert daherkommt, sondern bei jedem Spiel eine bunte Haarschleife zur Erinnerung an ihre Großmutter trägt, kommt nicht nur bei Seniorinnen im konservativen Australien gut an.

Das Team erscheint als verschworene Gemeinschaft mit einem pfiffigen Trainer, in der der Zusammenhalt öffentlich vor, beim und nach dem Spiel demonstriert wird. Kerr ist bei jeder Übertragung im Bild, wenn sie ihren Kolleginnen die Flaschen reicht, ihnen zuspricht oder von der Bank aufspringt, um sie anzufeuern. Und die aktuelle Mannschaftskapitänin Steph Catley nutzt jede Pressekonferenz, um für gleichen Lohn für gleiche Arbeit einzutreten, was dem „fair-go“, dem gerechten Umgang miteinander entspricht, das Down Under großgeschrieben wird.

Die Matildas haben das Herz der Australier im Handstreich gewonnen. Noch vor zwei Wochen wusste praktisch niemand im Rugby-Land, das hier und im benachbarten Neuseeland die Weltmeisterschaft der Fußballerinnen ausgetragen werden würde. Im Outback und entlang der Westküste tun sich die Menschen weiterhin schwer mit Fußball – hier zählen Rugby, Cricket und Netball. Dann aber gewannen die Australierinnen ihr Testspiel gegen Frankreich, legten gegen Irland nach, verloren knapp gegen Nigeria und fegten am Montag Olympiasieger Kanada vor 27.706 Zuschauern in der Wirtschaftskapitale Melbourne vom Platz.

An der Ostküste mit ihrer internationalen Bevölkerung, den großen Unis und den selbstbewussten jungen Frauen Brisbanes, Sydneys, Canberras und Melbournes gewannen die Spielerinnen rasch an Boden. Inzwischen gilt es als schick und aufgeklärt, Fan der Matildas zu sein – auch weil sie ein Gegenentwurf zum teils unerträglichen Männlichkeitsgehabe der Rugby-Ligen sind.

Mediengeschichte geschrieben

Und nun sind ihre gold-grünen und türkisblauen Trikots in den Läden der Handelskette Rebel in Sydney und Melbourne praktisch ausverkauft. Der Absatz von Hemden mit Rasos Namen machte seit ihren Toren gut 30 Prozent aus. Gut 70.000 Tickets sind schon für das erste Spiel in der Gruppe der letzten 16 am kommenden Montagabend (12.30 Uhr MESZ im F.A.Z.-Liveticker zur Frauenfußball-WM, in der ARD oder dem ZDF) in Sydneys Olympiastadion wohl entweder gegen China oder gegen Dänemark verkauft. Und keine Buchhandlung, die nicht Kerrs Autobiographie „Meine Reise zur Weltmeisterschaft“ als Stapelware in den Eingang legte und ihre drei illustrierten Kinderbücher gleich daneben.

Und dies, obwohl die Damen bislang nur ablieferten, was von ihnen erwartet worden war: Fünfmal in Folge sind die Matildas nun bei Weltmeisterschaften in die Runde der letzten 16 eingezogen. Beim ersten Turnier in Ozeanien und nachdem Neuseeland am Sonntag in einem torlosen Spiel gegen die Schweiz aus dem Wettbewerb gerutscht war, strahlte ihr Sieg dennoch besonders.

Ganz nebenbei schrieben die „Tillies“ Mediengeschichte. Mit rund 2,4 Millionen Zuschauern, fast einem Zehntel aller Australier, haben erstmals mehr als zwei Millionen auf dem Fünften Kontinent das Spiel einer Frauenmannschaft im Fernsehen verfolgt.

Und es kommt noch besser: Die Frauen traten mit ihrem Spiel gegen das Cricket-Team der Australier bei den Ashes an – noch vor Monaten wären die Damen in der Zuneigung der Zuschauer chancenlos gewesen. Für den Sender Seven wurde die Fußballübertragung aber die Sendung mit der höchsten Einschaltquote seit Jahresbeginn. Der kommende Montag dürfte dann den nächsten Rekord bieten.

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