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#Allianz aus Avantgarde und Adel

Allianz aus Avantgarde und Adel

Als am 31. Juli 1921 in Donaueschingen ein Konzert mit Werken von Alois Hába, Wilhelm Grosz und Ernst Krenek über die Bühne ging, ahnte niemand, dass dies der Gründungsakt eines musikalischen Unternehmens sein würde, das heute zu den international renommierten Festivals für zeitgenössische Musik zählt und nun im kommenden Oktober seinen hundertsten Geburtstag feiern kann. Die „Donaueschinger Kammermusikaufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst“ – so hieß die damalige Konzertreihe – verfolgten das Ziel, der jungen Komponistengeneration, für deren Werke es drei Jahre nach Kriegsende kaum Aufführungsmöglichkeiten gab, ein Podium zu bieten.

Ein Programmausschuss, bestehend aus dem Reger-Schüler Joseph Haas, dem Pianisten Eduard Erdmann und Heinrich Burkhard, Chordirigent und Archivar in der Fürstlich Fürstenbergischen Musikaliensammlung in Donaueschingen, hatte aus den eingesandten Partituren von hundertsiebenunddreißig Komponisten ein Programm für drei Konzerte zusammengestellt; ein internationaler Ehrenausschuss, dem unter anderem Ferruccio Busoni, Richard Strauss, Franz Schreker und Arthur Nikisch angehörten, gab dem Unternehmen die höheren Weihen.

Dass die Initiative überhaupt zustande kam, war dem in Donaueschingen residierenden Fürsten Max Egon II. zu Fürstenberg zu verdanken, der sich als Mäzen klassischen Zuschnitts betätigte und den künstlerisch Verantwortlichen alle Freiheiten ließ. Das war alles andere als selbstverständlich in einer revolutionären Umbruchzeit, in der ein in seiner Existenz bedrohter Adel andere Sorgen hatte, als neue Musikfestivals zu finanzieren. Treibende Kraft war der junge Musiker Heinrich Burkhard. Er war beteiligt an der Gründung der bürgerlichen Gesellschaft der Musikfreunde Donaueschingen, die noch heute bei den Musiktagen als Mitveranstalter auftritt, und fungierte als organisatorisches Bindeglied zwischen Fürstenhaus und Stadtbürgertum.

Die Rolle der Adligen

Die Frühgeschichte des Festivals ist aus musikalischer Sicht bestens dokumentiert im Band „Spiegel der neuen Musik: Donaueschingen“ von Josef Häusler aus dem Jahr 1996, einem Grundlagenwerk zur Aufführungsgeschichte der neuen Musik. Die Gegenperspektive – der Blick des Fürstenhauses auf die Gründungsjahre des Festivals – kommt in der Buchpublikation „Max Egon II. zu Fürstenberg – Fürst, Soldat, Mäzen“ zur Darstellung (Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2019, 464 S., 45 Euro). Der üppig illustrierte, mit wissenschaftlicher Gründlichkeit edierte Prachtband von drei Kilogramm Gewicht wurde herausgegeben vom Urenkel Max Egons, Heinrich Fürst zu Fürstenberg, und von Andreas Wilts, Leiter der Fürstenbergischen Sammlungen.

Es ist mehr als nur ein biographisches Werk über einen mächtigen und einflussreichen Adligen, der in die Spätzeit des deutschen Kaiserreichs hineinwuchs und die Interessen seines Hauses auch unter republikanischen Verhältnissen mit Geschick und Intelligenz zu wahren verstand. In der Breite des historischen Horizonts und der detailgenauen Beschreibung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, an denen der Donaueschinger Fürst aktiv gestaltend teilnahm, ermöglicht der Band zugleich einen faszinierenden Einblick in ein bedeutendes Stück Zeitgeschichte.

Die „Militärkapelle Minimax“ spielt für Fürst Max Egon.


Die „Militärkapelle Minimax“ spielt für Fürst Max Egon.
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Bild: Fürstlich Fürstenbergisches

Max Egon, welcher der böhmischen Linie des Hauses Fürstenberg entstammte und sich erst 1897 in Donaueschingen niederließ, betätigte sich kraft seiner Herkunft bis 1918 als inoffizieller Vermittler zwischen dem Deutschen und dem Habsburger Reich und ging beim österreichischen wie beim deutschen Kaiser ein und aus.

Er war ein intimer Freund von Wilhelm II., hatte ihn rund ein Dutzend Mal in Donaueschingen zu Gast, von der Fuchsjagd bis zur Hochzeit seiner Tochter, und begleitete ihn auf wochenlangen Mittelmeerreisen. In den Briefen von diesen Reisen an seine Frau, die in den fürstenbergischen Archiven lagern, entsteht mosaikartig ein Psychogramm des Kaisers, der auch einmal mit den Worten zitiert wird, die Deutschen seien „die undankbarsten Unterthanen“.

Die Rolle der Adligen

Max Egon selbst erscheint in dem Buch als erdverbundener Mann von Welt, als Salonlöwe der obersten Güteklasse und Erfolgsmensch mit sympathisch menschlichen Zügen. Als junger Jurist holt er sich mit Spekulationsgeschäften eine blutige Nase, zeigt aber später im Umgang mit seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen hohes Verantwortungsgefühl. Was den Siebzigjährigen 1933 leider nicht vor der politischen Dummheit bewahrte, in die NSDAP einzutreten und sich den Nazis als Vorzeigeadliger zur Verfügung zu stellen. Vielleicht machte ihn seine ­Neigung zu operettenhaften Inszenierungen und Ritualen dafür anfällig. Dass dieser dunkle Fleck erstmals und in vorbehaltloser Deutlichkeit herausgearbeitet wird, ist der vorliegenden Lebensdarstellung, die auch eine Selbstdarstellung des Fürstenhauses ist, hoch anzurechnen.

Fürst Max Egon und Richard Strauss 1921 auf den Donaueschinger Musiktagen.


Fürst Max Egon und Richard Strauss 1921 auf den Donaueschinger Musiktagen.
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Bild: Fürstlich Fürstenbergisches

Ein ausführliches, vom Herausgeber Wilts verfasstes Kapitel ist den Donaueschinger Kammermusikaufführungen 1921 bis 26 gewidmet. Sie fügen sich in das stellenweise abenteuerlich verlaufende Leben des Fürsten bruchlos ein, und ein flamboyanter Charakterzug macht ihn zu jenem großzügigen Gastgeber, als der er in den Zeugnissen der eingeladenen Musiker gepriesen wird.

Manche ihrer Äußerungen grenzen allerdings an Unterwürfigkeit. Arnold Schönberg, vom Fürsten persönlich eingeladen, fühlt sich in seinem hier erstmals veröffentlichten Antwortbrief durch das „herrliche Unternehmen“ an vergangene Zeiten erinnert, „wo der Fürst sich schützend vor die Künstler gestellt und dem Pöbel gezeigt hat, dass die Kunst – eine Sache des Fürsten – sich gemeinem Urteil entzieht.“

Der Donaueschinger Fürst findet sein Vergnügen jedoch vor allem in den geselligen Begleitprogrammen, den Tafelrunden und den Späßen der Musiker. Die Werke selbst hört er sich mit gelassenem Gleichmut an und hält gelegentlich in seinen Notizen fest: „Sehr guter Besuch, gute Stimmung. Famoser Betrieb.“ Auch so kann man Musikgeschichte schreiben.

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