Die meisten warten noch auf Hilfe

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Seit der verheerenden Katastrophe am Freitag hatte es kaum gute Nachrichten aus dem Erdbebengebiet in Myanmar gegeben. Daher wird die Kunde von der Rettung eines fünf Jahre alten Kinds, einer Schwangeren und einer 29 Jahre alten Frau aus den Trümmern eines eingestürzten Apartmentblocks am Montag begierig aufgenommen. Sie ereignete sich in den frühen Morgenstunden vor Sonnenaufgang, wie die chinesische Botschaft in Myanmar berichtete. Der Erfolg verdankt sich einem der vier chinesischen Rettungsteams, die mittlerweile im Erdbebengebiet tätig sein sollen. „Nach einer schlaflosen Nacht“, so die Botschaft, konnten sie die drei Personen aus den Trümmern des Sky Villa Condominium in Mandalay ziehen.
Von solchen Einzelmeldungen abgesehen, erscheint die Gesamtlage aber noch immer verzweifelt. Drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,7 am Freitag befinden sich die Rettungsarbeiten erst in den Anfängen. Viele Anwohner der betroffenen Städte Mandalay und Sagaing warten bisher vergeblich auf Hilfe. Ein Mann in Mandalay sagte der F.A.Z. am Montag, die Rettungsteams hätten große Probleme, die Erdbebengebiete zu erreichen. Die Menschen rufen nach schwerem Gerät, mit dem große Trümmerteile geräumt werden könnten. Ein Überlebender berichtete dem Sender Democratic Voice of Burma, er warte auf einen Kran, der die Trümmer von dem Wohnhaus entfernen könne, in dem vier Angehörige verschüttet seien. Hoffnung, dass seine Familienmitglieder noch zu retten seien, hatte der Mann nicht mehr. Die Überlebenschancen nehmen mehr als 72 Stunden nach dem Erdbeben rapide ab.
Die Krankenhäuser sind überbelastet, die Hitze setzt den Überlebenden zu
Die Rettungsarbeiten werden dadurch erschwert, dass die Erdbebengebiete bisher von der Kommunikation abgeschnitten waren. Das Militärregime blockiere auch teilweise den Weg in das Gebiet des Epizentrums in Sagaing, wo viele Widerständler aktiv sind, sagt der Mann in Mandalay. In Sagaing sind laut Rotem Kreuz 70 Prozent der Gebäude ganz oder teilweise zerstört. Zwei Brücken seien kaputt, Autobahnen aufgrund der Risse nicht mehr befahrbar. Öffentliche Gebäude, darunter viele Tempel, Pagoden und Moscheen, hätten viele Menschen unter sich begraben.
Erst am Montag war laut einem Pressebericht ein malaysisches Rettungsteam in Sagaing eingetroffen. Die Krankenhäuser in dem Erdbebengebiet sind vollkommen überlastet. Höchsttemperaturen von mehr als 40 Grad setzen den Rettungskräften und den Überlebenden zusätzlich zu. Die Hitze beschleunigt auch den Verwesungsprozess der verschütteten Leichen, wodurch ein starker Geruch über den betroffenen Gebieten hängt. Auch die Identifizierung der Verstorbenen wird dadurch erschwert. Der Anwohner aus Mandalay berichtete der F.A.Z., die Lage in der zweitgrößten Stadt sei aufgrund der immensen Zerstörung „fürchterlich“. Er habe in seinem Leben schon mehrere Erdbeben erlebt, aber noch nie ein so starkes. Aufgrund der vielen Nachbeben verbrachte er die vergangenen drei Nächte wie die meisten im Freien.
Am Montag sollten weitere Hilfsgüter und Rettungsteams aus dem Ausland in Myanmar eintreffen. Aus dem benachbarten Indien kommen 50 Tonnen Hilfsgüter. Neben mehreren Militärflügen, die unter anderem ein Feldlazarett bringen sollten, wurden am Montag auch zwei Versorgungsschiffe der indischen Marine in Yangon erwartet. Eine erste Hilfslieferung mit Zelten, Decken und Erste-Hilfe-Kits aus China war ebenfalls angekündigt. Neben China, Großbritannien und der EU haben nun auch Norwegen, Südkorea, Australien und andere Länder Soforthilfen in Millionenhöhe versprochen. Die USA, die ihre internationale Hilfe stark zurückgefahren haben, wollten zwei Millionen Dollar über örtliche Partnerorganisationen zur Verfügung stellen und ebenfalls ein Rettungsteam senden.
Ein Problem ergibt sich daraus, dass die beiden Flughäfen im Erdbebengebiet in Mandalay und Naypyidaw offenbar noch nicht wieder genutzt werden können. Die Hilfe müsse deshalb über das weit entfernte Yangon transportiert werden. Das Militärregime lässt die meisten Hilfslieferungen bisher weitgehend ungehindert ins Land. Jedoch hatte ein Regimesprecher am Sonntag ausgeschlossen, dass ausländische Journalisten ins Erdbebengebiet reisen dürfen. Generalmajor Zaw Min Tun begründete dies mit der fehlenden Versorgung mit Wasser, Strom und Unterkünften in dem Gebiet. Das Nachrichtenportal „Myanmar Now“ sah einen Anlass zur Sorge, „hinsichtlich der Transparenz der Reaktion der Junta und des wahren Ausmaßes der humanitären Krise“.
Die Hilfe läuft bislang vor allem über die offiziellen Kanäle des Militärregimes. Das führt nach Angaben von Beobachtern zu einer ungerechten Verteilung auf die Gebiete, die sich unter ihrer Kontrolle befinden, wie die vom Militär erbaute Retortenhauptstadt. „Es wird immer deutlicher, dass Naypyidaw die meiste Aufmerksamkeit von der Junta erhalten hat, während Mandalay etwas Aufmerksamkeit erhalten hat und Sagaing – das Epizentrum des Erdbebens – weitgehend vernachlässigt und übersehen wurde“, schreibt der Politologe Nyi Nyi Kyaw. In einem offenen Brief forderten am Montag mehr als 265 Nichtregierungsorganisationen, dass die Hilfe über die Zivilgesellschaft und bewaffnete Widerstandsgruppen verteilt werden müsse. Sie dürfe „nicht von der Militärjunta für ihre politischen und militärischen Zwecke ausgenutzt, manipuliert oder als Waffe eingesetzt werden“.
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