Nachrichten

#Strichcodes auf Nilpferden und Stempel auf Stupsnasen

„Strichcodes auf Nilpferden und Stempel auf Stupsnasen“

Im Frankfurter Museum für Kommunikation sind die Teufel los. Vierhundert von geschätzten zehntausend liebevoll vom Buchillustrator Axel Scheffler, dem zeichnerischen Vater des Grüffelo, mit detailliert ausgetuschten Bildwelten versehene Briefumschläge zeigen seine phantastischen Kopfgeburten. Die einzige Bedingung Schefflers, damit diese verbrieften Freundschaften einer gar nicht stillen Post bis zum Lebensende weiterlaufen, ist dabei die briefliche Antwort der Bedachten. „Von Monstern, Mäusen und Menschen“ heißt die Schau zu dieser besonderen Mailart, zu der es in jedem Fall ein Pendant in Leipzig und vielleicht sogar eines in London geben wird, der Wahlheimat des Illustrators.

Nur die Queen schaut zu: Axel Schefflers Grüffelo stapelt Bausteine zur Adresse hoch.


Nur die Queen schaut zu: Axel Schefflers Grüffelo stapelt Bausteine zur Adresse hoch.
:


Bild: Axel Scheffler

Sehr viele der Briefe Schefflers sind daher an die britische Autorin Julia Donaldson adressiert, mit der zusammen er den Grüffelo zum Welterfolg machte und etwa 2018 das Buch „Die hässlichen Fünf“ schuf. Die bei näherem Hinsehen gar nicht so hässlichen Tiere erscheinen denn auch in verwandelter Form wieder neben dem übrigen und stets ungewöhnlichen animalischen Personal auf vielen seiner Aesopschen Umschläge. Ebenso stark wie diese postantike Tierfabelwelt faszinieren Scheffler augenscheinlich Mythen und Metamorphosen. Leda und der Schwan auf Augenhöhe, Satyrn, Neptun und Amphitrite, aber auch griechische Athleten sowie Apoll und Daphne fallen ins Auge, wo sich die Nymphe vor des Musengottes Zugriff in ein gespaltenes Bäumchen verwandelt.

Wo fängt die Briefmarke an, wo hört die Zeichnung auf? Schefflers beißwütiger Osterhase setzt dem eierliebenden Tiger zu.


Wo fängt die Briefmarke an, wo hört die Zeichnung auf? Schefflers beißwütiger Osterhase setzt dem eierliebenden Tiger zu.
:


Bild: Axel Scheffler

Freiheit von der Brotarbeit durch wilde Metamorphosen

Sehr häufig gehen die Metamorphosen vom Motiv der stets mit Bedacht gewählten Briefmarken aus, die für Aby Warburg als Erfinder der modernen Kulturwissenschaft ohnehin die prägendsten Bildträger der Neuzeit waren. Dem ungewöhnlich offen und heiter dreinblickenden Antlitz der Queen auf einer querformatigen Marke wird Körper und Hut verliehen, und schon schwebt Ihre Majestät händchenhaltend mit dem Grüffelo über grüne Auen. Auf einem der skurrilsten Briefe wird das kleine Briefmarkenporträt von Prinz William mit einem schlaksigen grünen Körper versehen, der auf fast unheimliche Weise passt und nicht passt, sich jedoch zugleich vor dem inneren Auge in jenen seines Vaters Charles verwandelt.

Man darf diese Metamorphosen daher auch als individuelles „Cadavre exquis“ ansehen, dem Lieblingsspiel der Surrealisten der Zwanzigerjahre: Ein Teil von etwas Größerem, oft eben das Bild auf dem Postwertzeichen oder Steckenpferde der jeweils Bedachten, wird ergänzt oder gespiegelt durch eine möglichst abseitige Idee, die wiederum durch surreale Settings vervollständigt wird. Wie aber ausstellerische Ordnung in das stilistisch und thematisch kerndiverse Phantasiereich bringen? Die Kuratoren haben sich für eine Dreiteilung entschieden. Auf der Hauptwand rechts mendeln sich in einer Art Zeitstrahl Hunderte von Motive chronologisch aus. Beginnend im Jahr 1983 mit zwei Fotocollagen von Helmut Kohl und den fröhlich seine markanten Ohren präsentierenden „Genschman“ verschwindet das Politisch-Karikative zunächst fast ganz, um in den vergangenen Jahren mit Brexit und Pandemie, gegen die Scheffler mit allen künstlerischen Mitteln anmalte, wieder eine zen­trale Rolle zu erlangen.

Auch Schnabeltiere leiden unter Corona: Einer von Schefflers vielen Umschlägen der „Platipost“.


Auch Schnabeltiere leiden unter Corona: Einer von Schefflers vielen Umschlägen der „Platipost“.
:


Bild: Axel Scheffler

In der Mitte des Saals dagegen verläuft eine Vitrine in Blitzform, die das Leben der Bildbriefe von der Entstehung – eines der auf Vorrat bemalten Kuverts wirkt so ganz ohne Marke, Stempel und Anschrift tatsächlich wie eine vollgültige Miniatur edelster Feinmalerei um 1820 – über die unterschiedlichen Zustände der Auslieferung – ein Nilpferd trägt einen Strichcode im Leib, und so manche Köpfe und Stupsnasen wurden mitleidlos überstempelt – bis zum Erhalt und seltenen bildlichen Retournieren der Adressierten zeigt. Bis auf einen ausgestellten Umschlag, von dem sichtlich mitgenommen und zerknittert der Grüffelo grüßt, sind die Briefkunstwerke insgesamt in erstaunlich gutem Zustand. Unwillkürlich ploppen im Kopf Gedanken an die deutsche Post und ihr oft brachiales Passend-Machen zu großer Kuverts für viel zu kleine Briefkastenschlitze auf. Scheffler nimmt solches stoisch hin, auch Zufall und Zeit formen mit. Ein belgischer Künstler-Freund hingegen beschwert sich auf einem der Umschläge köstlich über die postalische Misshandlung in einem mit Sprechblasen angereicherten Altmeistergemälde. Die linke Flanke des Raums bilden weitere, besonders aufwendige Briefbeispiele.

Falls es noch eines Beweises für die Kraft des Analogen trotz des Siegeszugs des Digitalen bedurfte, so liefert ihn diese Schau: Nie hat Scheffler die Macht der Phantasie an die elektronischen Medien verraten, sein kurzzeitiges Faible für Fax-Kunst einmal ausgeklammert. Doch das ist bereits wieder eine andere Ausstellung.

Von Monstern, Mäusen und Menschen. Axel Schefflers fantastische Briefbilder. Im MfK, Frankfurt; bis 24. Juli. Das schöne Buch „Verbriefte Freundschaft“ im Péridot Verlag kostet 16,99 Euro.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!