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#Keine Kleinigkeiten

Keine Kleinigkeiten

Auf dem Deckel pappte das Etikett „Nette Menschen“. Ignatz Bubis hatte in den Siebzigern mit einem gewöhnlichen Ringordner begonnen, am Ende seiner Zeit in Frankfurt als Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und Präsident des Zentralrats der Juden waren es Dutzende. Er verwahrte in ihnen die Anfeindungen, die, anfangs noch anonym, dann nach und nach sogar mit Klarnamen, an ihn und seine Gemeinschaft verschickt wurden.

Bubis ist inwischen gestorben. Kurz vor seinem Tod 1999 sagte er in einem Interview: „Ich habe fast nichts bewegt.“ Und wirklich, Judenhass grassiert noch immer. Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit: An die Gemeinde in Frankfurt geht eine Mail mit übelsten Beschimpfungen und Drohungen, strafrechtlich relevant. Die Polizei verfolgte die IP-Adresse nach Kiel, dort fand man heraus, dass eine Frau sich in den Internetzugang eines Unbeteiligten gehackt hatte. Sie kam mit einer Geldauflage davon, 200 Euro, zu zahlen an die DLRG.

Wenn Leo Latasch diese Geschichte erzählt, wird er wütend. Er ist der Sicherheitsdezernent der Jüdischen Gemeinde, verantwortlich für Dutzende Kameras, Panzerglasfenster und eigenes Sicherheitspersonal. Geräte, Glas und Menschen schützen die Juden vor Angriffen und werden immer wieder gebraucht. „Es kann nicht sein, dass da die antisemitische Sau rausgelassen wird und so gut wie nichts passiert“, sagt Latasch. Er fordert, was er einen Schmusekurs nennt, zu beenden. So wie etwa in Bayern, wo es für antisemitische Anfeindungen schon mal ein halbes Jahr Gefängnis gebe.

Eine Liste der Entgleisungen

Brauchen wir das hier in Hessen? Steht Frankfurt, vom hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker (CDU) gern als die jüdischste Stadt Deutschlands bezeichnet, nicht doch ganz gut da? Am Donnerstag haben elf junge Leute an der jüdischen Schule in Frankfurt ihr Abiturzeugnis entgegengenommen. Sie sind die Ersten, die nach dem Holocaust wieder an einer jüdischen Schule ihre Prüfung ablegen konnten. In dem Jahr, in dem 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert werden. Also alles in Ordnung, eigentlich?

Dazu einmal ein Kontrastprogramm, die unvollständige Liste der Entgleisungen in Frankfurt im vergangenen Monat. 15. Mai 2021: Auf der Nakba-Demonstration fordern Demonstranten das Ende des Staates Israel. 22. Mai 2021: Auf einer pro-palästinensischen Kundgebung bezeichnet Ramazan Kuruyüz, der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen, den Zentralrat der Juden in Deutschland als Sprachrohr des Staates Israel und unterstellt, er trage Schuld an „Morden“. 7. Juni 2021: Ein Hinweisschild am Neuen Jüdischen Friedhof im Stadtteil Nordend wird mit einem Hakenkreuz beschmiert. 11. Juni 2021: Der Thoraschrank im abgeschlossenen Gebetsraum am Flughafen wird mit einem Hakenkreuz beschmiert. 21. Juni 2021: Das Schild am Friedhof wird abermals mit einem Hakenkreuz beschmiert.

Versteckter Antisemitusmus

Wer jetzt meint, dass ein paar Kritzeleien nicht mit volksverhetzenden Kurznachrichten gleichzusetzen sind oder mit Hetze auf einer Demo, der verkennt: All diese Anfeindungen sind tief antisemitisch. Sie verachten Juden, weil sie Juden sind, greifen sie und ihre Gebäude und ihren Besitz an, weil sie jüdisch sind. Das ist in seiner Alltäglichkeit Terror.

Protest gegen Israel: Demo am 15. Mai in Frankfurt


Protest gegen Israel: Demo am 15. Mai in Frankfurt
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Bild: Lucas Bäuml

Eine Schmiererei, die das Symbol der Vernichtungspolitik und des Massenmords nutzt, ist kein kleines Graffito, ist nicht nur Sachbeschädigung, sondern auch ein politisches Statement und ein Spiegel dieser Gesellschaft. Und in ihr gärt versteckter Antisemitismus.

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