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#Nur raus aus Kiew

„Nur raus aus Kiew“

In der Überführung ist es laut und hektisch. Frauen mit gewaltigen Koffern bahnen sich nervös einen Weg durch die Menge. An den Wänden sitzen Kinder neben Gepäckbergen auf dem Boden. Die Leute rufen wild durcheinander. Dann übertönt eine Frauenstimme aus den Lautsprechern den Lärm: „Der Zug auf Gleis 9 fährt nach Lemberg.“ Unter den Wartenden macht sich Hektik breit. Einige stürzen eilig die Treppen hinab, aus Angst keinen Platz mehr zu bekommen. Die Rollen ihrer Koffer knallen laut auf die Treppenstufen.

Auf dem Bahnsteig steht bereits ein Zug. Ein paar Glückliche haben sich Sitzplätze gesichert und beäugen durch die Fenster die hetzenden Nachzügler. Die wuchtige, hellblau-weiße Elektritschka bringt normalerweise Menschen aus den Vororten in die Stadt. Heute soll sie mehr als 500 Kilometer quer durch die Ukraine fahren. In diesen Tagen werden alle Züge mobilisiert, die irgendwo in den Depots zu finden sind.

Im kalten, zugigen Wagenübergang riecht es nach Urin und Zigaretten. Von hier aus drängen die Menschen durch die schweren Schiebetüren in das Eisenbahnabteil. Eine Familie hat die Suche nach Sitzplätzen aufgegeben und lässt sich im Wagenübergang auf dem Boden nieder. „Wie lange die Fahrt dauert? Das weiß nur Gott“, sagt Vater Aleksandr Schevchuk, ein kleiner Mann mit kurz geschorenem schütteren Haar. Er breitet einen Schlafsack aus, damit seine Frau und die beiden Töchter darauf sitzen können.

Seitdem ist in Kiew nichts mehr, wie es einmal war

Ruckartig schließen sich die Türen, und der Stahlkoloss setzt sich in Bewegung. Zwischen den Waggons rumpelt und scheppert es. An den Fenstern ziehen die Häuserblocks der ukrainischen Hauptstadt vorbei. Zwei Wochen zuvor war Kiew noch eine ganz normale Metropole. Die Stadt galt als hip, war für viele der Inbegriff von Freiheit und Aufbruch. Am Morgen des 24. Februars 2022 gab der russische Präsident Wladimir Putin den Befehl zur Invasion. Seitdem ist hier nichts mehr, wie es einmal war.

Seitdem liegt über Kiew eine ernste, angespannte Stille. Das Zentrum gleicht einer Geisterstadt. Der Maidanplatz, Ausgangspunkt und Symbol der Revolution von 2014, ist völlig menschenleer. An den Kreuzungen überprüfen Soldaten Dokumente und Kofferräume auf der Suche nach russischen Saboteuren. Nur die mit gelbem Klebeband markierten Autos von Unterstützern, sogenannten Freiwilligen, werden einfach durchgewunken. Die Freiwilligen unterstützen die Arbeit der Bewaffneten an den Checkpoints, indem sie Benzin, Nahrung und anderen Nachschub bringen.

Am Bahnhof von Kiew drängen sich die Menschen, um aus der Stadt zu fliehen.


Am Bahnhof von Kiew drängen sich die Menschen, um aus der Stadt zu fliehen.
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Bild: EPA

Die meisten Ampeln der Stadt wurden abgeschaltet, blinken seitdem permanent in Orange. Mehrmals täglich heulen die Sirenen. In der Ferne sind manchmal Explosionen zu hören, der Krach kommt irgendwo aus Nordwesten. Dort gelingt es den Ukrainern seit Tagen, ein weiteres Vorrücken der gigantischen russischen Fahrzeugkolonne zu verhindern. Die Orte Irpin und Bucha sind derzeit besonders hart umkämpft. Auch von dort aus fliehen verzweifelte Menschen auf ihrem Weg in den sicheren Westen des Landes zunächst nach Kiew.

Wie viele der vier Millionen Einwohner überhaupt in der Stadt geblieben sind, ist schwer abzuschätzen, da sich fast niemand auf die Straße traut. Auch bei Dunkelheit lassen die Menschen in ihren Wohnungen das Licht aus. Das soll feindlichen Piloten die Orientierung erschweren. Ab 20 Uhr herrscht Ausgangssperre. Wer noch auf der Straße unterwegs ist, macht sich verdächtig. Die meisten Tankstellen sind geschlossen. Wenn es doch Benzin gibt, darf niemand mehr als zwanzig Liter tanken. Nur auf den Straßen, die zum Hauptbahnhof oder nach Süden führen, herrscht reger Verkehr. Menschen, die mit dem Auto nach Westen fliehen, erkennt man an den innen an den Scheiben angebrachten Zetteln mit der Aufschrift „Kinder“. Mit dieser Kennzeichnung wollen die Menschen verhindern, dass auf ihr Auto geschossen wird.

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