#Natronseen als Wiege des Lebens?
Inhaltsverzeichnis
Vor rund vier Milliarden Jahren entstanden auf der Erde die ersten Bausteine des Lebens aus anorganischen Molekülen. Dazu waren jedoch deutlich höhere Konzentrationen des Mineralstoffs Phosphat erforderlich, als üblicherweise unter natürlichen Bedingungen vorkommen. Forschende sind nun auf eine mögliche Lösung dieses Rätsels gestoßen: Flache Natronseen wie der Last Chance Lake in Kanada zeigen, unter welchen Bedingungen sich Phosphat stark anreichern kann. Seen auf der frühen Erde könnten ähnliche Bedingungen geboten haben. Auch andere Planeten mit Wasser und vulkanischem Gestein könnten demnach die Voraussetzungen für die Entwicklung von Leben erfüllen.
Unter den richtigen Bedingungen können die komplexen Moleküle des Lebens spontan aus anorganischen Molekülen entstehen. Im Labor haben Forschende diese Schritte bereits rekonstruiert. So erschufen sie sowohl Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, als auch Nukleotide, die Bausteine von DNA und RNA. Das Problem dabei: Die dafür erforderlichen Phosphatkonzentrationen liegen millionenfach höher als die Werte, die üblicherweise in den Gewässern der Erde vorkommen.
Außergewöhnliche Umweltbedingungen
Ein Team um Sebastian Haas von der University of Washington in Seattle hat nun eine mögliche Lösung für dieses sogenannte Phosphatproblem gefunden. Bestimmte Seen auf der Erde, sogenannte Natronseen, enthalten außergewöhnlich hohe Konzentrationen zahlreicher Mineralstoffe, darunter in einigen Fällen auch Phosphat. Bereits in früheren Studien hatte das Team anhand von Laborexperimenten und chemischen Modellen gezeigt, dass sich Phosphat in diesen Seen durch natürliche Prozesse stark anreichern kann. Die dadurch erreichte Konzentration könnte ausreichen, um die Entstehung von Biomolekülen zu ermöglichen.
Für die aktuelle Studie haben Haas und sein Team einen dieser Natronseen untersucht, den Last Chance Lake in der kanadischen Provinz British Columbia. Der See ist nur etwa einen Meter tief und befindet sich auf vulkanischem Basaltgestein. Aus diesem Gestein löst das Wasser Mineralstoffe wie Natrium, Karbonat, Magnesium und Phosphat. Die umgebende Atmosphäre ist trocken und windig, sodass viel Wasser verdampft. Dadurch werden die Mineralstoffe im See konzentriert. „Weltweit ist kein anderes Gewässer mit einer höheren natürlich vorkommenden Phosphatkonzentration bekannt“, so die Forschenden.
Wie sich Phosphat anreichert
Zu verschiedenen Jahreszeiten entnahmen Haas und sein Team Proben aus dem See und seinem Sediment und untersuchten die chemischen Vorgänge. Dabei stellten sie fest, dass verschiedene Prozesse zusammenwirken, damit sich das Phosphat anreichern kann und nicht in andere Verbindungen umgewandelt wird. In den meisten anderen Seen reagiert Phosphat mit Kalzium und lagert sich als Kalziumphosphat ab. Im Last Chance Lake dagegen reagiert das Kalzium vor allem mit dem reichlich vorhandenen Karbonat und Magnesium. Das Phosphat bleibt somit frei. Auch durch biologische Prozesse wird es kaum abgebaut, denn der See ist für die meisten Lebewesen, die Phosphat verbrauchen könnten, zu salzig.
„Diese Studie ergänzt die zunehmenden Belege dafür, dass verdunstende Natronseen eine Umgebung bieten, die die chemischen Voraussetzungen für die Ursprünge des Lebens erfüllt“, sagt Haas Kollege David Catling. „Basaltgestein war auf der frühen Erde wahrscheinlich weit verbreitet, sodass es plausibel ist, dass sich Natronseen bildeten und die Grundlage für die Entstehung des Lebens lieferten.“ Da die Atmosphäre und das Wasser damals weniger Sauerstoff enthielten als heute und zudem noch kein Leben vorhanden war, das Phosphat hätte verbrauchen können, waren die Konzentrationen in den urzeitlichen Natronseen wahrscheinlich noch höher.
Auch auf anderen Planeten?
Auch auf anderen Planeten wären den Forschenden zufolge ähnliche Bedingungen möglich. „Vulkanisches Gestein kommt auf den Oberflächen vieler Planeten vor, sodass dieselbe Wasserchemie nicht nur auf der frühen Erde, sondern auch auf dem frühen Mars und der frühen Venus aufgetreten sein könnte, sofern flüssiges Wasser vorhanden war“, sagt Haas. Der Last Chance Lake bietet den Forschenden zufolge einzigartige Einblicke, unter welchen Bedingungen das Leben auf der Erde vor vier Milliarden Jahren entstanden sein könnte – und welche Voraussetzungen auf anderen Planeten erfüllt sein müssen, damit dort ähnliche Prozesse ablaufen können.
Quelle: Sebastian Haas (University of Washington, Seattle) et al., Communications Earth & Environment, doi: 10.1038/s43247-023-01192-8
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