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#Auf dem Rücken von Kindern

Auf dem Rücken von Kindern

19 + 12 + 13 = 44. So etwa könnte eine Mathematikaufgabe in der Grundschule, vielleicht in der zweiten Klasse, lauten. Für manche Olympiateilnehmerin des Skateboard-Wettkampfs wird eine solche Rechnung noch nicht lange zurückliegen. Gemeinsam zählen die Medaillengewinnerinnen in der Disziplin Park 44 Lebensjahre.

Die Skateboarder – in Tokio erstmals im olympischen Programm – sollen die Spiele attraktiver für ein junges Publikum machen. Dahinter steckt auch die Hoffnung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), neue Märkte erschließen zu können.

Die potentiellen Kunden von morgen

Der Gedanke ist keineswegs abwegig. Klettern, Skaten, 3×3 als Variante des Basketballs oder auch Surfen gelten als Trendsportarten. Die jungen Zuschauer von heute sind die potentiellen Kunden von morgen. Werden sie erfolgreich ins Boot geholt, könnte das IOC dem Verlust junger Zuschauer entgegenwirken, die mit den traditionellen Sportarten weniger anfangen können als die Generation ihrer Väter und Großväter. Aber darf das IOC, das sich stets auf die Menschenwürde beruft, seine Expansion auf dem Rücken von – so muss man es sagen – Kindern austragen?

Skateboarderin Rayssa Leal (13 Jahre)


Skateboarderin Rayssa Leal (13 Jahre)
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Bild: AFP

Wer die Übertragungen von den Olympischen Spielen schaut, will dabei die besten Athleten der Welt entdecken und um Gold kämpfen sehen. In manchen Sportarten ist die Jugend der Welt verdammt jung. Das war schon immer so, etwa im Kunstturnen. Der griechische Turner Dimitrios Loundras war zehn Jahre alt, als er am Barren Bronze gewann – 1896, im Geburtsjahr der modernen Spiele unter der Ägide von Pierre de Coubertin.

Doch die Welt des Sports hat sich verändert in den vergangenen 125 Jahren. Die Aufmerksamkeit, die Medaillenhoffnungen zuteilwird, ist enorm und mit ihr der Erfolgsdruck. Auch dafür stehen die Sommerspiele von Tokio. Nie zuvor haben Athletinnen wie die amerikanische Kunstturnerin Simone Biles so offen über die gewaltige Belastung gesprochen, die ihnen auf die Schultern gelegt wird und die sie in die Knie zwingt. Sollte das IOC Kinder also nicht unbedingt besser schützen? Vor sich selbst, vor ihren Eltern, ihren Trainern?

An Grenzen gehen

Hochleistungssport bedeutet, jeden Tag zu trainieren, an Grenzen zu gehen, mitunter darüber hinaus. Die Frage, mit wie viel Selbstbestimmung eine zwölfjährige Athletin ihr Handeln gestaltet, lässt sich von außen kaum beantworten. Man kann sich gut vorstellen, dass ein Kind wie die 14 Jahre alte, erstaunlich reif wirkende Lilly Stoephasius (9. Platz), liebend gern und intrinsisch motiviert tagtäglich auf dem Skateboard steht und bewegt von ihrer Freude bis zum Umfallen trainiert. Wenn jedoch auch schon Zwölfjährige bereits um Medaillen bei Olympia konkurrieren, werden diese den Wettkampf wohl kaum als Juxveranstaltung begreifen.

Die größte Bühne des Sports mitsamt dem gewaltigen Scheinwerferlicht erzeugt einen erheblichen Druck. Die Medien entfachen mit ihrem Interesse, das Phänomen der Kinderstars den Menschen näherzubringen, eine Jagd auf die Kids. Auf dem Podest während der Siegerehrung im Skateboard stand auch die Britin Sky Brown, 13 Jahre alt. Sie ist – im Gegensatz zu den meisten anderen Kinderathleten – das öffentliche Interesse schon gewohnt.

Tischtennisspielerin Hend Zaza (zwölf Jahre)


Tischtennisspielerin Hend Zaza (zwölf Jahre)
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Bild: AFP

Auf Instagram hat sie 1,2 Millionen Abonnenten. Ihr Account: „Managed by Mom“. Ihre Mutter scheint mit dem medialen Tamtam um Sky, längst mit einem persönlichen Sponsorenvertrag des amerikanischen Sportartikelherstellers Nike ausgestattet, kein Problem zu haben. Mehr noch: Sie scheint die Vermarktung ihrer Dreizehnjährigen zu fördern.

In Kulturkreisen jenseits des Westens mögen die Motive, Minderjährige zu Höchstleistungen zu animieren, andere sein. Aber ändert das etwas am Ergebnis? Die 14-jährige Chinesin Quan Hongchan sprang in Tokio hochüberlegen zu Gold vom Zehnmeterturm. Sie zeigte dabei zwei perfekte Sprünge. Wie sie zu dieser fantastischen Köperbeherrschung in so jungen Jahren kam, ist nicht geklärt. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass etwa in China oder in abgeschotteten Leistungssystemen im Westen teils mit rigorosen Methoden versucht wird, Medaillengewinner zu produzieren, ohne Rücksicht auf die Persönlichkeitsentwicklung.

Die vielen Geschichten in der Vergangenheit, die Erklärungen von Athletinnen, sind auch dem IOC nicht verborgen geblieben. Es hat zwar de jure nur einen begrenzten Einfluss auf die internationalen Fachverbände und deren Regelwerk. Aber es kann und muss seine Kraft nutzen, Altersbegrenzungen durchzusetzen. Die Einsicht scheint da. Bei den Olympischen Jugendspielen dürfte Sky nicht antreten: Die Teilnehmer müssen 14 Jahre alt sein. Konsequent wäre daher eine Altersgrenze von 16 Jahren bei den „richtigen“ Spielen. Das würde die Chance erhöhen, dass talentierte Kinder etwas länger genießen dürfen, was wichtig für sie ist: eine Kindheit.

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