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#Brüchige Einheit gegen Russland

Brüchige Einheit gegen Russland

Als Olaf Scholz am Donnerstagmorgen in seinen ersten Europäischen Rat ging, hatte er nicht viel mitzuteilen. Zur Ukraine sagte der Bundeskanzler, man werde noch einmal betonen, „dass die Unverletzlichkeit der Grenzen eine der ganz wichtigen Grundlagen des Friedens in Europa ist und dass wir alle gemeinsam alles dafür tun werden, dass es bei dieser Unverletzlichkeit bleibt“. Das Wort Sanktionen kam ihm nicht über die Lippen. Dann war da noch der Tiergartenmord; am Vortag hatte ein Berliner Gericht den angeklagten Russen zu lebenslanger Haft verurteilt und von „Staatsterrorismus“ gesprochen. Danach gefragt, sagte Scholz, „dass hier schlimme Dinge passiert sind“ und es deshalb völlig richtig sei, dass die Außenministerin eine klare Antwort gegeben habe – die Ausweisung von zwei Mitarbeitern der russischen Botschaft in Berlin. Drei Fragen bekam er gestellt, eine ignorierte er, das war’s auch schon.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Andere Staats- und Regierungschefs waren gesprächiger und brachten das Thema auf, mit dem Scholz später noch direkt konfrontiert werden sollte: die Zukunft der Ostseepipeline Nord Stream 2. „Ich denke auf jeden Fall, dass das auf den Tisch gehört“, sagte der lettische Ministerpräsident Arturs Krisjanis Karins. Putin versuche die EU mit der Leitung zu erpressen – indem er weitere Gaslieferungen zurückhält, damit die Leitung schneller genehmigt wird. „Das ist falsch. Es gibt schon genug Infrastruktur, um Europa mit allem Gas zu versorgen, das wir brauchen, nämlich über die Ukraine.“ Es wäre daher „wichtig“, über die Leitung zu reden und zu vereinbaren: „Wenn es gesteigerte militärische Aktivität gibt, dann wird das Projekt beendet.“ Auch Janez Janša aus Slowenien, dessen Land noch den Vorsitz im Ministerrat innehat, wünschte sich, „dass wir vielleicht ein paar weitere Informationen dazu bekommen, was die endgültige Bestimmung von Nord Stream 2 sein wird“.

Deutschland, Frankreich und Italien wollen auf Mittel der Diplomatie setzen

Nichts lag Scholz jedoch ferner, als bei diesem Thema für Klarheit zu sorgen. Schon vor dem Treffen hatte die Regierung auf das laufende Genehmigungsverfahren verwiesen – da gebe es jetzt gar nichts politisch zu entscheiden. Die zuständige Bundesnetzagentur sekundierte, eine Entscheidung werde es „nicht im ersten Halbjahr“ 2022 geben. Ergänzend konnte Scholz gegenüber den Kollegen noch auf die Vereinbarung verweisen, die seine Vorgängerin mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden getroffen hatte, um amerikanische Sanktionen gegen Deutschland abzuwenden. Berlin hilft der Ukraine demnach bei der Modernisierung ihres Gasnetzes, zahlt hundert Millionen Euro in einen Green-Energy-Fonds für die Zeit ohne fossile Energieträger, und es setzt sich in Moskau dafür ein, dass der 2024 auslaufende Transitvertrag mit Kiew verlängert wird. Freilich hatte Merkel auch versichert, dass Russland die Pipeline nicht nutzen dürfe, „um die Ukraine auf irgendeine Weise zu erpressen“.

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Aus Kiews Sicht ist das längst der Fall. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief am Mittwochabend sogar zu präventiven Sanktionen gegen Russland auf. „Für uns ist es wichtig, dass solche Sanktionen eher angewendet werden, bevor es zu einem Konflikt kommt, als danach“, sagte er am Rande des Gipfeltreffens der EU-Regierungschefs mit ihren östlichen Partnern. Als Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen anschließend darauf angesprochen wurden, wichen sie aus – es ist ein politisch heikles Thema. Deutschland, Frankreich und Italien wollen jetzt in Diplomatie mit Moskau einsteigen und nicht weiter „eskalieren“, wie Diplomaten sagen.

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Das war auch die Botschaft, die Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron dem ukrainischen Präsidenten vor Beginn des Partnerschaftstreffens überbrachten. Selenskyj müsse sich auf den Minsker Prozess einlassen, auch wenn ihn das innenpolitisches Kapital koste. Es gebe keinen anderen Weg – auch die Sanktionen, welche die EU schon gegen Russland verhängt habe, seien daran geknüpft. Die Gespräche zwischen Moskau und Kiew im Normandieformat sind seit einem Jahr komplett blockiert. Putin will, dass Kiew Wahlen in den Separatistengebieten der Ostukraine zulässt und deren Ergebnis anerkennt. Selenskyj besteht darauf, dass die ukrainische Armee zuerst die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet übernimmt. Berlin und Paris drängen ihn zu Konzessionen. 

Die Truppenbewegungen gehen weiter

Es wurde nicht erwartet, dass die Staats- und Regierungschefs detailliert über ein Paket von Sanktionen gegen Russland reden würden. Von der Leyen hatte nach dem Partnerschaftsgipfel gesagt, die EU-Kommission habe ihre „Hausaufgaben gemacht“ und Optionen für den Fall einer weiteren Aggression ausgearbeitet. Von Diplomaten hieß es jedoch, man befinde sich noch mitten in Gesprächen über technische Fragen. Insbesondere wollten die Staaten abschätzen, welcher Schaden ihnen selbst entstünde. Tatsächlich könnte die Einheit, die EU und NATO in den vergangenen Wochen zur Schau stellten, dann bald brüchig werden. Je härter Finanz- und Wirtschaftssanktionen Russland treffen, desto höher wäre auch der Preis für die EU-Staaten, und in den meisten Fällen träfe es sie unterschiedlich stark.

Die vorbereiteten Schlussfolgerungen waren vorsorglich allgemein gehalten. „Jede weitere militärische Aggression gegenüber der Ukraine wird massive Konsequenzen und erhebliche Kosten nach sich ziehen“, hieß es da. Russland wurde aufgefordert, „dringend eine Deeskalation der Spannungen“ herbeizuführen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte derweil, es gebe keine Anzeichen, dass die Truppenbewegungen aufhörten oder sich verlangsamten. Das Gegenteil sei der Fall.

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