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#„Tatort“ aus Hamburg: Von allen guten Menschen verlassen

Im „Tatort: Was bleibt“ hat Franziska Weisz als Kommissarin Julia Grosz ihren letzten Auftritt. Sie zeigt ganz neue Facetten. Wir werden sie vermissen.

Dienstjubiläum im „Tatort“ aus Hamburg und ein Abschied: Der Neujahrs-Fall „Was bleibt“ ist der dreizehnte „Tatort“ mit Franziska Weisz in der Rolle der Bundespolizistin Julia Grosz, und es ist ihr letzter. 2016, in „Zorn Gottes“, begann die Zusammenarbeit mit dem wortkargen Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) am Flughafen Hannover. Da streckte sie ihn erst einmal nieder. Sie war damals nach einem traumatisierenden Auslandseinsatz auf der Suche nach einer neuen Aufgabe, er kämpfte nach der Verabschiedung einer anderen Partnerin mit Vertrauensverlust.

Langsam bewegten sie sich aufeinander zu

Langsam bewegten sie sich in den nächsten Jahren aufeinander zu. Eine Grundschwingung der Intimitätsskepsis blieb, wie die Frage „Wer war ich und wer will ich sein?“ In „Schattenleben“ ermittelte Grosz unter angenommener Identität in einem linken Wohnprojekt – und setzte sich mit ihren Anfängen als Polizistin auseinander. Auch für Falke spielte die Vergangenheit immer wieder eine Rolle.

Franziska Weisz steigt aus dem Hamburger „Tatort“ aus, aber nicht, ohne neue Facetten ihrer Figur zu zeigen. Sie singt, hat mehrfach Auftritte. Ihre Kommissarin ,Grosz wirkt gelöster und macht Falke bei dessen Feier zum 25-jährigen Dienstjubiläum in einer Kneipe auf St. Pauli von der Bühne herab berufliche Komplimente, die wie eine Liebeserklärung klingen. Erst zähle bei ihm der Mensch, dann die Tat. Falke sei „der beste Bulle, den sie kenne“. Das will was heißen.

Wieder geht es um Identität

Der Fall selbst schließt den Kreis. Wieder geht es um Identität, um Zugehörigkeit als Integrationsvoraussetzung. Es geht um eine Ermittlung, in der Falkes „Helfersyndrom“ zum Tragen kommt, und auch die Ermüdung, die entsteht, wenn andere zu viel Hoffnung in einen setzen. Insbesondere Flüchtlinge, für die Falkes Herz immer geschlagen hat. Vor zwanzig Jahren, als junger Polizist, hat er in einem Billstedter Jugendzentrum den Kindern bosnischer Kriegsflüchtlinge Boxen beigebracht. „Ich mochte die alle“, sagt er.

Die meisten mussten nach Ablauf der Duldung das Land verlassen und in ein ihnen unbekanntes Land ziehen. Falke findet Fotos von früher, und er erinnert sich an das Versprechen. Es galt, rechtsextreme Täter zu finden, die die Begegnungsstätte 2002 in Brand setzten. Bei dem Brandanschlag starb ein Kind. Es gelang ihm nicht, den Schuldigen zu ermitteln. Er war auch gar nicht zuständig. Doch was kümmerte das einen wie Falke und den Jungen, der ihn damals vergötterte.

„Was bleibt“ beginnt mit einer grandiosen mehrminütigen Eingangssequenz, rasant gefilmt ohne einzigen Schnitt (Kamera Frank Küpper). Ein gewisser Enzo Malotti (Malik Blumenthal) versucht, im Hinterzimmer einen falschen Pass zu kaufen, als ein Einsatzkommando ein Hamburger Kiez-Lokal stürmt. Im allgemeinen Chaos flieht der Mann, der eigentlich Denis Demirovic heißt, an Grosz und Falke vorbei („Kennen wir den?“). Später, als Grosz ihr „Seven Nations Army“ singt, bewegt dieser Mann, Malotti, Demirovic oder wer auch immer es ist, Falke zu einem Treffen in einem Skaterpark. Er bittet verzweifelt um Hilfe. Falke erkennt ihn nicht, erst als der Mann am nächsten Tag tot aus dem Hafenbecken geborgen wird, dämmert es Falke.


Trailer
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„Tatort: Was bleibt“

Spuren führen zu einer Flüchtlingsinitiative, deren erschöpfte Gründerin Katharina Timmig (Leslie Malton) – „ich kann das Wort Hilfe nicht mehr hören“ – mal wieder den „Woyzeck“ einstudieren lässt (anscheinend das einzige sozialkritische Stück, dessen Kenntnis der „Tatort“ seinen Zuschauern zutraut, bei den Kölnern spielte es auch schon eine Rolle). Zusammen mit ihrem Mann Björn (Gerhard Garbers) betreibt Timmig die Stätte, gegründet wurde sie kurz nach dem Brand in Billstedt. Beide wurden, das weiß einstweilen nur der Zuschauer, von dem toten Unbekannten bedroht, genau wie ihr Sohn Oliver (Hanno Koffler), der mit seiner Frau Jasmina (Janina Elkin) ein herkunftsdeutsches Spießerleben zu inszenieren scheint.

Auf der Suche nach dem Täter geht es wieder einmal um fragile Identität, um Selbsterfindung, um Falsches und Richtiges im Zusammenleben. Falkes Jungs, die mit ihren Eltern zurück nach Bosnien mussten; krumme Geschäfte, die sich mit Timmigs Geflüchteteninitiative verbinden (und die hier nur angedeutet werden); Überforderung, die Leslie Malton darstellt; Falkes Nichterkennen eines Getriebenen und, vor allem, sein Zuspätkommen am Schluss – das summiert sich zu einem „Tatort“, der nur Trauer übrig lässt.

„Was bleibt“ ist ein von Max Zähle konzentriert inszeniertes und von Marija Erceg mit Sinn für die Identitätsfrage Geflüchteter geschriebenes „Neo Noir“-Genrestück. Florian Tessloffs begleitende Komposition, eingespielt von der NDR-Radiophilharmonie, gibt die passend düstere Programmmusik. Franziska Weisz werden wir als engagierte Polizistin Julia Grosz, die hier einmal gelöst und strahlend sein durfte, vermissen.

Den Tatort: Was bleibt sendet das Erste am 1. Januar um 20.15 Uhr. Anschließend ist er in der ARD-Mediathek abrufbar.

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