Teile unserer DNA verändern sich schneller als gedacht

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Um abzuschätzen, ob eine genetische Krankheit vererbbar ist, muss man wissen, wie schnell das menschliche Erbgut mutiert und wie stark es sich über Generationen hinweg verändert. Diese Veränderungsrate haben nun Forschende so präzise wie nie zuvor ermittelt und daraus den bisher umfassendsten Mutations-Atlas der menschlichen DNA erstellt. Demnach verändern sich Teile unseres Genoms schneller als andere und viel schneller als bisher bekannt. Allerdings stammen die Daten bislang nur von einer Familie. Unklar ist daher noch, ob jede Familie dieselbe Mutationsgeschwindigkeit hat, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Durch Umwelteinflüsse und zufällige Mutationen verändert sich unser Erbgut im Laufe des Lebens sowie von Generation zu Generation. „Die gesamte genetische Variation, die wir von Individuum zu Individuum sehen, ist das Ergebnis dieser Mutationen“, erklärt Co-Autor Lynn Jorde von der University of Utah. Diese individuellen Genveränderungen bestimmen zum Beispiel harmlose Äußerlichkeiten wie unsere Augenfarbe, aber auch gesundheitliche Aspekte – etwa, ob wir Laktose verdauen können oder eine genetische Krankheit haben.
Schätzungen zufolge unterscheiden sich die Gene eines jeden Menschen an hunderten Stellen von den Genen der beiden Elternteile. Wie oft genau neue Mutationen in unserem Genom auftreten und vererbt werden, war jedoch bislang unklar, da viele dieser Veränderungen in DNA-Regionen auftreten, die besonders schwer zu untersuchen sind. Diese Erbgutabschnitte waren „bisher unberührbar“, sagt Co-Autor Aaron Quinlan von der University of Utah. Nachweisbar waren daher bisher nur etwa 60 bis 70 individuelle, nicht-vererbte Mutationen pro Generation.

Mutationsrate unseres Erbguts auf dem Prüfstand
Genetiker um Lorde, Quinlan und Erstautor David Porubsky von der University of Washington haben daher nun mehrere moderne DNA-Analyse-Techniken kombiniert, um das menschliche Erbgut und seine Veränderungsrate erstmals vollständig untersuchen zu können. Die Forschenden sequenzierten die DNA von 28 Angehörigen aus vier Generationen derselben Familie. Die in Utah lebende Familie arbeitet seit den 1980er Jahren mit Genetikern zusammen und hat ihre DNA für Forschungszwecke gespendet. Diese Proben analysierten Porubsky und seine Kollegen nun erneut, diesmal mit fünf verschiedenen Technologien. Einige der Methoden erkennen besonders gut kleine Genmutationen, andere vor allem große Veränderungen. Anschließend verglichen die Forschenden das Erbgut der Eltern mit dem ihrer Kinder und ermittelten daraus jeweils die Mutationsrate ihrer DNA.
Dabei bestätigte sich, dass unser Erbgut keine homogene Masse ist, sondern je nach Abschnitt unterschiedlich schnell mutiert. Manche Regionen verändern sich demnach schneller als andere. Insgesamt fanden Porubsky und seine Kollegen zwischen 98 und 206 Stellen im Erbgut, an denen sich die DNA einer Person von den Eltern unterschied und demnach erst nach der Geburt mutiert war. Im Schnitt waren es 152 individuelle, nicht-vererbte Genveränderungen.
Einige Teile unserer DNA verändern sich sogar noch schneller als bisher angenommen. „Wir haben Teile unseres Genoms gesehen, die enorm veränderlich sind, fast jede Generation eine Mutation“, sagt Quinlan. „Die Rate der De-novo-Strukturvarianten stieg gegenüber früheren Schätzungen von 0,2 bis 0,3 auf drei bis vier pro Generation“, schreibt das Team. Andere DNA-Segmente waren hingegen stabiler als gedacht und veränderten sich über die Zeit kaum. Anhand der Familien-Genome haben die Forschenden nun eine Art Karte des menschlichen Erbguts erstellt, die anzeigt, welche Abschnitte schnell und welche eher langsam mutieren.
Entscheidungshilfe für Eltern
Diese Karte könnte künftig helfen, die wahrscheinliche Ursache von genetischen Erkrankungen zu finden. Wenn ein krankmachender genetischer Defekt in einem „Mutations-Hotspot“ unseres Erbguts liegt, stellt er beispielsweise mit höherer Wahrscheinlichkeit eine neue Mutation dar, die erst im Laufe des Lebens eines Kindes entstanden ist, als dass diese Mutation von einem Elternteil geerbt wurde. In diesem Fall ist das Risiko, dass die Eltern weitere Kinder mit der gleichen Krankheit bekommen, geringer. Wenn hingegen ein Kind eine genetische Veränderung in einem generell wenig variablen Teil unseres Erbguts hat, hat es diese Mutation wahrscheinlich von den Eltern geerbt. Dann haben die zukünftigen Kinder dieser Eltern ein höheres Risiko, ebenfalls an der genetischen Krankheit zu leiden.
Für diese Anwendung ist jedoch noch eine Frage offen: „Wie verallgemeinerbar sind diese Ergebnisse über Familien hinweg, wenn man versucht, das Risiko für Krankheiten vorherzusagen oder wie sich Genome entwickeln?“, erklärt Quinlan. Um das herauszufinden, wollen Porubsky und seine Kollegen nun in Folgestudien die DNA von weiteren Menschen untersuchen und die genetische Veränderungsrate verschiedener Familien miteinander vergleichen.
Quelle: David Porubsky (University of Washington) et al.; Nature, doi: 10.1038/s41586-025-08922-2
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