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#Selbstzufriedenheit statt Programmdebatte

Selbstzufriedenheit statt Programmdebatte

Es ist der erste Parteitag der SPD als Kanzlerpartei seit 16 Jahren. Das ist das Neue an diesem Samstag auf der Berliner Messe, es prägt die Atmosphäre und die Reden. Einige wenige Spitzenpolitiker sind im Saal, allen voran der frisch gewählte Bundeskanzler Olaf Scholz. Die meisten der rund 600 Delegierten sitzen zuhause an den Bildschirmen, wieder einmal verhindert die Corona-Pandemie einen klassischen Parteitag in Präsenz.

Vor allem die Wahl eines neuen Parteivorstands steht auf der Tagesordnung des hauptsächlich digitalen Treffens. Dabei finden sich alte Bekannte, allen voran Lars Klingbeil, der die vorigen vier Jahre Generalsekretär der SPD war und Kevin Kühnert, der ihm nachfolgt und bislang stellvertretender Parteivorsitzender war.

Ein bisschen Genugtuung ist herauszuhören

Nun also ist Klingbeil Vorsitzender zusammen mit der Frau, die dieses Amt seit zwei Jahren innehat, mit Saskia Esken. Esken wird bei der Wahl bestätigt, sie erhält 76,7 Prozent der Stimmen. Lars Klingbeil bekommt ein besseres Ergebnis, er erhält 86,3 Prozent. 

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Klingbeil weist am Beginn seiner Bewerbungsrede darauf hin, dass die Eintracht in der SPD noch nicht so lange währt. Acht Parteivorsitzende, gewählte und kommissarische, hat er allein als Generalsekretär erlebt. Er erinnert auch daran, wie sich noch vor kurzem über die Partei lustig gemacht wurde, dass gefragt wurde, warum sie überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstelle. Die Antwort auf diese Frage, „die haben wir am vergangenen Mittwoch im Bundestag beantwortet“, sagt der 43 Jahre alte stets ausgeglichen wirkende Klingbeil, und ein bisschen Genugtuung ist da doch herauszuhören.

Dann wiederholt Klingbeil sein Mantra der vergangenen Wochen. „Ein Sieg bei der Bundestagswahl reicht mir nicht, ich will mehr“. Natürlich denkt er an die Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und nicht zuletzt in Nordrhein-Westfalen. Sie finden alle im ersten Halbjahr 2022 statt. Überall regieren dort CDU-Ministerpräsidenten. Und überall hat die SPD in Umfragen die Union mittlerweile überholt. „Wir stehen an der Schwelle eines sozialdemokratischen Jahrzehnts“, sagt Klingbeil.

Das Zusammenführen ist wieder einmal das Thema des „Brückenbauers“ Klingbeil. Es gebe nur eine SPD,  keine SPD der Parteilinken und der konservativen Seeheimer, denen Klingbeil angehört. Auch in der Gesellschaft müsse  die SPD die verschiedenen Interessen zusammenbringen. Klingbeil nennt „das Gründerteam eines Start-Ups im Bereich Biotechnologie in Mainz“, also Biontech, und dessen Erfolg als ein Beispiel, als ein anderes die unsichere Zukunft der Arbeiterinnen und Arbeiter eines „Zuliefererbetriebs für Dieselmotoren in der Lüneburger Heide“, Klingbeils Heimatregion.

Der Scholz-Vertraute hält sich im Weiteren an den Rat seines Kanzlers: sich nicht etwa am neuen Koalitionspartner FDP abarbeiten, sondern immer CDU und CSU kritisieren. Klingbeil macht das reichlich plump bis ins Karikaturhafte. „Wir haben das Land befreit vom Muff der Konservativen“, sagt er – so als habe die SPD nicht zwölf von 16 Jahren der Kanzlerschaft von Angela Merkel regiert, die von ihrer eigenen Partei nicht zuletzt für die „Sozialdemokratisierung“ der CDU kritisiert wurde. Die Konservativen seien in den Neunzigerjahren des zurückliegenden Jahrhunderts stehengeblieben, Wirtschaftspolitik sei für sie nur die Nähe zur Wirtschaft und zu Lobbyisten.

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Allerdings hat auch der SPD-Kanzler Gerhard Schröder, zu dem Klingbeil als ehemaliger Mitarbeiter von dessen Wahlkreisbüro seit rund 20 Jahren ein gutes Verhältnis hat, sich durch die Nähe zur Wirtschaft ausgezeichnet. Auch von Olaf Scholz hat man nie gehört, dass er in Hamburg keine wirtschaftsfreundliche Politik gemacht habe. Doch nun kann die alte Frontstellung zur Union endlich befreit reaktiviert werden, um das Herz der Genossinnen und Genossen zu wärmen.

Die Freude über die neue Einigkeit dominiert auch die Bewerbungsrede Saskia Eskens. Sie war vor zwei Jahren mit dem am Samstag nicht wieder kandidierenden Norbert Walter-Borjans gewählt worden, weil die Genossen Olaf Scholz und seine Teampartnerin Klara Geywitz nicht haben wollten. Esken sorgte allerdings ebenso dafür, dass dieser Scholz Kanzlerkandidat wurde, und jubelt nun über die aktuelle Lage. Dem Bundeskanzler  attestiert sie am Samstag, er vereine „sozialdemokratisches Herz“ mit Regierungserfahrung.

„Hinter uns liegen die großartigsten Wochen, die man sich als SPD-Vorsitzende überhaupt vorstellen kann“, sagt Esken. Die Zeit der „ungeliebten großen Koalition“ sei zu Ende, die „SPD ist wieder da, wir sind geeint, wie seit vielen Jahren nicht mehr“. Sie sei nicht mehr nur an einer Regierung beteiligt, sie führe sie an, sagt Esken. „Die Menschen im Land werden merken, dass das einen Unterschied macht.“ Und als ob das noch nicht genug wäre: „Die Zwanzigerjahre werden ein Jahrzehnt der Sozialdemokratie sein.“ Das ist schon mal ein gelungener Versuch, genauso zu klingen wie der neue Mann an ihrer Seite im Parteivorsitz.

Esken freut sich über die vielen von Sozialdemokraten besetzten Posten, die es in der neuen Regierung gibt. Immer wenn sie den Eindruck erweckt, programmatisch zu werden, handelt es sich doch wieder nur um einen Anlauf zum nächsten Freudenausbruch über ein von der SPD besetztes Ministeramt. Nein, programmatische Diskussionen sind sicher nicht der Schwerpunkt dieses Parteitags.

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