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#Wo die Buchstaben vom Himmel fallen

„Wo die Buchstaben vom Himmel fallen“

Kündigung per E-Mail ist eine feine Sache, sofern sich keine Tippfehler einschleichen. Zufälle gibt es eben. Oder es ist alles Vorsehung, wie manche meinen. Ein falscher Buchstabe in der E-Mail-Adresse, und Leo Leike (Alexander Fehling) bekommt Emma Rothners (Nora Tschirner) Irrläuferpost zugestellt. Eigentlich will sie das Abonnement der Zeitschrift „Like“ beenden, er ignoriert ihre Anfrage. Nicht für ihn bestimmt.

Sie versucht es weiter. Bis er in ihren Wörtern emotionale Widerhaken findet, bald in ihren E-Mails Sätze erkennt, die ihn anzusprechen scheinen, und er ihre Sendungen zu erwidern beginnt. Schnell stehen die beiden auf vertrautem Fuß. Ein Gespräch beginnt, wird einzigartig, bringt die Schreibenden einander immer näher. Ein sprachmagischer Zauber, vulgo „Liebe“ genannt, beginnt sein Bindungswerk. Bis in Daniel Glattauers Briefroman „Gut gegen Nordwind“ ein einziger weiterer mutwillig verwechselter, von Emmas Ehemann Bernhard (Ulrich Thomsen) sprengsatzmäßig benutzter Buchstabe reicht, um neuen Zufall zu provozieren oder das Schicksal umzuschmieden.

Die Vorlage war ein Bestseller

Der Roman „Gut gegen Nordwind“ des österreichischen Autors Daniel Glattauer, 2006 erschienen und in fast dreißig Sprachen übersetzt, war ein bemerkenswerter Bestsellererfolg. Auch der 2009 erschienene Nachfolger „Alle sieben Wellen“ hielt sich gefühlt ewig in den entsprechenden Verkaufs- und Beliebtheitslisten.

Zwei Romane, die ausschließlich aus abgedruckten E-Mails bestanden. Die die hoffnungsvoll romantische Liebe zwischen Emma und Leo allein durch ihrer beider verschriftlichtes Sprechen darstellten. Romane, die, und das machte die Publikationen auch für Leser(innen) interessant, die vom Pilchern weiter entfernt sind als der gemeine Fernsehzuschauer vom „Tatort“, in durchaus gelehrter, aber humorvoller und keineswegs oberlehrerhafter Weise die Tradition des empfindsamen Briefromans, den die Aufklärungskritik der Romantik als literarisches Widerstandsmodell bloßer Verstandesdidaktik hervorgebracht hatte, aufnahm. Die das Sprachmuster der unmittelbaren Innerlichkeit, der schwärmerischen Selbstaussprache und Sehnsucht in die heutige Kommunikationswirklichkeit übersetzten und mit erstaunlicher Leichtigkeit fortschrieben.

Will man ein bisschen höher, also zu den Sternen literarischer Sprachphilosophie, greifen, dann wirkte Glattauers Sprachoptimismus ein wenig wie ein Gegenprogramm zur Fin-de-Siècle-Sprachskepsis in Hofmannsthals „Chandos-Brief“. Lauter Worte, nicht wie „modrige Pilze, die im Mund zerfallen“, sondern als brausekribbelnde „Schmetterlinge im Bauch“.

2019 kam die Verfilmung „Gut gegen Nordwind“ in die österreichischen und deutschen Kinos, das ZDF zeigt sie nun als Fernsehpremiere im Sommerprogramm. In der Regie von Vanessa Jopp bringen das Drehbuch von Jane Ainscough und die Bildgestaltung von Sten Mende hier „nichts als Wörter“ auf den Schirm. Das gelingt recht gut, bewahrt vor allem durch die Hauptdarsteller Fehling und besonders Nora Tschirner den Charme des E-Mail-Romans. In der ersten Dreiviertelstunde begegnet man Tschirners Emma nur als Stimme im Voice-Over, bleibt im Bild bei Leo und seiner chaotischen On-Off-Beziehung mit Marlene (Claudia Eisinger), feiert Weihnachten mit ihm und seiner Schwester Adrienne (Ella Rumpf) und Mutter Vera (Eleonore Weisgerber).

Leo spaziert am selben Strand, an dem später Emma versuchen wird, einen klaren Kopf zu bekommen. Sie hat Familie, ist verheiratet mit dem älteren Bernhard und kümmert sich um zwei Stiefkinder. Für die Distanz der Schrift-Beziehung, die gleichzeitig eine Verführung zu größtmöglicher Nähe ist, findet der Film szenische Auflösungen. Einmal steht Emma wartend an der Fußgängerampel, während Leo in der Straßenbahn vorbeifährt. Viele andere Male verfehlen sie sich in Person – um ihre Gespräche um so eindringlicher fortzuführen. Als der gemeinsame Kuss imaginiert wird, fallen vom nächtlichen Himmel lauter Buchstaben zu Boden. Weder hartgesottene Menschenfeinde noch verkantete Sprachskeptiker mag diese doch recht erwachsene „Romantic Comedy“ erreichen. Man kann natürlich die gesamte Prämisse für Humbug halten und Sprache ausschließlich für den Austausch von Gegenständen wie die Professoren bei Gullivers Besichtigung der Akademie von Lagado. Oder sich einen Abend lang gut unterhalten fühlen. Vielleicht schreibt man mal wieder einen Brief. Das geht auch per E-Mail. Ein Medium, das vermutlich auch Bettine von Arnim oder ein Werther heute benutzen würden.

Gut gegen Nordwind, um 20.15 Uhr im ZDF

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