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Thomas Müller im Fokus gegen Inter Mailand

In der 71. Spielminute rannte Thomas Müller plötzlich so schnell los, als hätte seine Mama daheim in Pähl gerade gerufen, dass die große Schüssel mit Salat für ihn fertig sei. Doch als er an diesem Dienstagabend im Stadion in München an der Außenlinie wieder stoppte, wartete dort natürlich nur sein Trainer.

Für das bisher wohl schwerste Spiel der Saison, das Hinspiel im Viertelfinale der Champions League gegen Inter Mailand, hatte Vincent Kompany den Spieler ersetzen müssen, der in seiner Mannschaft wohl am schwersten zu ersetzen ist: Jamal Musiala, der wegen eines Muskelbündelrisses mehrere Wochen ausfallen wird. Doch er hatte ihn an diesem Abend nicht mit Thomas Müller ersetzt, sondern mit Raphaël Guerreiro. Weil er glaubte, dass das offensiv, vor allem aber auch defensiv gegen die spielstarken Mittelfeldspieler aus Mailand die bessere Strategie wäre.

In dieser 71. Spielminute, in der Thomas Müller neben dem Spielfeld losrannte, weil er endlich eingewechselt werden sollte, rannte der FC Bayern München auf dem Spielfeld allerdings einem 0:1-Rückstand hinterher. Doch als die Menschen im Stadion dann aufstanden, weil sie Müller sahen, spürte man, dass die Energie sich änderte. Und dass dieser Wechsel die Geschichte dieses Abends werden würde.

Nein, Thomas Müller lässt sich nicht alles sagen

Seit dem vergangenen Samstag, als sowohl Müller als auch sein Verein mit Statements verkündet haben, dass der Vertrag des Spielers nicht nochmal verlängert wird, sind viele Geschichten erzählt worden. Die Geschichte mit der Meinungsverschiedenheit. Die Geschichte mit der Deutungshoheit. Und auch wieder die Geschichte mit dem Salat.

Auf der Streamingplattform Amazon Prime Video ist kürzlich der Dokumentarfilm „Thomas Müller – Einer wie keiner“ erschienen, der eine Szene aus dem Familienalltag der Müllers in Pähl festhält. Man sieht, wie Thomas im Haus seiner Eltern am Tisch sitzt und Salat isst. Er erzählt von einem Vorrundenspiel der Champions League und als seine kleine Salatschüssel leer ist, sticht er mit der Gabel in die große Schüssel, woraufhin seine Mutter ihn ermahnt („Halloooo!“) und dann mit mütterlicher Strenge in der Stimme fragt: „Darf ich dir noch Salat raustun?“ Darf sie dann nicht.

Nein, Thomas Müller lässt sich nicht alles sagen. Und er lässt sich auch nicht alles fragen.

Jubel: Thomas Müller erzielt den Ausgleich.
Jubel: Thomas Müller erzielt den Ausgleich.AP

Spät am Dienstagabend, als Thomas Müllers Einwechslung dann wirklich die Geschichte geworden war, stellte er sich noch auf dem Spielfeld dem ersten von vielen Interviews. Er hatte elf Minuten nach seiner Einwechslung das 1:1 geschossen. Doch als der Amazon-Reporter seine dritte Frage so emotional auflud, als er von dem Dokumentarfilm erzählte, von den Momenten, die nie wieder kommen würden, unterbrach Müller ihn und sagte: „Habe ich heute mein Abschiedsspiel oder habe ich Champions League, Viertelfinale, Hinspiel? Ich bin hier nicht auf einer Farewell-Tour. Ich bin gerade Sportler.“

Am Dienstagabend, an dem er – der Hinweis muss dennoch sein – sein letztes Champions-League-Spiel in München gespielt haben könnte, hat Thomas Müller daran erinnert, warum er für den FC Bayern wichtig war, wichtig ist und weiter wichtig sein kann. Er hat daran erinnert mit Taten. Aber auch mit Worten.

Das änderte sich auch dadurch nicht, dass seine Geschichte dann eigentlich nur drei Minuten gehalten hat.

„Ein Tor Unterschied, das ist gar nix, das ist eine Aktion“

Als Vincent Kompany sich für den Wechsel entschied, schickte er nicht nur Müller aufs Feld, sondern auch Serge Gnabry und Sacha Boey. Er entschied sich neben den beiden Stürmern deswegen für den Rechtsverteidiger Boey, weil der Innenverteidiger Minjae Kim schon in der 28. Minute mit einer Gelben Karte bestraft worden war.

Das führte zur mehreren Rotationen in der Abwehr: Der Rechtsverteidiger Konrad Laimer spielte danach als Linksverteidiger. Der Linksverteidiger Josip Stanišić spielte als Innenverteidiger. Und als Inter Mailand in der 88. Minute, nur drei Minuten nach dem 1:1, konterte, machte Boey einen entscheidenden Fehler: Er verließ seine Position, weil er den Konter stoppen wollte – doch er machte ihn dadurch erst gefährlich. Zwei Pässe später schoss Davide Frattesi den Ball ins Tor. 2:1.

Frust: Der FC Bayern verliert dennoch.
Frust: Der FC Bayern verliert dennoch.dpa

Als Müller später als letzter Spieler in die Interviewzone des Stadions kam und sagen sollte, mit welchen Gefühlen er aus dem Spiel gehe, antwortete er: „Mit einer gewissen Unzufriedenheit logischerweise und trotzdem mit einer Zuversicht, aus meiner Sicht auch logischerweise.“ Man konnte ihm kaum widersprechen. Die Bayern waren an diesem Abend nicht die schlechtere Mannschaft gewesen, sondern die ungeschicktere (unter anderem schoss Harry Kane den Ball in einer Situation an den Pfosten, in der er ihn sonst neun von zehn Mal ins Tor schießen würde).

Doch weil Ungenauigkeit sich verbessern lässt, dürfen die Bayern Hoffnung haben, auch wenn das Ergebnis gegen sie spricht. Oder wie Müller das alles sagte: „Ein Tor Unterschied, das ist gar nix, das ist eine Aktion.“

Und als es dann nicht mehr um das Spiel, sondern doch noch um die Verkündungen des vergangenen Samstages ging, moderierte er die Diskussionen, wie beim FC Bayern nur er sie moderieren kann. Ein Reporter wollte wissen, wie man seinen Torjubel – er hatte seinen Arm und seinen Finger ausgestreckt – denn deuten müsse und was ihm dabei durch den Kopf gegangen sei: „Es ist so, dass meine Finger und mein ganzer Körper in die verschiedensten Richtungen zeigen. Ich habe nicht die absolute Kontrolle. Und was mir durch den Kopf gegangen ist? Die Schilddrüse hat geackert wie blöd und hat irgendwas ausgeschüttet, ansonsten habe ich nicht viel nachgedacht.“

Ein anderer Reporter wollte wissen, wie er denn die vergangenen Wochen erlebt habe: „Wir schauen weniger zurück, sondern nach vorne, das war auch immer eine meiner Stärken und dementsprechend geht es volle Kraft voraus.“

Und wiederum ein anderer Reporter wollte wissen, wie frustrierend es für ihn gewesen sei, dass er es in diesem Spiel trotz der Verletzung von Jamal Musiala nicht in die Startformation geschafft habe: „Meine Rolle in der ganzen Saison war nicht so, dass der Kader um mich herum aufgebaut wurde, sondern: Ich habe immer versucht, die Mannschaft zu unterstützen, egal, mit wie vielen Minuten. Natürlich stehe ich immer auch für einen Startelfeinsatz zur Verfügung, das macht aber jeder Spieler bei uns gerne. Für mich ist wichtig, dass ich ausstrahle, dass es ums große Ganze geht. Man braucht auch Spieler, die reinkommen, die Spiele entscheiden.“

Und als dann auch Thomas Müller deutlich nach Mitternacht aus der Interviewzone und aus der Arena verschwand, durfte er sich sicher sein, dass über ihn mindestens bis zum Rückspiel in Mailand am kommenden Mittwoch vor allem wieder diskutiert werden wird, wie er sich das wünscht: als Sportler.

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