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#Ein letzter Drink kurz vor 23 Uhr

Ein letzter Drink kurz vor 23 Uhr

Drei Stunden vor Beginn der Sperrstunde wirkt der südwestliche Teil der Berger Straße im Frankfurter Nordend am Freitagabend wie ausgestorben. Kurz vor 20 Uhr scheint den Gastwirten auch noch das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. Glücklicherweise wird es ein nur kurzer, obzwar heftiger Niederschlag. Danach gehen die wenigen Passanten, die sich unter den Überdachungen der Geschäfte in Sicherheit gebracht hatten, wieder aus der Deckung.

Im „Tischlein Deck Dich“ an der Berger Straße 99 haben Matthias und seine Freundin Sanne, 54 und 46 Jahre alt, an einem Tisch in der Nähe der Bar Platz genommen. „Mich kotzt das alles an“, sagt er und bestellt eine Flasche Chardonnay. Bedient wird das Paar vom Chef persönlich. Man kennt sich, der Umgang ist freundschaftlich, es wird viel gelacht. Franco Carlucci betreibt das Restaurant schon seit einigen Jahren. Elf Menschen haben hier Arbeit gefunden und bisher nicht verloren. Aber der Lockdown hat Carlucci nach eigenen Angaben einen Umsatzrückgang in Höhe von knapp 60.000 Euro gebracht. Seitdem hat sich die Lage zwar wieder erholt, aber die Sperrstunde bereitet ihm Kopfschmerzen. „Das Infektionsrisiko ist im Restaurant nach 23 Uhr nicht höher als davor“, sagt Carlucci. „Aber es bleiben halt die aus, die nach dem Essen noch gerne was an der Bar bestellen.“

„Da müssen wir einfach durch“

Sanne und Matthias sind unterschiedlicher Auffassung über den Sinn der Sperrstunde. Dieser Einschnitt sei ein vertretbarer Mittelweg zwischen „Gesundheit für alle und Erhaltung der Wirtschaft“, sagt sie. Matthias sieht das etwas anders. „Für die Gastronomen ist das der Tod“, sagt der freischaffende Industriefotograf, der wegen Corona kaum noch Aufträge erhält. „Und was ändert die Sperrstunde an den Infektionszahlen?“

Vor der Sperrstunde: Eine Mitarbeiterin im Restaurant


Vor der Sperrstunde: Eine Mitarbeiterin im Restaurant „tischlein deck dich“ nimmt mit Maske Bestellungen auf.
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Bild: Lucas Bäuml

Vor dem „Tischlein Deck Dich“ ist die Berger Straße kurz vor 21 Uhr noch gut gefüllt. Ein Stück weiter an der Haltestelle Höhenstraße aber hat sich Frankfurts längste Einkaufsstraße schon geleert. Franziska ist 28 Jahre alt, studiert Soziale Arbeit an der Fachhochschule und bedient im „Irish Pub“ an der Ecke Gronauer und Berger Straße. Für sie ist die Sperrstunde eine „absolut vernünftige Entscheidung“. Immerhin hätten die Corona-Fallzahlen den kritischen Wert erreicht, und durch das frühere Schließen der Lokale werde die Ausbreitung des Virus möglicherweise gebremst.

Im Pub sitzen Mark und Connor, beide Masterstudenten der Immobilienwirtschaft. Angesprochen auf ihre Haltung zu Corona, sagt Mark in Anspielung auf die Verschwörungstheorien des Sängers Michael Wendler lachend: „Ich bin nicht Team Wendler.“ Connor erzählt von einer Bekannten, die als Krankenpflegerin arbeite. Sie habe eine 21 Jahre junge Patientin gepflegt, die wegen einer Covid-19-Erkrankung vier Wochen im Koma gelegen habe. Angesichts solcher Erfahrungen wirke die Sperrstunde vergleichsweise mild. „Natürlich juckt es mich schon, das Tanzbein zu schwingen, wenn ich das mal so pathetisch sagen darf. Aber da müssen wir einfach durch.“

Katherine ist Engländerin, 31 Jahre alt, Mutter einer fünfjährigen Tochter und arbeitet hauptberuflich in der First Class Lounge der Lufthansa. Weil dort Kurzarbeit eingeführt wurde, hat sie zusätzlich im „Irish Pub“ angeheuert. Ihr Mann ist auch in Kurzarbeit und passt auf die Kleine auf. Am wichtigsten sei es, dass das Infektionsgeschehen unter Kontrolle bleibe und der Gesundheitssektor nicht überfordert werde, sagt Katherine. Natürlich könne sie ihren Job verlieren. Dasselbe gelte auch für ihren Mann. Aber was solle man machen? „I feel okay“, sagt sie, dann muss sie zurück zu den Gästen. Am schlimmsten sei eigentlich, sagt sie beim Gehen, dass sie zu Weihnachten mit Mann und Kind nicht in London sein könne, wo die Eltern lebten.

Umsatzeinbuchen von 60 bis 70 Prozent

Ein Stück weiter, im Restaurant „Schöneberger“, arbeiteten nach Angaben von Betriebsleiter Gary vor dem Lockdown 45 Menschen. Jetzt seien es zehn weniger. „Für uns sind die Einschränkungen nicht gut“, sagt der Fünfzigjährige, „aber wir müssen zusammenhalten.“ Wenn es darum gehe, ein tödliches Virus zu besiegen, müssten alle Bürger mitmachen.

In der „Shisha-Bar“ an der unteren Berger Straße erklärt Betriebsleiter Adnan, dass der Umsatz am ersten Sperrstunden-Wochenende wahrscheinlich um 60 bis 70 Prozent zurückgehen werde. Ein Großteil seiner Kundschaft erscheine üblicherweise erst nach 23 Uhr. Normalerweise würden hier neun Angestellte ihren Dienst verrichten, an diesem Freitag und Samstag werden es nicht mehr als vier sein. „Wir sind hier auf der Berger Straße. Die Mieten sind nicht unbedingt die günstigsten.“

Es ist kurz vor 23 Uhr. Franco Carlucci bittet seine Gäste im „Tischlein Deck Dich“, das Lokal zu verlassen. Nicht alle sind damit einverstanden, manche murren. Reaktionen wie „Gar nicht toll“, „Eine Runde noch“ oder „Was soll man auch machen?“ sind zu hören. Am Ende fügen sich alle. Punkt 23 Uhr ist das Lokal leer. Nur einige der Angestellten stehen draußen vor dem Restaurant und trinken noch einen Absacker.

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