Ruhe am Puck und körperliche Präsenz

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Die kleine Fußgängerzone im dänischen Herning hat sich wieder mal herausgeputzt. Kaum ein Geschäft, kaum ein Restaurant, kaum eine Bar, die nicht geschmückt wäre: mit Fähnchen, Girlanden oder Schlägern. Am Freitag hat die 88. Eishockey-WM begonnen. In der schwedischen Hauptstadt Stockholm und eben in Herning, dem 50.000-Einwohner-Städchen im Herzen Dänemarks. Also sind die Kneipen nun voll. Hier sind die Dänen, dort Schweizer, ein Laden weiter die Tschechen, und überall: Bier. Es gibt auch eine Bar für die deutschen Fans. Über die halbe Hauswand hängt ein Plakat eines Sponsors, von dem Moritz Müller grüßt.
Müller ist seit Jahren das Gesicht der Eishockey-Nationalmannschaft. Aber jetzt in Dänemark fehlt der Kapitän. Der Kölner fällt verletzt aus. Weswegen Bundestrainer Harold Kreis sich auf die Suche nach einem neuen Mann begeben musste, der ab dem Auftaktspiel an diesem Samstag gegen Ungarn mit dem „C“ auf der Brust aufläuft. Und er hat dann einen gefunden, der für alle Beobachter die logische Wahl darstellt: Moritz Seider.
Mit seinen 24 Jahren ist er der jüngste deutsche WM-Kapitän seit mehr als einem halben Jahrhundert. Aber Seider hat wenig von einem gewöhnlichen 24-Jährigen. Stürmer Patrick Hager nennt ihn „ein Aushängeschild des deutschen Eishockeys“. Seider habe „mittlerweile auch so viel Erfahrung, drüben ist der Medienrummel um einiges größer, der ist absolut bereit, den Job zu übernehmen“.
Einer der besten Verteidiger der Welt
Drüben, damit meint Hager die Vereinigten Staaten, wo Seider bei den Detroit Red Wings in der Eliteliga NHL spielt. Auch dort gehört er zum Führungspersonal, verdient als Abwehrchef jährlich rund acht Millionen Euro. Auch weil er sich zu einem der besten Verteidiger der Welt entwickelt hat. Was sich schon angekündigt hatte, als Seider mit gerade mal 16 Jahren sein Debüt für die Adler Mannheim in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gab.
Schon damals wirkte er erwachsen. Allein körperlich mit seinen knapp 1,90 Metern, aber vor allem spielerisch: diese Ruhe am Puck, sein Mut, seine Technik, sein Spielverständnis, seine körperliche Präsenz, seine läuferische Klasse. Folglich gewann er eine Auszeichnung nach der anderen: bester Verteidiger der U-18-WM, Rookie (Neuling) des Jahres in der DEL, Verteidiger des Jahres in Schweden, bester Verteidiger der Männer-WM und gar Rookie des Jahres in der NHL.
Immer „eine klare Antwort“
Nun ist er bereits Kapitän der wichtigsten deutschen Eishockeymannschaft. „Große Ehre, große Herausforderung, große Fußstapfen“, sagt er selbst. Wobei sich nicht viel geändert habe. „Man versucht trotzdem einfach, seinen Stiefel durchzuziehen, hat sehr erfahrene Leute um sich herum. Da muss man jetzt nicht viel sagen oder vorneweg gehen.“ Das tut er natürlich dennoch, auf wie neben dem Eis. Von Seider bekomme man immer „eine klare Antwort“, sagt der Bundestrainer.
„Botschaften an die Mannschaft, Gedanken aus der Mannschaft – die trägt er gradlinig und verständlich vor.“ Was für Kreis gerade dieses Jahr noch mal wichtiger ist, da nicht nur Moritz Müller, sondern auch Berlins Meisterkapitän Kai Wissmann und NHL-Stürmer Nico Sturm fehlen. Aber die Lücke scheint Seider auszufüllen. Erst recht spielerisch, man darf davon ausgehen, dass er fast jeden zweiten Wechsel aufs Eis darf. In Über- wie Unterzahl und vor allem in den letzten Minuten, wenn ein Vorsprung verteidigt oder ein Rückstand aufgeholt werden muss.
Gegen Ungarn rechnet alles mit einer Führung. Auf dem Papier sind die Deutschen klar favorisiert. Auch am Sonntag gegen Kasachstan und am Dienstag gegen Norwegen. Erst danach kommen die dicken Brocken: die Schweiz, die USA, Tschechien, zum Abschluss der Gruppenphase Gastgeber Dänemark. Mindestens Vierter müssen die Deutschen werden, um das Viertelfinale zu erreichen. Umso wichtiger wäre ein Auftaktsieg. Und Seider fühlt sich wohl in der Favoritenrolle: „Da brauchen wir uns nicht zu verstecken, wir müssen einfach mit breiter Brust rausgehen.“ Den passenden Kapitän dafür haben sie.
Deutsche Vorrundenspiele:
Samstag, 10. Mai, 16.20 Uhr: Deutschland – Ungarn
Sonntag, 11. Mai, 16.20 Uhr: Deutschland – Kasachstan
Dienstag, 13. Mai, 16.20 Uhr: Deutschland – Norwegen
Donnerstag, 15. Mai, 16.20 Uhr: Deutschland – Schweiz
Samstag, 17. Mai, 12.20 Uhr: Deutschland – USA
Montag, 19. Mai, 16.20 Uhr: Deutschland – Tschechien
Dienstag, 20. Mai, 20.20 Uhr: Deutschland – Dänemark
Alle Spiele live bei Pro Sieben.
Prominente Verstärkung für das DEB-Team
Deutschland bekommt bei der Eishockey-WM mit Stürmerstar Tim Stützle die erhoffte NHL-Verstärkung. Am späten Freitag kam die Freigabe von den Stützles Team Ottawa Senators.
„Wir freuen uns natürlich, dass mit Tim ein Spieler von sehr hoher Qualität zu uns stößt“, sagte Bundestrainer Harold Kreis. „Er hat auch in der abgelaufenen NHL-Saison seine Stärken bewiesen.“
Der 23-Jährige wird der Mannschaft von Trainer Kreis gegen Ungarn und 24 Stunden später gegen Kasachstan noch fehlen. Stützle wird am Wochenende im dänischen Herning erwartet. Mit einem Einsatz ist am Dienstag gegen Norwegen oder zwei Tage später gegen die Schweiz zu rechnen. (dpa)
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