#Tragödie, Burleske, Schurkenstück
Inhaltsverzeichnis
Was ist denn das für eine Zeit? In der wir von Gaspreisbremsen und Wärmepumpen reden? In denen Wohnhäuser von Raketen zerstört werden und wir uns Geschichten von billigen Boys-Klubs erzählen? Wo leben wir hier? Was genau suchen wir?
Der Anfang ist immer am schwersten. Wenn alles schon einigermaßen läuft, wie dann einen Neubeginn wagen? Etwas anders machen, sich dem Gewohnten widersetzen? Es gibt ja so viele, die gelten im Rückblick als Revolutionäre, aber waren die das schon immer? Von Kindesbeinen an? Sicher nicht. Die mussten das Revoltieren auch erst lernen. Und vielleicht ist ja das Theater ein guter Ort dafür.
Da vorne, in Reihe elf, Platz neun, warum solltest du nicht dein Leben ein kleines bisschen ändern, weil oben auf der Bühne im richtigen Moment der richtige Satz fällt? Und wenn er nicht fallen will, der Satz, dann zumindest ein Wort, und wenn auch das nicht kommt, dann kommt vielleicht eine Geste oder Bewegung. Ein Körper im Raum auf der Suche nach Freiheit. Ein Seitenschritt, an dem man sich orientieren kann. Wie hier, zu Beginn: Da tanzt Fabian Hinrichs im Smoking in die leere Volksbühne hinein. Aus den Lautsprechern dröhnt laute Popmusik, und er tanzt und tanzt und tanzt und will einfach nicht aufhören. Denn das Lied fordert ja auch: „Let the music play / I just wanna dance the night away.“ Soll heißen: Nur wenn die Musik weiterspielt, können wir unser Unglück vergessen. Dass es dieses Unglück wirklich gibt, daran lässt Hinrichs keinen Zweifel, dafür tritt er zu heftig gegen den Eisernen Vorhang, dafür singt er zu entschlossen Schuberts Loblied auf die Kunst als einzige Lebensretterin, die es vermag, uns „in eine bessre Welt“ zu entrücken. Ja, es läuft etwas gewaltig schief in diesem Leben. In dieser Zeit. An diesem Abend.
Ganz im Sinne seines königlichen Idols
Eigentlich sollte auch Benny Claessens auf der Bühne stehen. Eigentlich sollte der unberechenbare Volldampfdarsteller den König Sardanapal spielen, um den sich das angekündigte Stück von Lord Byron dreht. Jenen letzten assyrischen Herrscher, der lieber lustmolchendes Spielkind sein will als machtgieriger Herrscher. Dessen Gedanken sich um Lampions und Blumenkränze statt um Schlachtpläne drehen. Aber offenbar war Claessens zu dieser Gedankenfreiheit am Ende nicht mehr bereit. Wie die „Berliner Zeitung“ am Premierenmorgen berichtete, soll es bei einer der letzten Hauptproben zu einem „Eklat“ zwischen Hinrichs und Claessens gekommen sein. Eine Auseinandersetzung, die offenbar so schwer wog, dass der belgische Schaulaufspieler, dem Hinrichs für seine Darstellungskunst 2018 immerhin den Alfred-Kerr-Preis verliehen hatte, aus der Produktion ausstieg und auf seinem Instagram-Profil ätzte: „Mit dummen Menschen zu streiten, ist wie mit einer Taube Schach zu spielen.“
„Und jetzt?“ So hieß die letzte Produktion von Intendant René Pollesch, Hinrichs entscheidendem Kreativ-Kompagnon. Dieses Mal wollte er es auf eigene Faust versuchen. Im November 2019 hatte Hinrichs im Feuilleton dieser Zeitung mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Wiederentdeckung von Byrons 1834 uraufgeführtem „Sardanapal“ geworben. Damals schrieb er: „Während ‚Nathan der Weise‘ und überhaupt Lessing im Allgemeinen ruhig eine Zeit lang auf der Ersatzbank der Theater-Nationalmannschaft Platz nehmen könnten, verdient die mühelose, frecherweise als Tragödie bezeichnete und Goethe gewidmete, doch peinlicherweise vergessene Melange aus Tragödie, Burleske und Melodram namens „Sardanapal“ eine strahlende Wiedergeburt.“
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