Wissenschaft

#Treibhausgas-Fresser für die Landwirtschaft

Forschende haben das Potenzial winziger Helfer im Kampf gegen ein großes Klimaproblem aufgezeigt: Der Einsatz von Lachgas-abbauenden Bakterien könnte demnach die Emissionen dieses starken Treibhausgases aus der Landwirtschaft deutlich einschränken. Dies geht aus Freilandversuchen mit Suspensionen der Mikroben hervor, bei denen je nach Bodenart bis zu 95 Prozent verringerte Freisetzung erreicht wurde. Als Zusatz zu Düngemitteln könnten die Bakterien den Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel somit erheblich verringern, sagen die Forschenden.

Nach dem Kohlendioxid und dem Methan gilt es als die drittwichtigste Verbindung, die den Klimawandel anheizt: Das Lachgas genannte Distickstoffmonoxid (N2O) fängt Wärmestrahlung besonders effektiv ein und entfaltet in der Atmosphäre dadurch eine 300-mal stärkere Treibhauswirkung als CO₂. Der Mensch hat durch verschiedene Faktoren für eine starke Zunahme der N2O-Konzentrationen in der Luft gesorgt. Den größten Beitrag leistet dabei bekanntermaßen die Landwirtschaft. Die Ursache dafür ist der intensive Einsatz von Stickstoffdünger zur Steigerung der pflanzlichen Produktionsleistung. Denn im Rahmen des Abbaus dieser Substanzen zu Nitrat (Nitrifikation) bilden bestimmte Bakterienarten im Boden das Lachgas, das dann in die Atmosphäre gelangen kann.

Wie lassen sich die Lachgasemissionen einschränken?

Bereits seit einiger Zeit loten Wissenschaftler Möglichkeiten aus, die Lachgas-Freisetzung aus der Nitrifikation in gedüngten Böden einzuschränken. Das Team um Elisabeth Hiis von der Norwegischen Universität für Lebenswissenschaften in Slemmestad hat sich dabei nun dem Potenzial von speziellen Bodenbakterien gewidmet, die im Gegensatz zu ihren Verwandten kein Lachgas herstellen, sondern es für ihren Stoffwechsel nutzen. Sie verwandeln es dabei durch ein Enzym namens N2O-Reduktase in unproblematisches Stickstoffgas (N2).

In früheren Untersuchungen konnten sie bereits einen Bakterienstamm identifizieren, der die drei wichtigsten Voraussetzungen für den Einsatz zur Einschränkung der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft erfüllt: Das Cloacibacterium CB-01 besitzt die Fähigkeit zum N2O-Abbau, lässt sich in hohen Zelldichten züchten und kann sich in landwirtschaftlichen Böden dauerhaft etablieren, legten die bisherigen Ergebnisse nahe.
Nun hat das Forschungsteam durch Feldversuche ausgelotet, inwieweit diese Mikroben tatsächlich für N2O-Reduktionen im Anbau sorgen könnten. Sie züchteten die CB-01-Bakterien dazu auf einem Gemisch aus organischen Abfällen bis zu einer hohen Zelldichte. Suspensionen dieses Düngestickstoff-haltigen Materials setzten sie dann in einer Konzentration von neun Litern pro Quadratmeter auf landwirtschaftlichen Versuchsflächen mit unterschiedlichen Bodenmerkmalen ein. Als Kontrolle verwendeten die Forschenden auf einigen Parzellen eine Suspension, in der sie die Bakterien durch eine Hitzebehandlung abgetötet hatten.

Lachgas erfolgreich weggefressen

Wie das Team berichtet, ergaben die Messungen der Lachgasemissionen: Nach der Ausbringung der CB-01-Mischung wurden die anfänglichen Spitzenwerte der N2O-Freisetzung, die durch die Düngung ausgelöst wurden, nahezu eliminiert. Diese Wirkung hielt auch monatelang an. Denn wie die Bodenuntersuchungen zeigten, konnten sich die Bakterien langfristig im Boden etablieren und dadurch das durch andere Mikroben gebildete Lachgas erfolgreich einfangen. Unterm Strich zeigte sich, dass das Verfahren abhängig vom Bodentyp eine Verringerung der N2O-Emissionen um 50 bis zu 95 Prozent bewirken kann, resümiert das Team.

Auf der Grundlage ihrer Ergebnisse erstellten die Forschenden anschließend Modellberechnungen, um das Einsparungspotenzial im Fall der Europäischen Union einzuschätzen. Dies ergab: Wenn das Verfahren der bakteriellen Ergänzung auf alle Arten von mineralischen und natürlichen Düngemitteln ausgeweitet werden könnte, erscheint eine Reduktion der N2O-Emissionen um bis zu 20 Prozent in der europäischen Landwirtschaft möglich. Da es sich um ein relativ unkompliziertes und preisgünstiges Verfahren handelt, sehen die Autoren somit nun erhebliches Einsatzpotenzial: „Es handelt sich um eine kosteneffiziente Möglichkeit zur Reduzierung der N2O-Emissionen, für die es derzeit keine anderen Minderungsoptionen gibt“, schreiben Hiis und ihre Kollegen.

Wie sie abschließend betonen, handelt es sich bei ihrer Studie bisher allerdings erst um einen grundsätzlichen Nachweis der Machbarkeit und Wirksamkeit. Nun ist weitere Entwicklungsarbeit angesagt: Die Wissenschaftler werden sich jetzt der Optimierung des Konzepts und der praktischen Anwendungsformen widmen. Außerdem wollen sie nach weiteren bakteriellen Lachgas-Fressern suchen, die sich für den Einsatz in speziellen Böden und unter verschiedenen Stressbedingungen besonders eigenen könnten.

Quelle: Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07464-3

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