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#Trotzdem Tokio

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Trotzdem Tokio

Wenn die Bahnradfahrerin Kristina Vogel am Morgen des 26. Junis 2018 gefragt worden wäre, was sie sich von den 29. Olympischen Sommerspielen in Tokio erwartet, hätte sie geantwortet: ein- oder zweimal im Izu Velodrome auf dem Treppchen stehen, gern auch ganz oben. Aber das Leben nimmt mitunter Wendungen, die von jetzt auf eben alles verändern. Seit dem Nachmittag des 26. Junis 2018 hat Kristina Vogel auf keinem Rennrad mehr gesessen und wird es auch nie wieder. Auf der Cottbuser Radrennbahn raste die Erfurterin mit 60 Stundenkilometern in einen Nachwuchsfahrer, der dort gegen die Regeln einen sogenannten stehenden Start trainierte. Der Niederländer trug nur leichte Blessuren davon. Vogel war kurz bewusstlos. Als sie zu sich kam, wusste sie sofort, dass sie heftig verletzt sein musste. Sie sah, dass einer ihrer Trainingskameraden ihre Schuhe in der Hand hielt. Da sie das Ausziehen jedoch nicht gespürt hatte, sagte sie sofort: „Ich kann nicht mehr laufen.“ Alle um sie herum wiegelten ab, doch sie sollte recht behalten. Seit gut drei Jahren ist Vogel vom sechsten Brustwirbel abwärts gelähmt und sitzt im Rollstuhl.

Eva Schläfer

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

In Tokio ist sie nun trotzdem dabei; am Mittwoch landete sie in Begleitung ihrer Schwester in der Millionenmetropole. Ab dem 2. August wird sie eine Woche lang jeden Tag als Ko-Kommentatorin für das ZDF im Einsatz sein. „Leben in der Lage“, nennt das die 30-Jährige, oder anders ausgedrückt: „Das Leben kann hart zuschlagen, aber es kommt darauf an, was man daraus macht.“

Auch ohne Sattel ins Ziel

Vier Tage vor ihrem Abflug hat die ehemalige Hochleistungssportlerin knapp bemessene Zeit für ein Treffen. Wo? Natürlich auf der Erfurter Radrennbahn Andreasried. Berührungsängste mit der Sportart, die ihr ihre dunkelsten Stunden bescherte, in der sie aber auch viele große Erfolge feierte, hat Vogel keine. Sie holte elf Weltmeistertitel und wurde zweimal Olympiasiegerin, 2012 im Teamsprint mit Miriam Welte, 2016 im Einzelsprint. Dieser Erfolg blieb auch vielen Bahnrad-Laien im Gedächtnis, da Vogel kurz vor der Ziellinie durch unbändigen Körpereinsatz ihren Sattel verlor.

Trotz dem Schock nach ihrer lebensverändernden Verletzung hat sie keine Vorbehalte gegen den Bahnradsport. Die guten Erinnerungen an ihre Erfolge helfen dabei.


Trotz dem Schock nach ihrer lebensverändernden Verletzung hat sie keine Vorbehalte gegen den Bahnradsport. Die guten Erinnerungen an ihre Erfolge helfen dabei.
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Bild: dpa

An diesem sonnigen Abend in Erfurt findet das erste Steherrennen der Saison statt. Diese Bahnrad-Ausdauerdisziplin hat Tradition in der Landeshauptstadt. Eine Stunde vor Rennbeginn stoppt ein sportliches Auto mit mehreren Sponsorenlogos hinter dem Trainings- und Umkleidegebäude. Vom Beifahrersitz hebt sich Kristina Vogel in ihren Rollstuhl aus Carbon. Sie kommt aus Berlin, eine Strecke, die ihr Auto schon fast selbstständig fahren dürfte. An der Bundespolizeisportschule in Kienbaum, 60 Kilometer östlich der Bundeshauptstadt, betreut sie nun im zweiten Jahr als Trainerin vorrangig in den Herbst- und Wintermonaten die Athleten, die sich für eine Ausbildung und anschließende Tätigkeit als Bundespolizeibeamte entschieden haben und blockweise an der Schule lernen und trainieren.

Auch nach der Entlassung aus dem Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn sechs Monate nach dem Unfall hatte sie in Kienbaum bereits viel Zeit verbracht, ein behindertengerechtes Apartment bezogen, um zweimal in der Woche zur halbtäglichen ambulanten Reha ins Unfallkrankenhaus zu fahren. Sie und ihr Lebensgefährte Michael Seidenbecher, ebenfalls ehemaliger Bahnradsportler und Bundespolizist, bauen sich dort gerade einen Nebenwohnsitz, um die Pendelei zu reduzieren. Bis zu 9000 Kilometer ist Vogel in manchen Wochen auf der Autobahn unterwegs. In Erfurt zog das Paar nicht lange vor dem Unfall in ein eigenes Haus am Stadtrand.

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