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#Im Fegefeuer des Zuckers

Im Fegefeuer des Zuckers

Im September 1646 wechselte João Mina die Seiten. Wie João ur­sprünglich hieß, wissen wir nicht. Sein Nachname zeigt an, dass er einst in Elmina, einem Zentrum des Sklavenhandels im heutigen Ghana, verkauft worden war, um auf eine portugiesische Plantage in Brasilien verschleppt zu werden. Von dort floh er auf holländisches Territorium, wo er ausgiebig verhört wurde. Das Protokoll dieser Befragung vom 4. Oktober 1646 hat sich in den Akten der niederländischen Westindien-Kompanie erhalten. Es ist darin vor allem von militärischen Dingen und Handelsfragen die Rede, denn Portugiesen und Holländer waren erbitterte Rivalen. Das Friedensabkommen, das sie 1641 geschlossen hatten, war in den Kolonien mehr als brüchig: Man führte eine Art Guerillakrieg gegeneinander. Es ging vor allem um Zucker, das süße Gold.

Aus welchen Gründen João die lebensgefährliche Flucht gewagt hatte, in welcher Sprache er auf die Fragen antwortete, die man ihm stellte, wer die Befragung durchführte, all dies verrät das Protokoll vom 4. Oktober 1646 nicht. Und doch wissen wir über João mehr als über die meisten seiner Leidensgefährten. Wenn Sklaven Spuren hinterlassen, dann tun sie es in den seltensten Fällen als menschliche Wesen, sondern in der Regel als die Sache, zu der sie gemacht wurden: als Eintrag in einer Inventarliste. Für den portugiesischen Plantagenbesitzer Gabriel Castanio war João Mina Teil seiner Besitztümer, für seine holländischen Be­fra­ger war er ein Informant. Als Mensch galt er den einen so wenig wie den anderen.

João Minas spätere Spuren verlieren sich. Was aus ihm wurde, als die Niederländer 1654 Brasilien verließen und ihre Geschäfte auf Surinam konzentrierten, ist nicht überliefert. Seine kurze Ge­schich­te stellt eines von zehn Kapiteln dar, mit denen das Amsterdamer Rijksmuseum seine jüngste Ausstellung ge­glie­dert hat. Ihr Titel: „Sklaverei“. Ihr Verfahren: anhand von zehn Personen die Geschichte der Sklaverei in den Niederlanden zu erzählen. Ihr Anspruch: ein Land wachzurütteln.

Ausstellung von König Willem-Alexander eröffnet

Kann eine Museumsausstellung ein nationales Tabu brechen? Die Frage stellt sich nicht oft, aber in diesem Fall hat sie ihre Berechtigung: Mit dieser Schau stellt das niederländische Nationalmuseum das Selbstverständnis des Landes auf die Probe. Denn dass die Sklaverei „ein wesentlicher Bestandteil unserer Geschichte“ sei, wie Taco Dibbits, der Generaldirektor des Rijskmuseums, bei der Eröffnung erklärte, sehen nicht alle Niederländer so. Die etwa 250 Jahre dauernde Epoche, in der die Niederlande eine bedeutende Kolonialmacht waren und die Sklaverei wesentlich zum Wohlstand des Landes beitrug, wird im öffentlichen Bewusstsein nicht ausgeblendet, aber längst nicht von allen als problematisch empfunden. Bislang reichte wohl oft schon ein Schulterzucken aus, um sie abzutun.

Das könnte sich jetzt ändern. Das Rijksmuseum ist ein Nationalschrein mit Deutungsmacht. Die Kuratoren haben ih­re Ausstellung als „bahnbrechend“ angekündigt, und natürlich steckt Wunschdenken hinter der Formulierung. Aber dass König Willem-Alexander die Ausstellung eröffnet hat, lässt erkennen, dass sie mit dieser Hoffnung nicht allein sein dürften. Damit sie sich erfüllt, hat das Haus viel investiert: Vier Jahre nahmen die Vorbereitungen in Anspruch, es wurden neue Stellen geschaffen, zum vierköpfigen Kuratorinnenteam gehören Ex­pertinnen auf dem Gebiet der Kolonialgeschichte. Die Objekte, die sie versammelt haben, gehören alle auf die eine oder andere Weise zu den zehn Geschichten, die hier erzählt werden: von den Plantagenglocken am Eingang über Por­träts, Landschaftsansichten, Kirchenregister und Kaufverträge bis zu Erntewerkzeugen, den einfachen Instrumenten, mit denen Plantagensklaven Musik machten, und dem schweren Fußfesselbalken aus Eichenholz, an den sie gekettet wurden.

Fußfesselbalken, wie er auf  Plantagen und in Zuckerrohrmühlen verwendet wurde, zwischen 1600 und 1800.



Bilderstrecke



Rjiksmuseum Amsterdam
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Ausstellung zur Sklaverei

Vor allem Recherchearbeiten waren zu bewältigen, in externen Archiven, aber auch in den eigenen Beständen, die mit einer ganz neuen Fragestellung durchforstet wurden: Welche Objekte stehen in einer bislang meist schlicht ignorierten Beziehung zur Sklaverei, und welche Ge­schichte können sie erzählen? Die Ausbeute war so groß, dass neben der aktuellen Ausstellung mehr als siebzig Objekte, die in der Dauerausstellung des Hauses verblieben sind, mit einer zweiten Informationstafel versehen wurden, auf der eine bislang „unsichtbare Beziehung“ sichtbar gemacht wird: der Bezug des Gegenstandes zur Sklaverei.

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