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#Über den Kosmos im Kopf kann man nie genug wissen

„Über den Kosmos im Kopf kann man nie genug wissen“

Wo immer in den vergangenen drei Jahrzehnten die Schriften und Wortbeiträge des Hirnforschers Wolf Singer verhandelt werden, kann man eine der faszinierendsten Eigenheiten unseres Kulturbetriebs präzise studieren: Singers Überlegungen wecken den Widerspruchsgeist, der in jedem gebildeten und deshalb meist aufgeklärten Kopf angelegt ist. Fast regelhaft prallen da Vorstellungswelten und Denkstile aufeinander, zum Nutzen aller.

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Singer kann gar nicht anders, als sich in solchen Auseinandersetzungen wohlzufühlen, denn er ist selbst Kulturmensch durch und durch. Und er ist fasziniert von Regeln – vor allem von den Regeln nämlich, nach denen unser Gehirn, den Naturgesetzen folgend, unsere „selbst gemachte Welt im Kopf“ entstehen lässt und ordnet. Seine naturwissenschaftlichen Artgenossen, um es, Singers naturalistischem Impuls folgend, so zu nennen, sehen in ihm einen der vielleicht mutigsten, weil öffentlichkeitswirksamsten und wortgewaltigsten Streiter, auf jeden Fall aber einen der philosophisch anspruchsvollsten lebenswissenschaftlichen Grundlagenforscher. Einen Wegbereiter hinauf auf die Brücke der „dritten Kultur“.

Im barocken bayrischen Idiom

Für das Gros der anspruchsvollen Geistes- und Sozialwissenschaftler jedoch ist genau das natürlich die Provokation: ein philosophierender Hirnforscher. Einer, der aus seinem Labor heraus eine Art Kopftuchstreit mit heraufbeschworen hat, indem er den freien Willen des Menschen und damit die Kategorien von Schuld und Verantwortung hinterfragt hat, was wiederum der Konstruktion einer für viele undenkbaren Verankerung des Geistes allein im Körper gleichkäme – dieses neurobiologisch fundierte Menschenbild erweist sich dann doch allen empirischen Befunden der Hirnforschung zum Trotz als schwer vermittelbar in diesem Kulturkreis.

Selbst Singers durchaus konsensfähige Aussage, Gott werde schon nicht würfeln, und deshalb könne das Gehirn nur eines, nämlich prozesshaft den festen Regeln der evolutionär begründbaren Neurophysiologie folgen, hat diesen Streit um den Ursprung von Gedanken und Gefühlen nicht aufgelöst. Indem Singer diese und andere Debatten um die Beschaffenheit unseres Geistes in die Gesellschaft trägt, vermittelt in einem – wie er gerne einräumt – „barocken bayrischen Idiom“, leistet der in München gebürtige Neurophysiologe nicht nur seiner Wissenschaft unschätzbare Dienste. Seine Selbsterfahrungsbücher mit Matthieu Ricard etwa zum meditierenden Hirn boten auch weit darüber hinaus wertvolle Denkanstöße.

Bis heute ist Singer daran gelegen, seine eigene Lebenswelt schöpferisch zu erweitern. Als Frankfurter Kulturbürger verpasst er kaum etwas in den Museen und Theatern der Stadt. Eine ganze Reihe der zu Weltruf gekommenen Institute in seiner Wahlheimat ist nur dank seiner unstillbaren Lust an der Selbsterforschung entstanden. Die meiste Zeit verbringt er auch heute noch dort. Immer noch ist er unterwegs als Empiriker im Labor, sucht der in München und Sussex ausgebildete und in der Max-Planck-Gesellschaft aufgestiegene Hirnforscher nach den Gründen unseres atemberaubenden kognitiven Vermögens. Heute wird Wolf Singer achtzig Jahre alt.

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