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#Über Jahrmillionen hinweg optimiert

Über Jahrmillionen hinweg optimiert

„Flugtechnische“ Weiterentwicklung über 150 Millionen Jahre hinweg: Im Laufe ihrer langen Herrschaft über die Luft, wurde der Energieverbrauch der Pterosaurier immer geringer, zeigen Modellrechnungen. Nur die Gruppe der Rekord-Riesen unter den Urzeit-Fliegern bildete dabei eine interessante Ausnahme, berichten die Forscher.

Die Erfolgskarriere der Pterosaurier begann vor etwa 245 Millionen Jahren im Erdzeitalter Trias. Es handelte sich nicht um Vertreter der Dinosaurier, denn die Entwicklungslinien beider Gruppen hatten sich damals bereits getrennt. Die Flugsaurier waren die ersten fliegenden Wirbeltiere der Evolutionsgeschichte. Sie gingen aus zweibeinigen Landtieren hervor, die schließlich an ihren Vordergliedmaßen Strukturen aus dünnen Häuten entwickelten, die ein Abheben ermöglichten. Das Konzept war ein durchschlagender Erfolg – die Pterosaurier avancierten zu den Herrschern des Himmels: Im Laufe der folgenden etwa 150 Millionen Jahre brachten sie viele Arten und Untergruppen hervor, die sich ähnlich wie die heutigen Vögel an verschiedene Lebensweisen anpassten.

Der Energieeffizienz auf der Spur

„Einige waren nur so groß wie Spatzen, andere erreichten hingegen die Spannweite eines Leichtflugzeugs“, sagt Chris Venditti von der University of Reading. Die Flugsaurier starben auch nicht etwa aus, weil sie „veraltete Modelle“ waren: Erst das Inferno am Ende der Kreidezeit fegte sie vor etwa 66 Millionen Jahren gewaltsam von der Bühne der Evolution. Über die beeindruckenden Flugfähigkeiten der Pterosaurier ist mittlerweile einiges bekannt, doch zu ihrer Entwicklungsgeschichte gibt es noch viele offene Fragen. „So ist etwa unklar, ob und wie sich ihre Konzepte im Verlauf der Evolution weiterentwickelt haben. Bisher galt es generell als schwierig nachzuvollziehen, inwieweit bestimmte Fähigkeiten von Lebewesen im Verlauf ihrer Entwicklungsgeschichte effizienter wurden“, sagt Venditti.

Im Rahmen der Studie legten er und seine Kollegen den Fokus auf die Untersuchung des Energieverbrauchs bei der Fortbewegung in der Luft. Um den Veränderungen dieser Flugeffizienz bei den Pterosauriern auf die Spur zu kommen, entwickelten sie unter Verwendung von Daten heutiger Vögel ein biophysikalisches Modell zum Energieverbrauch des ans Fliegen angepassten Körperbaus. Sie erfassten zudem bei zahlreichen Fossilien aus der Entwicklungslinie der Flugsaurier die Flügelspannweiten und Körpergrößen. Ihre biophysikalischen Modellberechnungen wendeten sie dann schließlich auf 75 Pterosaurierarten an. „Unsere Methode hat es uns ermöglicht, die langfristige Evolution auf völlig neue Weise zu untersuchen, indem wir die Lebewesen in verschiedenen Stadien ihrer evolutionären Abfolge über viele Millionen Jahre hinweg verglichen haben“, sagt Venditti.

Immer ausgefeilter

Wie die Forscher berichten, zeichnete sich ab: Am Anfang der Entwicklungsgeschichte des ans Fliegen angepassten Körperbaus gab es offenbar noch deutliches Optimierungspotenzial. Dies nutzten die Tiere offenbar auch aus: Durch die natürliche Auslese steigerte sich die Flugeffizienz bis zum Aussterben der Pterosaurier immer mehr. So avancierten sie von eher ineffektiven Fliegern, die nur kurze Strecken zurücklegen konnten, zu eleganten Luftakrobaten, die über längere Zeiträume und weite Strecken fliegen konnten. Es zeigte sich zudem, dass diese Entwicklung auf kontinuierlichen Verbesserungen über einen langen Zeitraum hinweg basierte und nicht auf plötzlichen evolutionären Schritten, wie zuvor vermutet wurde. Aus den Modellen geht unterm Strich hervor, dass die Pterosaurier ihre Körperform und -größe so anpassten, dass sie am Ende ihrer 150 Millionen Jahre dauernden Entwicklungsgeschichte durchschnittlich etwa 50 Prozent weniger Energie verbrauchten als am Anfang.

Wie Venditti und seine Kollegen weiter berichten, gab es allerdings eine Gruppe unter den Pterosauriern, für die die Regel nicht galt: Bei den Vertretern der Azhdarchoidea zeichneten sich keine stetigen Verbesserungen für mehr fliegerische Energieeffizienz ab. Diese Pterosauriergruppe der Kreidezeit hat die größten Wesen hervorgebracht, die sich jemals in die Luft erhoben haben: Der berühmte Quetzalcoatlus war ähnlich groß wie eine Giraffe und besaß eine Flügelspannweite von über zehn Metern. Wie die Forscher erklären, passen ihre Ergebnisse nun zu bisherigen Annahmen über die Lebensweise der Azhdarchoidea: „Es handelt sich um weitere Hinweise darauf, dass diese Tiere, obwohl sie durchaus versierte Flieger waren, wahrscheinlich einen Großteil ihrer Zeit am Boden verbrachten. Deshalb boten ihnen Anpassungen für eine immer effizientere Fluganatomie wahrscheinlich keine so großen Vorteile wie anderen Pterosauriern“, sagt Co-Autorin Joanna Baker von der University of Reading.

Neben den konkreten Ergebnissen sehen die Wissenschaftler die Bedeutung ihrer Studie nun auch in der Verdeutlichung des Potenzials ihres Forschungsansatzes. „Bis vor kurzem konnten Paläontologen eher nur die Anatomie der Lebewesen anhand ihrer Fossilien beschreiben und daraus Funktionen ableiten. Jetzt sind wir in der Lage, die funktionale Effizienz ausgestorbener Tiere zu berechnen und sie über die Evolutionsgeschichte hinweg zu vergleichen, um zu sehen, wie sie sich veränderte“, sagt Co-Autor Mike Benton von der University of Bristol. Sein Kollege Stuart Humphries von der University of Lincoln ergänzt dazu abschließend: „Eines der wenigen Dinge, die sich in den letzten 300 Millionen Jahren nicht verändert haben, sind die Gesetze der Physik. Es war faszinierend, diese Gesetze nutzen zu können, um die Evolution des Fluges bei diesen erstaunlichen Tieren zu verstehen“, so der Biophysiker.

Quelle: University of Reading, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2858-8

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