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#Kommerzielles Rep? Ohne mich!

Kommerzielles Rep? Ohne mich!

Ich habe mich zu dem radikalen Schritt entschieden, die letzten Semester meines Studiums an der Uni zu studieren. Wenn Sie das für selbstverständlich halten, dann sind Sie wahrscheinlich keine Jurastudentin. Denn durchschnittlich werden sich 90 Prozent meiner Mitstudierenden nach diesem Semester – dem sechsten, zumindest üblicherweise – anders entscheiden und jedwede Univeranstaltung nicht mehr oder nur noch sporadisch besuchen. Und das obwohl die Regelstudienzeit für uns bei zehn Semestern liegt. Statt zur Uni zu gehen (oder in die Onlineveranstaltungen der Uni) werden sie andere Leute dafür bezahlen, ihnen den Stoff der nächsten Semester beizubringen. Denn sie – und ich – starten ab Oktober ins Repetitorium.

Das Repetitorium, kurz Rep, ist so eine Eigenheit des Jurastudiums. Bachelor- und Masterstudierende lernen in den ersten Jahren den Grundstoff, um sich dann kontinuierlich zu spezialisieren. Jurastudierende lernen in den ersten vier bis fünf Semestern den gesamten Stoff fürs Staatsexsamen, machen dann ein Schwerpunktstudium, um ab Jahr vier im Rep einfach nochmal zu wiederholen, was in den ersten Jahren dran war. Der Stoff für das erste Staatsexsamen ist so umfangreich, dass zur Wiederholung regulär zwei bis drei Semester vorgesehen sind. Viele brauchen noch länger.

Der Angstgegner

Das Staatsexsamen ist natürlich der Angstgegner des Studiums. Der Löwenanteil der Endnote ergibt sich daraus, die Prüfungen sind lang, schwer und viele. In der deutschen Juristerei ist die Endnote alles entscheidend für spätere Berufschancen, andere Qualifikationen werden vernachlässigt. Und so hat sich aus dem Streben nach der bestmöglichen Note ein ganz eigener Wirtschaftszweig entwickelt: Das kommerzielle Repetitorium. Die kommerziellen Reps werden zumeist von großen, deutschlandweit agierenden Unternehmen angeboten. Die entwerfen den Lehrplan, stellen Übungsmaterial zur Verfügung und geben mehrmals wöchentlich Kurse zur Examensvorbereitung. Die Kosten belaufen sich dabei auf etwa 1500 bis 2000 Euro für ein Jahr.

Währenddessen bieten fast alle deutschen Universitäten ein eigenes Repetitorium an. Auch hier wird Material zur Verfügung gestellt und der gesamte Stoff in Rep-Veranstaltungen wiederholt, jede Woche können Probeklausuren geschrieben werden. Der organisatorische Aufwand ist für die Studierenden meist höher, die wenigsten besuchen alle Einheiten des Uni-Reps. Dennoch: Warum entscheiden sich neun von zehn Studis für das teure Rep beim privaten Anbieter statt fürs Uni-Rep, das sie schon mit dem Semesterbetrag bezahlt haben? Haben Jurastudierende einfach Geld übrig?

Ein übliches Argument für die kommerziellen Reps ist, dass die Unis nicht zielgenau vorbereiten würden. Statt nur relevantem Stoff fürs Staatsexsamen, bekäme man auch noch alle möglichen unwesentlichen Infos. Von Studis im Uni-Rep habe ich mir sagen lassen: Kommt immer auf den Kurs an. Wenn ich mit der Art meines Repetitors nicht klarkomme, ist das Pech. Das gilt aber auch fürs kommerzielle Rep.

Konkurrenz ist wohl einer der Hauptgründe

Ich denke, die Hauptgründe, warum sich die große Mehrheit für die kommerziellen Reps entscheidet, sind Konkurrenz und Versagensangst. Viele Studierende haben das Gefühl, sie könnten ihre Traumnote verpassen, wenn sie nicht ins kommerzielle Rep gehen. Gerade weil die anderen auch fürs Rep bezahlen, wollen sie sich keinen irgendwie gearteten Vorteil entgehen lassen. Das ist völlig verständlich und geht aus dem konkurrenzgeprägten System des Studiums hervor. Es kann auch überfordernd scheinen, plötzlich für die Erstellung von Lehrplänen und die Organisation von Lerngruppen und Wiederholungseinheiten selbst verantwortlich zu sein.

Dennoch: Private Repetitorien haben auch nicht mehr Informationen als die Uni-Reps. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht darin, wie, wo und bei wem wir unsere Kurse absolvieren. Stattdessen gilt leider: Einfach lernen, denn viel hilft viel! Die Hauptverantwortung für die Examensvorbereitung kann uns niemand abnehmen. Es gibt auch Studis, die nie eine einzige Rep-Veranstaltung besuchen – weder privat noch an der Uni – und dennoch Prädikatsexsamen schreiben. Die absolvieren den Stoff dann in einer Lerngruppe oder alleine in der Bibliothek.

Wer sich mit einem kommerziellen Rep sicherer fühlt, soll das natürlich machen. Wenn ich in acht Monaten feststelle, dass ich gar nichts auf die Reihe bekomme, denke ich bestimmt auch nochmal darüber nach. Zudem variiert die Qualität der Uni-Reps durchaus. Trotzdem scheint mir der Erfolg der privaten Reps wie eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Nach dem Motto: Weil alle anderen es machen, mache ich es auch. Und weil 90 Prozent der Studierenden ihr Examen mit kommerziellem Rep vorbereiten, ist die Erfolgsquote natürlich entsprechend hoch. Dabei gibt es keine belegbaren Zahlen, die einen Zusammenhang zwischen privatem Rep und besserer Examensnote nahelegen. Ich bin jedenfalls recht zuversichtlich, dass ich mein Examen auch so schaffen kann. Oder wenigstens nicht am Rep, sondern an meiner eigenen Faulheit scheiten werde.

Lina Kujak (22 Jahre alt) studiert Jura im sechsten Semester an der HU Berlin. Beziehungsstatus zum Studienfach: „It’s complicated.“ Wüsste gerne, wer 2020 mit Regenschirm und schwarzer Katze unter einer Leiter durchgelaufen ist.

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