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#Und seine Zweige rauschten, als riefen sie mir zu

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Und seine Zweige rauschten, als riefen sie mir zu

Tief greifende und weit verzweigte Wurzeln lassen die majestätische Linde starken Stürmen trotzen. An Stamm und Stock schlägt der robuste Baum leicht aus. So kann er ein hohes Alter erreichen. Exemplare, die 400 bis 500 Jahre zählen, sind keine Seltenheit. Die Linde von Schenklengsfeld, einem Dorf in der Nähe von Bad Hersfeld, soll über 1000 Jahre alt sein. An vielen Orten werden Linden verehrt, denn man schreibt ihnen besondere Kräfte zu. In vergangenen Zeiten verhandelte man zahlreiche Geschäfte unter den ausladenden Ästen alter Gerichtslinden. Unter der Dorflinde tanzte die Jugend und ruhte das Alter. Im deutschen Kaiserreich und in der Habsburger Monarchie pflanzte man Linden, um Herrschergeburtstage, Regierungsjubiläen und militärische Triumphe zu feiern.

Der hohe Baum mit herzförmigen, gesägten Blättern, duftenden Blüten und einer mächtigen Krone brachte den Menschen schon immer vielfachen Nutzen. Bereits die Griechen und Römer unterschieden die Sommer- (Tilia platyphyllos), die Winter- (Tilia cordata) und die Silberlinde (Tilia tomentosa). Aus dem weichen hellen Holz, das gut zu bearbeiten ist und oft einen Stich ins Rötliche hat, wurden Kisten und Truhen hergestellt, aber auch Becher und Schreibtafeln. Nicht nur in der Spätgotik war es bei Bildhauern beliebt. Mit der Rinde wiederum bedeckte man Dächer. Aus dem Bast fertigten geschickte Hände Seile und Taschen, Matten und Körbe, bis Leinen und Hanf an seine Stelle traten. Imker schätzen seit je her die Linde als Bienenweide, deren Blüten reichlich Nahrung geben, und aus getrockneten Lindenblüten wird ein schweißtreibender Tee aufgegossen, der bei Erkältungen hilft.

Bett der Verliebten

Das alte Ehepaar Philemon und Baucis wurde, wie man in Ovids Metamorphosen nachlesen kann, in zwei Bäume verwandelt: Philemon in eine Eiche, Baucis in eine Linde. Walther von der Vogelweide stellte das Bett der Verliebten in freier Natur unter einer Linde auf. Und Goethes Werther wollte nach seinem Selbstmord auf dem Kirchhof im Schatten von zwei Lindenbäumen beerdigt werden. Liebe und Linde finden auch in Franz Schuberts Lied vom Lindenbaum zusammen.

Tilia cordata, die Winterlinde oder Steinlinde.


Tilia cordata, die Winterlinde oder Steinlinde.
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Bild: picture-alliance

Wer kennt es nicht? Die Hauptmelodie ist eingängig, die Dur-Tonart, die einfachen Triolen und Tonleitern haben es zu einem beliebten Volkslied gemacht: „Am Brunnen vor dem Tore, / Da steht ein Lindenbaum; / Ich träumt’ in seinem Schatten / So manchen süßen Traum.“ Das Lied ist Teil der „Winterreise“, eines berühmten Zyklus, dessen Gedichte Wilhelm Müller verfasst hatte, der von den Romantikern Clemens Brentano, Achim von Arnim und Novalis beeinflusst worden war. Der gebürtige Dessauer war ein glühender Philhellene und unterstützte den griechischen Unabhängigkeitskampf mit der Feder. Als Literat wurde er bereits von seinen Zeitgenossen nicht sonderlich geschätzt, erlangte aber unsterblichen Ruhm, als Franz Schubert seine Gedichte vertonte. Dichter und Komponist, die beide jung starben – Müller 1827 mit 32, Schubert 1828 mit 31 Jahren – lernten sich persönlich nie kennen.

Die „Winterreise“ besteht aus 24 Liedern, deren fünftes vom „Lindenbaum“ erzählt. Auch hier wird, wie auf der gesamten Reise, das lyrische Subjekt von Pein getrieben: „Ich musst‘ auch heute wandern / Vorbei in tiefer Nacht, / Da hab’ ich noch im Dunkel / Die Augen zugemacht.“ Der Wanderer schneidet in die Rinde des Lindenbaumes „so manches süße Wort“; in „Freud’ und Leid“ zieht es ihn immer wieder zu dem Baum: „Und seine Zweige rauschten, / Als riefen sie mir zu: Komm’ her zu mir, Geselle, / Hier findst du deine Ruh’!“ Seine gequälte Seele sehnt sich nach dem Tod. Den idealen Ort für seine letzte Ruhe hat er bereits gefunden. Kalte Winde blasen ihm in das Angesicht, und schließlich fliegt ihm der Hut vom Kopfe. Er wendet sich nicht um, aber er weiß um das Ziel seiner Reise, die ihn nicht zu seiner Geliebten zurückführen, sondern seinem Leiden an der Welt ein Ende setzen wird: „Nun bin ich manche Stunde / Entfernt von jenem Ort, / Und immer hör’ ich’s rauschen: / Du fändest Ruhe dort!“

Das Rauschen des Lindenbaums haben viele gehört, auch Thomas Mann. Im „Zauberberg“ summt Hans Castorp dieses Lied vor sich hin, als das „Weltfest des Todes“, der Erste Weltkrieg, ausbricht. Heute wird niemand mehr die Linde als Symbol eines romantischen Todeskultes bemühen, und in ihre Rinde werden kaum noch die Namen der Geliebten geritzt. Der Österreichische Baum des Jahres 2021 ist inzwischen zu einem Zeichen der Hoffnung geworden. Denn es scheint, als trotzten Lindenbäume – vor allem die Winter- und Silberlinde – dem Klimawandel, da sie flexibel auf die unterschiedlichen Herausforderungen reagieren, die Boden, Luftqualität und Temperatur an sie stellen.

Die Tanzlinde im oberfränkischen Limmersdorf. Die Lindenkirchweih gehört zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands im Rahmen der Unesco-Konvention.


Die Tanzlinde im oberfränkischen Limmersdorf. Die Lindenkirchweih gehört zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands im Rahmen der Unesco-Konvention.
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Bild: picture-alliance

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