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#„Unser Team ist dezimiert“

„Unser Team ist dezimiert“

Herr Doktor Çelik, wir sprechen regelmäßig über Ihre Arbeit als Oberarzt auf der Isolierstation für Covid-19-Kranke im Klinikum Darmstadt. Wie ist aktuell die Lage?

Julia Anton

Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.NET

Ein Sommer mit nur vereinzelten Covid-Fällen beginnt gerade in unserer Klinik. Auf der Überwachungs- und Normalstation haben wir aktuell nur noch einen Patienten, der hoffentlich in den kommenden Tagen entlassen werden kann. Auf der Intensivstation sind noch drei Langzeitbeatmete, die bereits seit Wochen maschinelle Beatmung benötigen. Da ist es natürlich deutlich schwieriger, die Patienten von der Beatmung zu entwöhnen und sie wieder zu entlassen. Wir kennen das von den vorangegangenen Wellen, dass auf der Normal- und Überwachungsstation die Belegungszahlen schneller zurück gehen, während sie sich auf der Intensivstation auf einem Plateau einpendeln – allerdings auf niedrigem Niveau, sodass wir wieder ausreichende Kapazitäten für andere schwere Erkrankungen haben.

Was passiert, wenn der vorerst letzte Patient entlassen wird?

Nicht erst seit Beginn der Pandemie beschäftigt uns immer noch dasselbe Thema: das Personal. Eine räumlich vorhandene Station bringt uns nicht viel, wenn kein Personal da ist, um Patienten zu pflegen. Aktuell wird zugunsten anderer Stationen Pflegepersonal von der Covid-Station abgezogen, seit zwei Wochen arbeiten wir nur noch mit einem Rumpfteam, das die wenigen Verdachts- sowie die bestätigten Covid-Patienten versorgt. Das Personal wird auf den anderen internistischen Stationen dringend benötigt, weil wir in den vergangenen Monaten dort vieles vor uns hergeschoben haben. Allerdings ist unser pflegerisches Team nach einem Jahr Pandemie dezimiert. Aufgrund der Belastung haben viele Kollegen aus der Pflege sich entschieden, in Teilzeit zu gehen oder dem Beruf sogar ganz den Rücken zu kehren. Ein bereits vorhandener Trend hat sich durch die Pandemie verstärkt, wie so oft. Entsprechend müssen wir uns Gedanken machen, wie wir ein stabiles Team aufbauen können.

Was ist aus Ihrer Sicht dafür nötig?

Das ist natürlich aus ärztlicher Sicht schwierig, weil man immer ein Stück weit außenstehend ist. So wie ich das aus Gesprächen wahrnehme, beginnt es natürlich bei den Arbeitsbedingungen, der Bezahlung, der Planbarkeit, und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber es gibt Vertreter der Pflegeberufe und Fachgesellschaften, die diesem komplexen Thema gerechter werden können.

In Großbritannien wurden gerade geplante Lockerungen verschoben, weil sich dort die Delta-Variante zunehmend ausbreitet. Macht Ihnen das Sorgen?

Der Blick nach Großbritannien ist für uns ein Stück weit ein Blick in unsere nahe Zukunft. Wir sind uns sicher, dass die Delta-Variante die bisherigen Varianten verdrängen wird. In Großbritannien ist sie bereits bei 90, in den USA bei 10 Prozent. Entscheidend ist aber nicht, inwiefern Delta anteilig überhandnimmt, sondern ob die Variante auch zu einem Anstieg der Infektionszahlen insgesamt führen wird. Nach den Erkenntnissen aus Großbritannien wissen wir, dass wir jetzt im Wettrennen gegen die Zeit sind: Wir haben erst nach zwei Impfungen einen ausreichenden Schutz, die Erstimpfung genügt nicht. Die aktuell niedrigen Inzidenzen verschaffen uns Zeit. Die Variante Delta gibt es bereits in Deutschland, sie bewegt sich aber auf einem niedrigen Niveau. Wir gehen auch davon aus, dass diese Variante einen höheren Saisonalitätseffekt hat. Diese zusätzliche Zeit müssen wir jetzt gut nutzen, um mit der Impfkampagne voranzukommen, damit wir im Herbst eine ausreichende Immunität in der Bevölkerung haben.

Welche Erkenntnisse haben Sie noch über die Delta-Variante?

Zum einen scheint die Symptomatik anders zu sein: Es gibt weniger Geruchs- und Geschmackssinnverluste, dafür mehr Kopfschmerzen und tatsächlich Schnupfen. Zum anderen wissen wir mittlerweile, dass die Delta-Variante noch ansteckender als die Alpha-Variante ist, es kommt ersten Berichten nach häufiger zu einem schwereren Verlauf und die Hospitalisierungsrate ist höher. Außerdem sind jüngere Patienten häufiger betroffen. Deshalb müssen wir jetzt wachsam sein und durch eine regelmäßige Sequenzierung sicherstellen, dass wir frühzeitig mitbekommen, wenn sich die Variante ausbreitet. Dazu müssen die vorhandenen Testkriterien aufrecht erhalten und Tests symptombezogen durchgeführt werden, wenn jemand bereits die Erstimpfung bekommen hat. Das sichert die aktuellen Lockerungen und unseren Sommer ab.

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