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#Unsere Bekannten sind uns abhandengekommen

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Unsere Bekannten sind uns abhandengekommen

Das „Casa del Caffè“ in der Heidelberger Altstadt ist eine Hommage an die klassische italienische Bar: Ein langer, schmaler Raum mit Tresen und Barhockern, es gibt Cappuccino, Panini und Aperitif. Vor allem, das ist wohl das Wichtigste, gibt es unausgesprochene Regeln, Rituale und Stammgäste. Regelmäßige Besucher, die Stammplätze haben, den braunen und nicht den weißen Zucker zum Espresso möchten und lieber den Kaffee von Illy als den anderen trinken.

Anna Vollmer

Gäste, die noch nie im „Casa“ waren, kennen diese Regeln nicht. Sie setzen sich hin, wo etwas frei ist, bestellen Kaffee und nehmen den Zucker, der eben da ist. Kommen sie öfter, ändert sich das. Man weiß, was man will: welchen Kaffee, welchen Platz.

In normalen Zeiten treffen sich einige Stammgäste schon vor der Arbeit kurz am Tresen oder kommen nach der Mittagspause auf einen Espresso vorbei. Sie plaudern miteinander, teilen die Zeitung oder kabbeln sich um die Lieblingsplätze am Fenster. Sie kommen nicht, weil das „Casa“ das einzige Café ist, in dem es guten Kaffee gibt. Sondern weil es ein Treffpunkt ist. Es öffnet morgens früh und schließt abends spät – sieben Tage die Woche.

Einmal im Jahr macht das Personal seine Weihnachtsfeier. Damit auch da niemand auf das „Casa“ verzichten muss, bedienen an diesem Abend die Stammkunden. Sie kennen sich oft von hier, einige von ihnen kommen seit zwanzig Jahren und sind inzwischen befreundet, andere sehen sich nur im Café.

Kaum Kontakt zu Bekannten

Nicht jeder hat ein Stammcafé oder geht gern in die Kneipe, aber jeder hat Menschen, zu denen er Beziehungen pflegt, die sich wohl am ehesten mit den Worten „man kennt sich“ beschreiben lassen. Leute, mit denen wir täglich im gleichen Zug sitzen, deren Kinder auf die gleiche Schule gehen, die Freunde von Freunden sind, die gleiche Musik mögen oder im selben Seminar sitzen. Wie viele Menschen wir kennen, lässt sich in konkreten Zahlen schwer messen, aber meist gehe es in die Hunderte, sagt Christian Stegbauer, Soziologe an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Manche grüßen wir nur und haben nicht einmal ihre Telefonnummer.

Andere sind Bekannte, ein Wort, das zwar nicht negativ besetzt ist, aber in dem doch immer eine leichte Form der Abwertung mitschwingt: Bekannte sind (noch) keine Freunde. Das merkt man jetzt, da wir seit Monaten zu Hause hocken. Denn unsere Bekannten sind uns abhandengekommen. Frage er seine Studierenden, mit wem sie während der Corona-Zeit noch Kontakt hätten, so nenne der Großteil von ihnen ihre Familie und zwei oder drei enge Freunde, sagt Stegbauer. Nun könnte man sagen: Was soll’s? Wenn wir diese Menschen nie in den engeren Kreis aufgenommen haben, wird das schon seine Gründe haben. Waren sie also nicht wichtig?

Weil es ganz so einfach nicht ist, hat das „Casa“ auch während der Pandemie jeden Tag geöffnet. Für Rudolf Miltner, den Besitzer, war das selbstverständlich: „Ich konnte nicht zumachen, auch wenn es sich vom Umsatz vielleicht nicht immer lohnt.“ Denn er habe gewusst: „Wenn wir zumachen, dann fällt meinen Gästen die Decke auf den Kopf.“ Tatsächlich kommen die Gäste trotzdem und trinken morgens auf der Straße ihren Kaffee. Er holt sein Handy heraus und zeigt ein Foto der Nachbarin, die sich ihren eigenen Tisch in den Hauseingang gestellt hat, um dort ihren „Casa“-Kaffee zu trinken und die anderen Gäste aus der Ferne zu begrüßen: „Die Frau ist 85, und die saß auch bei minus zehn Grad noch hier“, sagt Miltner. Das „Casa“ sei für viele ein Teil ihres sozialen Umfelds. „Dafür ist die Gastronomie eigentlich da, nicht für den Kaffee.“

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