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#Verdammt: House of the Dragon macht mir den neuen Joffrey sympathisch und ich drehe durch

House of the Dragon verkaufte mir den ätzenden Thronerben Aegon II Targaryen bisher als neuen Joffrey, den ich mit Freuden hassen konnte. Doch jetzt stellt Staffel 2 alles auf den Kopf.

Zur Rückkehr von House of the Dragon muss ich erstmal wieder sortieren, wer im großen Targaryen-Stammbaum wer ist. Dazu gehört auch die Erinnerung, wem ich zuletzt meine Sympathien schenkte und wen ich mit Hingabe verachtete. Der desinteressierte Thronfolger Aegon II (Tom Glynn-Carney), der in der Vergangenheit vor allem masturbierend am Burgfenster auffiel, gehörte klar zur zweiten Kategorie. Zumindest bis zum Start von Staffel 2.

Der Staffel 2-Auftakt steckte voller Schockmomente, aber der größte Schock abseits von toten Kindern und getretenen Hunden ist wohl der, dass König Aegon plötzlich unerhört … sympathisch ist?

House of the Dragon-Überraschung: Aegon II ist nicht der neue Joffrey

Im Serien-Vorgänger Game of Thrones war Joffrey Baratheon (Jack Gleeson) wohl die Figur, die die meisten von uns zu hassen liebten. Der junge blonde König schwankte als verwöhntes Muttersöhnchen zwischen Wehleidigkeit und Grausamkeit. Aegon II, der in Staffel 1 von House of the Dragon zum König gekrönt wurde, brachte auf den ersten Blick ähnlich negative Eigenschaften mit.

Fast ebenso jung und blond und mutterbezogen wie Joffrey verlegte Aegon sich schon als Junge auf üble Schweinestreiche gegenüber seinem jüngeren drachenlosen Bruder. Später schlief er sich durch die Slums von Königsmund, zeugte Bastarde und strafte seine Schwester-Frau Helaena (Phia Saban) nach der Geburt ihrer zwei Kinder mit Missachtung. Sein politisches Interesse ließ sich gut mit der Masturbationsszene am Fenster zusammenfassen. Aegons Thronbesteigung als Gegenkönig zu
Rhaenyra (Emma D’Arcy)
stand folglich unter keinem verheißungsvollen Stern.

Joffrey aus GoT und Aegon II aus HotD Staffel 1

Nun aber meldet House of the Dragon sich zurück und zeigt in Folge 1 eine neue Seite von König Aegon II. Er ist immer noch der junge Mann mit herablassendem Gesichtsausdruck, der am Ende von Staffel 1 keine Lust auf den Thron hatte und erst im Jubel der Massen vorsichtigen Gefallen daran fand. Jetzt hat er die Aufgabe jedoch angenommen und versucht sie, nach besten Fähigkeiten zu bewältigen. Und selbst wenn diese Fähigkeiten nicht nennenswert sind, ist der Wille zur Besserung erkennbar. Joffrey wollte Macht, Aegon nimmt sie widerwillig an.

Hinzu kommt, dass wir Aegon erstmal als Vater erleben. Im Making-of-Video zu Folge 1 erklärt Darsteller Tom Glynn-Carney: „Ich denke, Aegon ist die Art von Vater, die schlechtes Benehmen ermutigt, weil er es lustig findet. Ich bezweifle nicht, dass er seine Kinder liebt. Aber er diszipliniert sie nicht. Er hat eher Wettbewerbe mit ihnen, wer rebellischer ist.“

House of the Dragon – S02E01 Inside the Episode (English) HD

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In der Theorie klingt das verwerflich, weil es bedeutet, dass Aegon im Prinzip selbst noch ein Kind auf dem Thron ist. In der Praxis erleben wir ihn hingegen als liebenden Papa, der seinen 4-jährigen Sohn mit „zur Arbeit“ nimmt, um ihn (laut Showrunner Ryan Condal im Featurette) auf die königlichen Pflichten vorzubereiten – was sein eigener Vater Viserys (Paddy Considine) nie für ihn getan hat. Das führt zwar zu einem unangenehmen Moment, wenn Aegon Ratsmitglied Tyland Lannister (Jefferson Hall) seinem Sohn als Reittier anbietet. Doch anders als Joffrey, der auf der Umsetzung seiner demütigenden Idee bestanden hätte, beharrt Aegon nicht auf seinem Vorschlag, der mehr aus Witz als aus Grausamkeit geboren wurde.

House of the Dragon zeigt in Staffel 2: Aegons Liebeswürdigkeit liegt in seiner Schwäche

Condal fasst Aegons Unfähigkeit wie folgt zusammen: „Er findet Humor, wo keiner existierte. […] Er ist komplett überfordert und will alles gut machen, kann aber keine richtige Entscheidung treffen, egal was er tut.“ Das zeigt sich insbesondere während der Audienz in Folge 1, bei der Aegon II einem Bittsteller den Verlust seiner Schafe wiedergutmachen will. Wenn er es täte, würden bald alle Farmer Schlange stehen, um etwas für ihre von Drachen verspeisten Tiere zu verlangen. Aegons kleinlaute Frage, ob nicht zumindest dieser eine Bauer heimlich bezahlt werden könne, bringt dem jungen König trotzdem Sympathiepunkte ein.

Interessant ist, dass sich die neue Sympathie aus Aegons Schwäche speist. Statt durch Heldentaten oder standhafte Moral hebt dieser grüne König sich durch seine Weichheit inmitten harter Entscheider hervor. Er will es am liebsten allen recht machen: seinen Untertanen ebenso wie seiner Hand Otto (Rhys Ifans) und seiner Mutter Alicent (Olivia Cooke). In der rücksichtslosen Welt von Game of Thrones und House of the Dragon macht ihn das als König ungeeignet. Aber schon sein langsam verfallender Vater Viserys war als Charakter so liebenswert, weil er nur seine Familie zusammenbringen und in Frieden regieren wollte.

Aegon II in House of the Dragon, Staffel 2

So lächerlich der königliche Beiname „Aegon the Magnanimous“ (Aegon, der Großherzige) klingt: Am Ende könnte er entgegen aller Erwartungen ins Schwarze treffen … oder den jungen König zu Fall bringen, weil schon der sanfte Viserys sich am Eisernen Thron schnitt und Einflüsterer wie Larys (Matthew Needham) nie weit sind.

House of the Dragon kann mit Aegon ein Kunststück aus Game of Thrones wiederholen

Meine widerwillige Verblüffung, dass Aegon in Staffel 2 nicht länger nur das unausstehlich Gör mit Krone ist, das ich erwartet habe, schließt den Kreis zur Mutterserie. Game of Thrones zeichnete sich durch seine vielschichtigen Charaktere aus, die selten ganz ins Spektrum von Schwarz oder Weiß (bzw. Grün) fallen. Es sind Figuren, die sich über die Staffeln hinweg weiterentwickeln dürfen. Wie sonst hätte Jamie „Kinder-aus-Fenstern-Werfer“ Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) sich in Staffel 3 zu einer meiner Lieblingsfiguren mausern können?

House of the Dragon ist nach Folge 1 auf dem besten Weg, dieses Kunststück mit Aegon II Targaryen zu wiederholen. Das mag mich zu Anfang in den Wahnsinn treiben, weil ich meine vorgefassten Figuren-Präferenzen infrage stellen muss. Aber zugleich ist es das, was die Reise nach Westeros so aufregend macht: Nicht nur die unerwarteten Tode, sondern auch die unerwarteten Charakter-Schlenker, die mich hier erwarten.

House of the Dragon Staffel 2: Aegon & Aemond

Vorab stellte Staffel 2 das Publikum vor die Wahl zwischen Grün und Schwarz, also zwischen die Lager der Königinnen Rhaenyra und Alicent. Ganz so einfach ist das mit der Loyalität aber eben nicht. Wenn ich meine Treue den Schwarzen schenke, kann ich sie trotzdem für Kindermorde verachten und umgekehrt Sympathien für Vertreter der Grünen finden. Das ist genau die genussvoll quälende Ambivalenz, die schon Game of Thrones vorzüglich meisterte. Denn hier können
edle Ritter sich als Huren entpuppen, kleinwüchsige Helden mit spitzen Zungen die Welt lenken und masturbierende Thronerben das Steuer der Sympathie herumreißen.

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